Bundespräsidentenwahl 2012 — Joachim Gauck: Klappe, die Zweite
Was sich da in den letzten 3 Monaten zum Thema Christian Wulff in den vielen Zeitungen und TV-Sendern abspielte, war schier unglaublich. Zwar ist es vornehmste Aufgabe der Medien (siehe Art. 5 GG) zu recherchieren und zu berichten, wenn es bei Amtsträgern Ungereimtheiten oder mutmaßlich Verfehlungen gibt. Die hysterische Art und Weise wie dies bei Christian Wulff geschah und welch brutaler Tonfall herrschte bei vergleichsweise eher überschaubaren Vorwürfen, lässt tief blicken in einen medialen Abgrund, wo sich Spiegel und BILD sowie ARD und RTL gemeinsam im Schlamm suhlten. Nun also, am 17. Februar hatte Wulff das Handtuch geworfen. Es gab noch ein bisschen medialen Krawall um sein Ruhestandsgeld, aber die eben noch im Raum stehenden Vorwürfe um vermuteten Amtsmissbrauch waren ganz plötzlich uninteressant geworden. Die Hetzjagd war vorbei; der Wulff erlegt; schnell auf zum nächsten Thema.
Dass nun SPD und Grüne erneut Joachim Gauck als Kandidaten vorschlugen, ist einigermaßen verwunderlich, denn im Gegensatz zu 2010, stand diesmal zu befürchten, dass er auch wirklich gewählt werden würde. Denn in Wahrheit ist Gauck ein zutiefst konservativ reaktionärer Mensch, dem die politischen Inhalte von SPD und Grünen kein bisschen auch nur irgendwie nahe stehen. Eher noch nachvollziehbar ist, dass sich die FDP am Tage nach Wulffs Rücktritt ebenfalls schnell für Gauck aussprach, redet er ihr doch sehr das Wort mit seinen Ansichten über Sozialpolitik wenn er sagt: “Wir müssen uns nicht fürchten, auch in den Problemzonen der Abgehängten Forderungen zu stellen”. Und meint dabei, sie sollen endlich ihren A.… hochkriegen, die Armen. Aber doch sehr sehr erstaunlich war für mich, dass sich Angela Merkel am längsten zierte, den Kandidaten Gauck zu dem ihren zu machen. Erst am 2. Tag nach Wulffs Rücktritt entschloss sich die Bundeskanzlerin, dem Drängen von FDP, SPD und Grünen nachzugeben. Ihr war wohl inzwischen klar geworden, wie perfekt Joachim Gauck passte. Kann er doch die, in ihrer CDU schmerzlich vermisste, erzkonservative Flanke endlich bedienen.
Und Themen ansprechen, die für Berufspolitiker im Zeichen der political correctness heutzutage absolut tabu sind: die Protestbewegung Occupy Now (kapitalismuskritische Demonstrationen weltweit) als “unsäglich albern” diffamieren, die Montagsdemos gegen Schröders Hartz-IV-Reform als “töricht und geschichtsvergessen“ bezeichnen, sich über Thilo Sarrazins Thesen zu Migration freuen und sie als „mutig“ feiern, den deutschen Afghanistan-Kriegseinsatz begrüßen und behaupten damit „könne man Gutes tun für die Menschen in Afghanistan“, als fundamentaler Antisozialist den Sozialismus als Gegensatz zu Demokratie brandmarken, die Abtretung der Ostgebiete 1945 und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze 1950 als „Verlust der Heimat … und grobes Unrecht durch die Kommunisten“ kritisieren und nahezu ständig die NS-Verbrechen mit einer Gleichsetzung zum Kommunismus in Bezug auf die DDR relativieren.
Tja, wenn die Kandidatensuche nicht mehr politisch sondern nur noch taktischer Natur ist (wen kann man am besten ärgern …) und Medien leider der Versuchung erliegen, einen Nicht-Politiker für einen per se besseren Menschen zu halten, dann kommt es, wie es kommen muss. Nach der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten, nach seiner Antrittsrede, werden viele seiner Unterstützer einen großen Schreck bekommen.