Konsequent sozial bleiben und neue Schritte gehen

Mit einem Papi­er mit dem Titel “Kon­se­quent sozial bleiben und neue Schritte gehen” wollen die die Lan­desvor­sitzen­den von Sach­sen-Anhalt, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Berlin und Sach­sen, Matthias Höhn, Stef­fen Bock­hahn, Klaus Led­er­er und Rico Geb­hardt, die stel­lvertre­tende Parteivor­sitzende Hali­na Wawzy­ni­ak sowie Bun­dess­chatzmeis­ter Raju Shar­ma, der Berlin­er Bun­destagsab­ge­ord­nete Ste­fan Liebich und Dominic Heilig, Mitar­beit­er im Bun­destag und die Lan­dessprecherin Schleswig-Hol­steins, Jan­nine Menger-Hamil­ton »neue Akzente« für eine »offene, sol­i­darische und kri­tis­che Strate­giede­bat­te set­zen.

In den let­zten Wochen verän­derte sich die Poli­tik in der Welt und in Deutsch­land. Mit der fürchter­lichen Nuk­lear­katas­tro­phe in Japan ist die Atom­frage zu einem The­ma gewor­den, das weite Kreise der Bevölkerung umtreibt. Schon lange gab es keine so starke Poli­tisierung der Gesellschaft wie in diesen Wochen. Die Wahlen in Baden-Würt­tem­berg  wer­den zum ersten grü­nen Min­is­ter­präsi­den­ten in der Geschichte der Bun­desre­pub­lik führen. Die SPD ist aus ihrer des­o­lat­en Sit­u­a­tion nicht her­aus­gekom­men. DIE LINKE hat am 27.3. eine klare Nieder­lage erlit­ten. Daran gibt es nichts zu deuten.

Wir denken, dass sich zur Zeit die gesellschaftlichen The­men verän­dern und DIE LINKE hier­auf reagieren muss. Die Erfol­gs­geschichte der LINKEN die 2005 begonnen wurde,  ist ein­ma­lig in der Geschichte der Bun­desre­pub­lik. Nach den Wahlnieder­la­gen sind wir der Auf­fas­sung, dass wir neue Akzente set­zen müssen und eine offene, sol­i­darische und kri­tis­che Strate­giede­bat­te brauchen.

