Armutskonferenz in Schneeberg
Armut in Deutschland. Vor 20 Jahren war Armut in diesem Land eine Randerscheinung und im öffentlichen Bewusstsein kaum vorhanden. Heute ist sie Alltag und bittere Realität.
Die Armut in Deutschland wächst. Was mit den Hartz–Gesetzen verhindert werden sollte, ist gerade durch die Einführung von Hartz IV eingetreten. Nicht umsonst haben wir als LINKE immer gesagt: Hartz IV ist Armut per Gesetz.
Das zeigen die Ergebnisse der aktuell vorgelegten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DWI). Darin heißt es, dass 14 Prozent der deutschen Bevölkerung armutsgefährdet seien – ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren.
Im Mai 2009 hat auch das Statistische Landesamt Zahlen zur Armut in Sachsen veröffentlicht. Danach müssen 13,6 Prozent der sächsischen Bevölkerung mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Sachsen auskommen. Überdurchschnittlich hoch ist die sogenannte Armutsgefährdungsquote. Verglichen mit dem mittleren Einkommen auf Bundesebene beträgt die Armutsgefährdungsquote in Sachsen 19,6 Prozent und liegt damit deutlich über der Quote von 14,3 Prozent für das gesamte Bundesgebiet.
Damit nimmt Sachsen nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt den dritten Platz in Deutschland ein.
Zunehmende Armut ist und wird eine der grundlegenden Entwicklungstendenzen des sozialen Wandels in Deutschland sein.
Und Armut wird in Deutschland insbesondere in Sachsen, in immer stärkerem Maße, zu einem sozialen Problem.
Es gibt verschiedene Arten von Armut in diesem Land: „Armut von Kindern in Familien“, „Armut trotz Arbeit“ oder „Altersarmut“ sind inzwischen tagtäglich in Medien und Politik präsent und werden stetig mit neuen beunruhigenden Zahlen belegt. In Ost wie in West ist Armut in der Tendenz steigend. So lebten 2010 18 Prozent der ab 18-jährigen Bürger unterhalb der Armutsrisikoschwelle. In Ostdeutschland waren das 24 Prozent und in Westdeutschland 16 Prozent. Vor allem Alleinerziehende, Arbeitslose und Familien mit mehreren Kindern sind von Armut am meisten betroffen.
Armut in Deutschland kann man nicht vergleichen mit Armut in anderen Ländern. Das durchwühlen von Mülleimern nach weggeworfenen Lebensmittels, ist jedoch inzwischen auch in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt, häufig zusehen und ein Spiegelbild der Armut im Jahre 2010.
Armut bedeutet nicht nur soziale Armut, sondern es bedeutet Ausgrenzung am gesellschaftlichen Leben. Vor allem Kinder und Jugendliche leben zunehmend in Armut und sind die leidtragenden in armen Familien, weil sie von einem Einkommen leben müssen mit dem sie nicht am kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können. So werden engagierte junge Menschen, die sich bemühen, kulturell und sozial aufzusteigen demotiviert, weil sie in gewisser Weise von Beginn an chancenlos sind.
In die Armutsfalle geraten vor allem Erwerbslose. Gleichwohl steigt das Armutsrisiko in den letzten Jahren auch zunehmend für Personen mit Erwerbstätigkeit, was mit der Ausbildung des Niedriglohnsektors und der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse zu tun hat. Deshalb brauchen wir deutlich höhere Löhne, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8.50 Euro und perspektivisch von zehn Euro in der Stunde, eine deutliche Anhebung der Hartz IV-Sätze und eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen.
Arm trotz Arbeit! Ein negativer Trend der sich in unserem Land ausbreitet und trotzdem findet ein gründlicher Ausbau des Niedriglohnsektors statt. Die Folge: die Mittelschicht schrumpft deutlich.
Deshalb sind wir als LINKE gefordert das Thema Armut immer wieder auf die Agenda zu setzen – den Finger sozusagen in die Wunde zulegen.
Wichtig ist jedoch auch, dass wir eigene Vorschläge zur Bekämpfung von Armut anbringen, die heute und jetzt helfen.
Ich bin ja nicht nur Abgeordneter im Sächsischen Landtag sondern auch Landesvorsitzender. Deswegen möchte ich auch dafür plädieren, dass wir als LINKE auch Visionen entwickeln. Heißt wir brauchen Antworten und Vorschläge für die Zukunft. Da sollten wir auch keine Angst haben, dass unsere Vorschläge sofort Mehrheitsfähig sein könnten bzw. auf große Gegenliebe stoßen, wie zum Beispiel das Thema Grundeinkommen.
Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ist keinesfalls unumstritten. Aber ich habe die Auffassung und vertrete die Meinung, dass es sinnvoll und wichtig ist eine Diskussion über den Themenbereich Grundsicherung und deren verschiedene Formen zu führen. Denn schon allein die Diskussionen liefern uns wertvolle Beiträge, um die linke Debatte über Strategien der Beschäftigungs‑, Sozial- und Gesellschaftspolitik weiterzuentwickeln und auch weiter voranzubringen.
Ich halte es für eine Notwendigkeit, dass wir uns darüber Gedanken machen, welche Möglichkeiten es gibt, das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr nur allein von Erwerbsarbeit abhängig gemacht wird. Dass das Modell einer Grundsicherung bei der Ausrichtung der Sozialsysteme aufgegriffen und stärker in den Blickpunkt gerät, ist wahrscheinlich – denn letztendlich ist diese Idee auch weniger revolutionär als vielfach angenommen wird.
Von uns sollte eine moderne Form des „Rechts auf Arbeit“ angestrebt werden. Denn jeder hat ein Recht auf einen Anteil an bezahlter Erwerbsarbeit ebenso wie ein Recht auf einen fairen Anteil an disponibler, sprich freier Zeit. Dementsprechend sollte das Grundeinkommen mit einem universellen, gleichen und faktischen Zugang zu Erwerbsarbeit verbunden sein.
Diese Form des Grundeinkommens würde das Prinzip der „kurzen Vollzeit“ stützen. Die so gewonnene Zeit würde dem Individuum selbst zur Disposition gegeben und nicht dem Staat oder über Subventionen den Unternehmen.
Mit diesem kurzen Ausblick in die Programmatik der LINKEN, möchte ich euch in das Restwochenende schicken. Ich möchte mich im Namen der Organisatorinnen und Organisatoren bei allen bedanken, die heute hier hergekommen sind, mit uns diskutiert haben und zu einem Erkenntnisgewinn beigetragen haben. Ich vermute mal es war nicht die letzte Armutskonferenz, die die linke Landtagsfraktion in Sachsen durchgeführt hat.