Rede bei der SeniorInnenkonferenz der LINKEN am 8. Juni 2011
Liebe Genossinnen und Genossen,
sehr geehrte Damen und Herren,
der SprecherInnenrat der Senioren Arbeitsgemeinschaft hat mich gebeten, was zu 20 Jahre Seniorenarbeitsgemeinschaft der LINKEN Sachsen zu sagen.
Ich habe mich gefragt: Was wünscht man eigentlich einer 20jährigen heutzutage?
Nach dem Studium eine gut bezahlte Stelle und keine Dauerbeschäftigung als Praktikantin?
Oder nach der Lehre einen Arbeitsplatz, wo der Stundenlohn wenigstens 8,50 oder besser 10,00 Euro betragen möge?
Oder wünscht man für die zukünftigen Kinder – mit zwanzig darf man zumindest darüber nachdenken – einen bezahlbaren Kita-Platz und eine Schule die man in weniger als 45 Minuten mit dem Öffentlichen Nahverkehr erreicht?
Die genannten Wünsche werden euch persönlich nicht mehr so stark betreffen, wahrscheinlich aber eure Enkelkinder. Jedoch gehört ihr zu dem kleinen Teil der Menschen in Deutschland, die nicht nur über bestehende Verhältnisse schimpfen, sondern aktiv seit vielen Jahren Verhältnisse verändern. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Schon allein dafür gebührt euch mein persönlicher Dank und die Bitte: Macht weiter, wir brauchen euch!
Als ich im vergangen Jahr zu euch gesprochen habe, standen wir am Beginn der Programmdebatte, die so unwahrscheinlich wichtig für unsere Partei ist. Jetzt läuten wir den letzten Teil der Diskussion für unser Parteiprogramm ein. Ärgerlich ist, dass zwischen Ende März und Mitte Juli so viel Zeit vergehen muss, ohne dass wir uns an der weiteren Debatte beteiligen können.
Über 2/3 hat sich der Parteivorstand „geeinigt“ und wer über einen Internetzugang verfügt, kann sich diese Fassung auf der Seite der Bundespartei schon mal anschauen.
Mit vielem werden wir einverstanden sein können, jedoch werden sicherlich auch weiterhin Positionen, Absätze, Begrifflichkeiten zu finden sein, wo der oder die Einzelne nicht zufrieden sein kann. Jedoch will ich schon mal für das gesamte Programm werben, wenn es denn vom Bundesparteitag beschlossen worden ist und der Partei zur Urabstimmung vorgelegt wird.
Wir sind eine pluralistische und sehr inhomogene Partei, mit unterschiedlichen Wurzeln, unterschiedlichen Sozialisierungen und einer oft anderen Parteikultur. Dies muss natürlich gerade in so einem Programm auch Berücksichtigung finden. Wir werden als Sachsen auch weiterhin – nach Beschlusslage – für bestimmte Positionen kämpfen. Wenn wir uns nicht durchsetzten können, werde ich trotzdem für unser Programm als Ganzes werben.
Liebe Genossinnen und Genossen,
DIE LINKE ist in Sachsen seit mehr als 20 Jahren Opposition und seit vielen Jahren die zweitstärkste Kraft im Freistaat. Da haben wir bisher eine gute Arbeit geleistet, auch Dank eures aktiven Mittuns.
Wir haben zwar ein solides Fundament an WählerInnenstimmen, haben es aber auch versäumt, unsere eigenen Kompetenzfelder weiter zu etablieren, zu schärfen und glaubhaft auszubauen.
Wir müssen vor allem unsere Glaubwürdigkeit ausbauen.
Erklärtes Ziel des 4. Landesparteitages der LINKEN Sachsen war es, dass wir uns zur erkennbaren und gestaltenden Kraft im Land entwickeln. Die Wahlen 2008/2009 haben gezeigt, dass wir mit bundespolitischen Themen verbunden werden, jedoch kein wirkliches eigenständiges landespolitisches Profil haben.
Diese zu entwickeln ist Aufgabe der Partei und der Fraktion im Sächsischen Landtag gleichermaßen. Allerdings gehört es auch dazu, dass wir diesen schwierigen Weg gemeinsam mit allen Strukturen der Partei gehen.
Warum ist es wichtig in Sachsen DIE LINKE zu wählen?
Welche Visionen haben wir für dieses Land?
Wie würden wir es gestalten?
Wie gestalten wir schon jetzt dieses Land nachhaltig mit aus der Rolle der Opposition heraus?
Das sind Fragen, die wir beantworten müssen – zum einen durch stringente Entwicklung von Positionen, aber noch wichtiger durch das Einbringen in gesellschaftliche Diskurse.