  1. Der Regierungswech­sel 2009 stellt auch DIE LINKE vor neue Her­aus­forderun­gen. Die völ­lig abgewrack­te schwarzgelbe Bun­desregierung ruft bre­ite Ablehnung in der Gesellschaft her­vor. Für DIE LINKE muss dies bedeuten eine mögliche Alter­na­tive zu befördern. Dafür ist es notwendig unsere wichti­gen The­men wie Min­dest­lohn (der schrit­tweise, Branche für Branche kommt), Rente mit 67 (die nun­mehr auch von der SPD halb­herzig in Frage gestellt wird) oder dem Abzug der Bun­deswehr aus Afghanistan (der, wenn auch viel zu spät, von anderen auch gefordert wird) zu ergänzen, zu konkretisieren und neue The­men – beson­ders auch jene, die die jün­gere Gen­er­a­tion inter­essieren – in die strate­gis­chen und pro­gram­ma­tis­chen Über­legun­gen der LINKEN einzubeziehen.
  2. Wir hal­ten es für selb­stver­ständlich, dass bei bedeu­ten­den poli­tis­chen und gesellschaftlichen Ver­schiebun­gen eine linke Partei ihre Strate­gie disku­tiert und weit­er­en­twick­elt. Dafür müssen alle Ebe­nen der Partei bere­it sein. Kri­tik und Debat­ten sind sub­stantiell wichtig für die Entwick­lung ein­er linken Partei. Diese als schädlich für die Partei zu beze­ich­nen und das Behar­ren auf dem Sta­tus Quo führt zu Still­stand, Langeweile und schließlich zur Unfähigkeit auf gesellschaftliche Verän­derun­gen zu reagieren.
  3. Dazu gehört ein­er­seits eine strate­gis­che Debat­te, die im Kern analysiert und disku­tiert was sich seit den Bun­destagswahlen 2009 in dieser Gesellschaft geän­dert hat und wie eine mod­erne – nicht mod­ernistis­che – LINKE darauf reagieren sollte.
  4. Dazu gehört für uns ander­er­seits eine öffentliche Debat­te. Wir meinen, dass die Bürg­erin­nen und Bürg­er ein Recht darauf haben nachzu­vol­lziehen, in welche Rich­tung die LINKE gehen will, welche Posi­tio­nen es gibt und welche Wege disku­tiert wer­den.
  5. Es ist Zeit für einen neuen Schritt in der Entwick­lung der LINKEN. Dabei haben wir mehr Fra­gen als Antworten. Daher wollen wir eine offene, kri­tis­che und sol­i­darische Diskus­sion. In diesem Sinne wün­schen wir uns endlich eine Kul­tur, die Kri­tik als einen Wert an sich begreift. Die Lust ver­bre­it­et, neue The­men­felder und unangepasste Ideen im sol­i­darischen Stre­it aufzunehmen, sie zu drehen und zu wen­den, um Schritte nach vorne zu gehen. Dabei muss das Mot­to „Das eine tun – ohne das andere zu lassen“ zu einem Leit­mo­tiv wer­den. Neue Ideen als Angriffe auf Markenkerne zu denun­zieren ist unpoli­tisch und führt zur Fried­hof­s­ruhe.
  6. Wir plädieren dafür, die LINKE stärk­er zu machen, damit ein Poli­tik­wech­sel und nicht nur ein Regierungswech­sel zu Stande kommt. Ohne eine starke LINKE endet Rot­grün wieder bei Sozial­ab­bau und Kriegs­beteili­gun­gen.
  7. Aus unser­er Sicht bedarf es ein­er ergeb­nisof­fe­nen Auseinan­der­set­zung zu fol­gen­den für die Partei prä­gen­den Punk­ten:
    1. Unser Ver­ständ­nis über Auf­gabe und Rolle der Partei DIE LINKE und ihrer Ver­ankerung im par­la­men­tarischen und außer­par­la­men­tarischen Raum. Die seit der Bun­destagswahl 2009 stattge­fun­de­nen außer­par­la­men­tarischen Aktiv­itäten von Ini­tia­tiv­en, Ver­bän­den und Gew­erkschaften wur­den durch die Partei zum Teil mas­siv inhaltlich, per­son­ell und logis­tisch begleit­et. Was bish­er aus­blieb, ist eine Auswer­tung über die aus­ge­bliebene gesellschaftliche Wirkung des „heißen Herb­stes“ 2010, der maßge­blich mit The­men dominiert wer­den sollte, die zum so genan­nten Markenkern der LINKEN gehören: Gute Arbeit und Min­dest­lohn, Umverteilung und Rente erst ab 67. War es wirk­lich erst die Katas­tro­phe in Japan, die die gesellschaftliche Aufmerk­samkeit ver­schoben hat weg von unseren Kern­the­men bis 2009?
      Gle­ichzeit­ig find­et eine pos­i­tive Reflex­ion über unsere par­la­men­tarische Arbeit und die erre­icht­en realen Verän­derun­gen der Lebens­be­din­gun­gen der Men­schen de fac­to nicht statt.
    2. Daran schließt sich die Frage der Zweckbes­tim­mung ein­er Partei durch die Wäh­lerin­nen und Wäh­ler an. Die Wahlen in Baden-Würt­tem­berg haben vor Augen geführt, wie schnell eine Partei mit noch so klaren Posi­tion­ierun­gen und einem engagierten Wahlkampf unter die Räder kom­men kann, wenn sie in den Augen der Bürg­erin­nen und Bürg­er für reale Politik(veränderung) nicht gebraucht wird.
    3. Nicht erst mit der 2008 einge­trete­nen Weltwirtschaft­skrise wurde durch einige Linke wieder ein­mal das nahe Ende des Kap­i­tal­is­mus voraus­ge­sagt. Gut zweiein­halb Jahre später sieht die Bilanz anders aus: Der Kap­i­tal­is­mus hat sich erneut als äußerst anpas­sungs­fähig erwiesen. Die von uns mitunter als ungerecht emp­fun­dene Tat­sache, dass Wäh­lerin­nen und Wäh­ler ger­ade in der Krise den­jeni­gen ihr Ver­trauen aussprechen, die die Krise durch aktive Poli­tik verur­sacht haben, hat maßge­blich mit dem man­gel­nden Zutrauen viel­er Men­schen in unsere Prob­lem­lö­sungskom­pe­tenz und Gestal­tungskraft zu tun.
      DIE LINKE ste­ht darum vor der Auf­gabe, zum einen ihre Analyse gesellschaftlich­er Zustände und Entwick­lun­gen zu schär­fen und näher an die Leben­sre­al­ität und Wahrnehmung der Men­schen zu führen. Zudem ist sie gefordert, die gesellschaftlichen Debat­ten­lin­ien der kom­menden Jahre klar­er zu definieren und ihre Lösungsange­bote nachvol­lziehbar durchzudek­lin­ieren, z.B. Demokratie – Ver­fü­gung – Eigen­tum, Ökolo­gie – Energiepoli­tik – Struk­tur­wan­del, Glob­al­isierung von Leben­sall­t­ag – Rena­tion­al­isierung­s­ten­den­zen in Europa – Europäisierung link­er Poli­tik und Bürg­er­rechte. Dass die soziale Frage und die Frieden­spoli­tik wesentliche Schw­er­punk­te sind und bleiben ist selb­stver­ständlich. Wir wollen erweit­ern und weit­er­en­twick­eln.

 

Matthias Höhn (Lan­desvor­sitzen­der Sach­sen-Anhalt, geschäfts­führen­der Parteivor­stand), Jan Korte (MdB, Frak­tionsvor­stand), Stef­fen Bock­hahn (MdB, Lan­desvor­sitzen­der Meck­len­burg-Vor­pom­mern), Ste­fan Liebich (MdB), Dominic Heilig (Lan­desver­band Meck­len­burg-Vor­pom­mern), Ste­fan Hart­mann (Parteivor­stand), Hali­na Wawzy­ni­ak (MdB, stel­lv. Parteivor­sitzende), Raju Shar­ma (MdB, Bun­dess­chatzmeis­ter), Klaus Led­er­er (MdL, Lan­desvor­sitzen­der Berlin), Rico Geb­hardt (MdL, Lan­desvor­sitzen­der Sach­sen), Jan­nine Menger-Hamil­ton (Lan­dessprecherin Schleswig-Hol­stein)