SEK-Einsatz bei Stürmung des Hauses der Begegnung am 19.02.2011 / Gericht erklärt Behandlung von LINKEN-Mitgliedern durch Polizei für rechtswidrig
Am 19. Februar 2011 stürmte ein vermummtes und bewaffnetes Spezialeinsatzkommando (SEK) des sächsischen Landeskriminalamtes das „Haus der Begegnung“ in Dresden. Dabei wurden zahlreiche Türen aufgesägt, eingetreten oder sonst gewaltsam geöffnet. Sodann wurden sämtliche Räumlichkeiten durchsucht, darunter auch die Parteibüros der LINKEN sowie eine Rechtsanwaltskanzlei. Bei der Stürmung wurde ein Sachschaden von über 5.600 Euro verursacht.
Danach wurden 20 Personen vorläufig festgenommen, darunter zwei völlig unbescholtene ältere Mitglieder der LINKEN, die ehrenamtlich Telefon- und Bürodienst in der Geschäftsstelle der Partei geleistet hatten. Diese wurden sodann eine ganze Nacht lang in verschiedenen Gefangenensammelzellen der Polizei festgehalten und einer kompletten erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen (Fotografieren aus verschiedenen Positionen, Wiegen, Messen).
Rechtsanwalt André Schollbach, der auch die Partei DIE LINKE anwaltlich vertritt, beantragte für die beiden LINKEN-Mitglieder Bernd T. und Dr. Frank U. bei dem Amtsgericht Dresden die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser von der Polizei durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlungen.
Nachdem das Amtsgericht Dresden bereits die Durchsuchung der Büroräume der LINKEN und einer Rechtsanwaltskanzlei für rechtswidrig erklärt hatte, stellte es nun auch die Rechtswidrigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung von Bernd T. und Dr. Frank U. fest (Aktenzeichen: 270 Gs 3587/11; 270 Gs 3588/11):
„Es wird festgestellt, dass die Anordnung und Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers … am 19.02.2011 rechtswidrig war.“ Zur Begründung seiner Beschlüsse führt das Amtsgericht jeweils aus:
„Der Antragsteller befand sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung in der Geschäftsstelle der Partei ‚Die Linke’ im Haus der Begegnung auf der Großenhainer Straße 93 in 01127 Dresden. Die Durchsuchung dieses Objekts war nicht durch eine richterliche Anordnung gedeckt. Sonstige Anhaltspunkte, dass ein begründeter Tatverdacht gegen den Antragsteller bestanden hätte für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sind nicht vorhanden.“
Der innenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag und Landesvorsitzende der LINKEN, Rico Gebhardt, erklärt:
„Das Gericht hat der Diskreditierung und Kriminalisierung von ehrenamtlichem bürgerschaftlichen Engagement im Zusammenhang mit friedlichen Protesten gegen Naziaufmärsche in Dresden einen Riegel vorgeschoben. Ich begrüße diesen Gerichtsbeschluss, mit dem der Rechtsstaat der Zivilgesellschaft den Rücken stärkt.
CDU und FDP sollten aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Dresden zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und auch des Umgangs mit davon betroffenen Menschen die Konsequenz ziehen und ihre für morgen angesetzte Aktuelle Debatte absagen. Denn sie soll nur einer Kriminalisierung des Protestes gegen Nazis das Wort reden, die gerade erst von einem Gericht gestoppt wurde. Ich erwarte darüber hinaus eine Entschuldigung des zuständigen Innenministers Ulbig bei den Betroffenen für diesen rechtswidrigen Polizeieinsatz.“
Dazu erklärt Rechtsanwalt André Schollbach, der die Entscheidung für die beiden LINKEN-Mitglieder Bernd T. und Dr. Frank U. erstritten hat:
„Im vorliegenden Fall wurden zwei völlig unbescholtene Menschen grundlos für eine Nacht weggesperrt und mussten das komplette Programm einer erkennungsdienstlichen Behandlung über sich ergehen lassen. Wie das Gericht ausdrücklich festgestellt hat, waren Anhaltspunkte für einen Tatverdacht gegen meine Mandanten jedoch überhaupt nicht gegeben. Das Vorgehen der sächsischen Strafverfolgungsbehörden war damit ein Akt der Willkür.
Der Freiheitsentzug meiner Mandanten stellt einen tiefgreifenden Eingriff in deren Grundrechte dar. Mit der Entscheidung des Gerichts ist nun eindeutig klargestellt worden, dass das Vorgehen der sächsischen Strafverfolgungsbehörden geltendes Recht verletzt hat.
Der Umstand, dass das Gericht sämtlichen von uns gestellten Anträgen gefolgt ist und die jeweiligen Maßnahmen der hiesigen Strafverfolgungsbehörden ausnahmslos für rechtswidrig erklärt hat, macht eine bedenkliche Entwicklung im Freistaat Sachsen deutlich.“