Vor­trag am 18. April 2012 in Bautzen
Zwei Zitate zu Beginn mein­er Über­legun­gen zum The­ma:
NPD ver­bi­eten oder: Was tun gegen Nazis und Ras­sis­mus?

Zitat aus dem Parteipro­gramm der LINKEN:
„Wir fordern das Ver­bot aller Organ­i­sa­tio­nen der extremen Recht­en; dabei sind wir uns bewusst, dass ein Ver­bot die gesellschaftliche Auseinan­der­set­zung nicht erset­zt.“

Der Innen­poli­tik­er der Linkspartei im Bun­destag, Jan Korte, hält Parteiver­bote grund­sät­zlich für frag­würdig. Die Möglichkeit dafür sei im Grundge­setz Zitat: „in ein­er his­torischen Aus­nahme­si­t­u­a­tion ent­standen“. Ziel sei ein Ver­bot der Wieder­betä­ti­gung der NSDAP gewe­sen. Noch ein­mal Zitat: „Ich halte es heute für frag­würdig, wenn man den Kampf gegen eine men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie an den Staat delegieren will“, sagte Korte der Frank­furter All­ge­meinen Son­ntagszeitung 7. April 2012.
Ich will mal ver­suchen in kurzen The­sen PRO und CONTRA NPD-Ver­bot darzustellen. Über den zweit­en Teil, also „Was tun gegen Nazis“, darüber soll­ten wir gemein­sam Lösungsvorschläge erar­beit­en.
Schauen wir erst ein­mal auf die Hür­den:
(1) Das Bun­desver­fas­sungs­gericht sieht die NPD als ver­fas­sungs­feindliche Partei, die ver­boten wer­den kann. Die NPD ist keine Partei, die im Rah­men der Ver­fas­sung zu bleiben beab­sichtigt. Sie ver­fol­gt die Abschaf­fung der frei­heitlich-demokratis­chen Grun­dord­nung Deutsch­lands.
(2) Es gab 2003 ein soge­nan­ntes Ver­fahren­shin­der­nis, warum das Ver­bot abgelehnt wurde. Das Ver­fahren­shin­der­nis lautete: Ein erhe­blich­er Teil der NPD-Führun­gen (ca. 1 von 6) waren bzw. sind V‑Leute des Ver­fas­sungss­chutzes. Damit steuert der Staat in einem gewis­sen Maße sel­ber die NPD.
(3) Karl­sruhe fordert also: Für ein NPD-Ver­bot ist es uner­lässlich, dass der Staat seine V‑Leute in den NPD-Führungs­gremien (Bun­des- und Lan­desvorstände) “abschal­tet”. (Die weit­er unten kön­nen aktiv bleiben.)
(4) Diese Abschal­tung muss bei Ankündi­gung des Ver­bot­santrags real­isiert sein und bis zur Urteilsverkün­dung aufrechter­hal­ten wer­den.
(5) Darauf haben sich jet­zt aktuell die Innen­min­is­ter der Län­der und der Bun­desin­nen­min­is­ter ver­ständigt, das heißt man schal­tet ger­ade die V‑Leute ab.
(6) Inhaltlich darf sich das, was als Ver­bots­be­grün­dung gegen die NPD vorge­bracht wird, nur uner­he­blich auf Mate­r­i­al stützen, das von V‑Leuten kommt.
Soweit die Hürde.
Unab­hängig davon: Ist es über­haupt sin­nvoll, die NPD zu ver­bi­eten?
CONTRA Ver­bot
(1) Die NPD ist eher das Symp­tom ein­er Krankheit als diese Krankheit selb­st. Recht­sex­trem­is­mus lässt sich nicht ver­bi­eten, son­dern nur poli­tisch bekämpfen. Die PDS und DIE LINKE plakatiert ja auch immer noch „Nazis raus aus den Köpfen!“
(2) Die NPD ist leichter zu überwachen, wenn man sie nicht ver­bi­etet. Etwa durch V‑Leute. Man weiß bess­er über die NPD Bescheid, wenn man sie offen agieren lässt.
(3) Geht die NPD in den Unter­grund, wird sie schw­er­er kon­trol­lier­bar und ein­schätzbar.
(4) Es hat sich gele­gentlich dur­chaus als nüt­zlich erwiesen, was V‑Leute dem Ver­fas­sungss­chutz mit­geteilt haben, etwa im Fall des ver­hin­derten Syn­a­gogen-Atten­tats in München.
(5) Eine ver­botene NPD kön­nte sich unter anderem Namen neu grün­den.
(6) Eine ver­botene NPD kön­nte über Ersat­zor­gan­i­sa­tio­nen öffentlich aktiv wer­den, etwa Pro­pa­gan­damärsche ver­anstal­ten.
(7) In bes­timmten Kreisen führt ein Ver­bot und eine damit ver­bun­dene Ver­fol­gung zum Mar­tyr­ermythos. Das stärkt den Trend zur Radikalisierung.
(8) Eine NPD im Unter­grund wird eher Atten­tate verüben als eine, die gern legal bleiben möchte – was vielle­icht die NSU-Ter­rorzelle sog­ar beweisen hat.

