Linke-Chef sieht Stagnation und kritisiert Doppelspitze

Gespräch mit Jörg Schurig von der dpa:

Dres­den (dpa/sn) – Sach­sens Linke-Chef Rico Geb­hardt sieht seine Partei auf der Stelle treten und macht dafür auch die Dop­pel­spitze auf Bun­de­sebene ver­ant­wortlich. «Unser Marken­ze­ichen, das Soziale, wird derzeit von vie­len Men­schen nicht als Antwort auf ihre wichtig­sten Fra­gen emp­fun­den. Nicht, weil das Soziale keine Rolle mehr spielt, ganz im Gegen­teil, son­dern weil es von uns zu alt­back­en kom­mu­niziert wird», sagte er der Nachricht­e­na­gen­tur dpa. Man habe es ver­säumt, auf das weit­ere Auseinan­der­driften der Gesellschaft mit neuen Lösungsvorschlä­gen zu reagieren. Geb­hardt führt den mit unge­fähr 12 000 Mit­gliedern größten Lan­desver­band der Linken seit Ende 2009.

Nach den Worten des 47-Jähri­gen Poli­tik­ers hat die Dop­pel­spitze mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst die in sie geset­zten Erwartun­gen nur eingeschränkt erfüllt. «Wir befind­en uns in der Parteien­twick­lung in ein­er Aus­nahme­si­t­u­a­tion, der man mit “busi­ness as usu­al” nicht gerecht wer­den kann», erk­lärte Geb­hardt. Sein Resümee sei keine Schuldzuweisung, son­dern eine Fest­stel­lung. «Wir müssen deswe­gen im näch­sten Jahr über­legen, ob wir bei der im Früh­jahr 2010 gefun­de­nen Inte­gra­tionslö­sung bleiben oder uns anders struk­turell auf­stellen.» Aus­lös­er für die Per­son­alde­bat­te waren die Nieder­la­gen der Linken bei den Wahlen in Rhein­land-Pfalz und Baden-Würt­tem­berg Ende März. Geb­hardt äußerte sich auch zum Umgangston in der Partei und zu finanziellen Eng­pässen. Im Inter­esse des «poli­tis­chen Betrieb­skli­mas» sollte die Linke ohne Sprüche wie «Klappe hal­ten» auskom­men. «Meine poli­tis­che Kul­tur ist eine andere.» Geb­hardt hält es aber für legit­im, Kri­tik auch nach außen zu tra­gen. «Vor allem, wenn die Mit­glieder das Gefühl haben, die Parteispitze macht aus­gerech­net in der Zeit der Pro­grammfind­ung ihren Job nicht ordentlich.»

Sach­sens Linke disku­tierten bere­its darüber, wie man mit weniger Aus­gaben mehr Poli­tik­ergeb­nisse erzie­len könne. «Manchen West-Lan­desver­bän­den wäre sich­er schon geholfen, wenn die Mit­glieder bei der Selb­stein­schätzung ihrer Beitragsmöglichkeit­en mehr an die Bedürfnisse ein­er poli­tis­chen Organ­i­sa­tion denken wür­den.» Geb­hardt sieht die säch­sis­che Linke bei neuen The­men als Trend­set­ter: 2010 hat­ten sie einen Parteitag zur Energiepoli­tik ein­berufen und dabei einen Grü­nen-Poli­tik­er auftreten lassen. Energie, Kli­maschutz und Umwelt seien für die Linke neben dem Sozialen die zweite Säule ein­er gesellschaftlichen Mod­ernisierung, sagte der Parte­ichef: «Die dritte ist eine Wirtschaft­spoli­tik, die Arbeit­splätze ent­lastet und Wertschöp­fung angemessen an der Finanzierung des Gemein­we­sens beteiligt.» Zudem müsse sich die Linke mit ihrer Ostver­gan­gen­heit immer um die Demokratisierung der Gesellschaft und Wirtschaft küm­mern. «Son­st sind wir auf unseren anderen poli­tis­chen Feldern nicht glaub­würdig.» Als poten­zielle Bünd­nis­part­ner hat Geb­hardt in Sach­sen per­spek­tivisch nur die SPD und die Grü­nen im Blick. Der Parte­ichef, der auch im Land­tag des Freis­taates sitzt, ver­wies auf eine ganze Rei­he par­la­men­tarisch­er Ini­tia­tiv­en. «Mit CDU und FDP haben wir dage­gen wenig gemein – diese Dis­tanz beruht im Übri­gen offenkundig auf Gegen­seit­igkeit.»