Wann der Streifenwagen kommt, weiß Minister nicht – „Polizeireform“ für Sachsen im Blindflug, Regierung ahnungslos
Zur Nichtbeantwortung meiner Anfragen zum Thema „Stellenabbau und Revierhalbierung ohne Vorlage von belastbaren Zahlen“ (Drucksache 5/4796) durch Innenminister Ulbig (CDU):
Laut Organisationskonzept „Polizei. Sachsen. 2020“ des Innenministeriums soll die Entscheidung über künftige Polizeistandorte und Reviergrößen u. a. von der Anzahl der Straftaten und „angemessenen Interventionszeiten des Streifendienstes, insbesondere aufgrund entstehender Entfernungen“, abhängig gemacht werden. Auf meine Fragen nach der Einsatzhäufigkeit in den bisherigen Revieren und den durchschnittlichen Zeiten zwischen Alarmierung und Eintreffen am Tatort beschied mich der Innenminister, die gewünschten Informationen zu beschaffen sei unzumutbar. Denn „zur Anzahl der Einsätze je Polizeirevier nach Deliktsarten sowie zu Anfahrtszeiten zum Ereignisort werden keine Statistiken geführt.“
Offenbar betreibt das Innenministerium Personalabbau bei der Polizei und das Wegrationalisieren von Revieren im Blindflug. Während man im Organisationskonzept vorgab, sogar „kriminalgeografische Aspekte und infrastrukturelle Gegebenheiten“ zu berücksichtigen, scheitert man tatsächlich schon bei einfachster Statistik. Wenn das Innenministerium über die derzeitigen Interventionszeiten der Polizei nichts weiß, ist auch die Festlegung dessen, was künftig „angemessen“ ist, reine Willkür und bar jeder Vergleichbarkeit.
Fast schon unfreiwillig komisch ist die Belehrung, die mir der Minister auf meine Frage nach der Veränderung der Interventionszeiten im Zuge der Polizeireform gibt. Die Schnelligkeit der Polizei beim Eintreffen sei von der „Gefahrenrelevanz“ abhängig, und deshalb könne dazu nichts gesagt werden. Erstens ist mir bekannt, dass die Polizei auf eine Messerstecherei schneller reagiert als auf einen geklauten Gartenzwerg, zweitens hatte ich bereits nach Gewalt- und Eigentumsdelikten differenziert gefragt, und drittens erwarte ich von einem Minister, dass er es sich nicht so leicht macht, das Thema für „zu kompliziert“ zu erklären.
Erkenntniswert haben die „Antworten“ gleichwohl: Der Abbau von 2.600 Polizei-Personalstellen und die Schließung von acht Polizeidirektionen und 31 Polizeirevieren werden ohne seriöse Analyse des Status Quo und ohne Rücksicht auf Sicherheitsverluste durchgezogen. Die Vorgaben des Organisationskonzeptes dienen nur der Täuschung der Öffentlichkeit. Das aber werden wir – im Interesse von Bürgern und Polizei – dem Innenminister nicht durchgehen lassen!