PRO VERBOT
(1) Die NPD ist eine ver­fas­sungs­feindliche Partei. Sie propagiert ein faschis­tis­ches Deutsch­land.
(2) Als Partei kommt sie in die Stadt- und Kreistage und in die Län­der­par­la­mente und kann dort Pro­pa­gan­da betreiben, vor allem im Land­tag bekommt sie dafür Geld und Möglichkeit­en.
(3) Als Partei kommt sie in den Genuss staatlich­er Parteien­fi­nanzierung. Der Steuerzahler sub­ven­tion­iert also eine ver­fas­sungs­feindliche Poli­tik.
(4) Parteiaufmärsche der NPD wären nicht mehr möglich, auch verdächtige Ersat­zor­gan­i­sa­tio­nen kön­nten stärk­er eingeschränkt wer­den.
(5) Ein deut­lich­es Sig­nal würde aus­ge­sandt: Die NPD ist nicht nur eine Partei, son­dern ein krim­inelles Unternehmen. Hal­tet Abstand!
(6) NPD-Leute kön­nen für ein Engage­ment im Unter­grund auch strafrechtlich zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den.
(7) Es wäre ohne­hin rat­sam, die V‑Leute an der NPD-Spitze abzuschal­ten. Die Geld­trans­fers an diese als V‑Leute arbei­t­en­den Neon­azis tra­gen zu deren Finanzierung bei, der Ertrag ist, wie man seit Zwick­au weiß, beschei­den. Die Gefahr beste­ht, dass die NPD den Ver­fas­sungss­chutz nutzt und sel­ber die V‑Leute dirigiert.
(8) Auch im Fall ein­er Neu­grün­dung unter anderem Namen engt das Damok­less­chw­ert eines erneuten Ver­botes spür­bar und läh­mend über der Partei, und das alte Per­son­al ste­ht dann nur bed­ingt zur Ver­fü­gung.
(9) Die Infra­struk­tur der jet­zi­gen NPD wird zer­stört. Es wird schwierig, sie sich im Unter­grund bzw. im Falle ein­er Neu­grün­dung neu aufzubauen.

Resümee:
Es gibt in der LINKEN eine klare Beschlus­slage: „Ver­bot aller Organ­i­sa­tio­nen der extremen Recht­en“, was die NPD ein­schließt.
Und trotz­dem – auch nach Zwick­au – habe ich immer noch erhe­bliche Zweifel, ob dieses Ver­bot uns tat­säch­lich von Ras­sis­mus, Frem­den­feindlichkeit und Gewaltver­her­rlichung in der Gesellschaft befre­it.
Die krim­inelle Ten­denz der NPD und ihrer Kam­er­ad­schaften sind offen­sichtlich. Nicht nur Zwick­au hat dies gezeigt, son­dern am ver­gan­genen Fre­itag der Über­fall auf zwei Stadträte der LINKEN in Ger­ingswalde.
Zuerst ver­sagt jedoch die Gesellschaft. Staatliche Struk­turen haben es zuge­lassen, dass sich recht­sex­treme Ide­olo­gie bre­it­machen kon­nte.
Die Ide­olo­gie der Nazis wird ja beson­ders auch in Sach­sen dafür ver­wen­det aus Recht­sex­trem­is­ten, mal ein­fach „Extrem­is­ten“ zu machen. Prof. Jesse von der TU Chem­nitz leis­tet da gute Vorar­beit für die CDU.
Viele Stadträte und vor allem Bürg­er­meis­ter woll­ten doch nicht wahrhaben, dass es in ihrer Stadt ein Prob­lem mit Nazis, Neo­faschis­ten oder und Recht­sex­trem­is­ten gibt. Bis zum heuti­gen Tag gibt es Bürg­er­meis­ter, die der Mei­n­ung sind Linke und Autonomen sind sel­ber schuld an Über­fällen von Nazis, weil sie, wür­den die erst provozieren.
Und ich werde stutzig, wenn jet­zt plöt­zlich Tillich und Ulbig, um in Sach­sen zu bleiben, als erstes das Ver­bot der NPD in Anbe­tra­cht der Ergeb­nis um die Ter­rorzelle fordern. Ich glaube ihnen das nicht, dass sie das ehrlich meinen. Sie lenken mit dem Ver­botsver­fahren von ihrem jahre­lan­gen Ver­sagen ab. Es sind diesel­ben Leute die argu­men­tieren, dass Ver­samm­lungsrecht lässt es zu, dass Nazis ungestört mit ihren Stiefeln über die Pflaster der Städte laufen dür­fen und Gegen­demon­stra­tion wer­den krim­i­nal­isiert.
Nun weiß ich in der Medi­zin geht es nicht nur darum die Ursachen ein­er Krankheit zu beheben, son­dern auch darum die Symp­tome – etwa ein Fieber – zu mildern und deswe­gen ist das Ver­bot der NPD wohl notwendig.