Wir müssen sie nicht nur für uns beantworten, sondern für die Menschen, die uns ihr Vertrauen schenken – sei es bei der Teilnahme an Aktionen, aber auch am Wahltag in der Wahlkabine. Es reicht nicht, wenn wir uns einig sind, sondern wir müssen den Menschen erklären und verdeutlichen was wir wollen und wir müssen sie mitgestalten lassen, wenn wir unseren Anspruch an mehr Demokratie ernst nehmen. Wir haben bessere Ideen als die derzeit Regierenden – das müssen wir den Menschen im Land nahe bringen.
Erste Schritte haben wir auf unserem Landesparteitag 2009 beschlossen, mit deren Umsetzung der Landesvorstand nun beauftragt ist.
Wir haben in Sachsen gelernt, dass man Debatten innerhalb der Partei führen muss, auch wenn sie schmerzhaft sind. Leidvoll für uns war der Wille von einigen Parteimitgliedern in der Stadt Dresden die Wohnungsbaugesellschaft zu privatisieren. Dies hat zu harte Auseinandersetzungen, die mit einigen für Sachsen prominenten Parteiaustritten geendet hat.
Dass wir auch anders können, hat die Verhinderung der Privatisierung der Stadtwerke in Leipzig und des Klinikums in Meißen gezeigt, wo wir aktiv an der Spitze der Bewegungen standen.
Einer der Hauptschwerpunkte der Arbeit des seit November 2009 amtierenden Landesvorstandes war und ist die Programmdebatte, die bis Ende 2011 zu führen ist. Ich habe dies ja schon erwähnt.
Die mit der Umsetzung der Debattenführung beauftragte Grundsatzkommission des Landesvorstandes war inzwischen in mehr als 150 Kreisverbänden, Ortsverbänden und Basisorganisationen unterwegs und hat viele Positionen und Standpunkte aufgenommen.
Aus diesen Debatten hat der Landesvorstand Beschlüsse gefasst, die wir an die Redaktionskommission geschickt haben. Soweit ich es bisher beurteilen kann, wurden Anregungen und Hinweise aus Sachsen im derzeit entstehenden überabeiteteren Entwurf berücksichtigt.
Wenn wir uns als Mitgliederpartei verstehen, dann ist es dringend notwendig, dass wir dazu die notwendigen Strukturen vorhalten. Wir müssen Anlaufpunkte schaffen für alle, die diskutieren wollen, die aktiv sein wollen für DIE LINKE – in welcher Form auch immer.
Das bedeutet mitnichten die Abschaffung der bewährten Strukturen, erfordert aber viel Kreativität und frische Ideen, wie wir Menschen bei uns einbinden können.
Wir stehen hier vor der schwierigen Aufgabe, Angebote zu schaffen und Mitarbeit zu ermöglichen. Angebotsschaffung für Mitglieder und SympathisantInnen ist Arbeit, die sich allerdings bezahlt macht. Diejenigen, die bei uns sind und zu uns kommen, sollen ihren Platz finden können, mitmachen dürfen und sich wohlfühlen. So schaffen wir in der Partei ein höheres Potential an Aktiven, die dann konkret eingebunden werden können, wenn wir in die Wahlkämpfe ziehen.
Nach unserem erfolgreichen Landesparteitag zum Thema Energiepolitik werden wir nun in diesem Jahr noch weitere Themenschwerpunkte wie unsere Vorstellungen einer sächsischen Kulturpolitik aus linker Sicht und die Vorstellung von neuen Sozialpolitischen Leitlinien für die Landespartei erarbeiten und vorstellen. An letzteren, darüber freue ich mich besonders, arbeiten Katja Kipping und Dietmar Pellmann gemeinsam.
Nicht immer war es in den letzten Jahren und Monaten leicht in der Partei, in Sachsen, jedoch auch in der Bundespartei. Manches was passiert ist, traf nicht auf viel Gegenliebe bei euch um nicht das Wort Unverständnis zu verwenden.
Trotzdem, wart auch ihr es, die immer wieder an eure, an unsere Partei geglaubt,
für sie gekämpft,
sie unterstützt und
in ihr gestritten habt.
Will sagen, ihr seid tatsächlich immer wieder das Rückrat der Partei, hier in Sachsen.
Zum Schluss habe ich noch einen schönen Aphorismus von Oscar Wilde gefunden, der bekanntlich schon seit 111 Jahren Tod ist:
„Ich liebe die politischen Parteien. Sie sind der einzige noch übrig gebliebene Ort, wo die Menschen nicht über Politik reden.“
Vielen Dank, dass ihr zugehört habt!