Eröffnungsrede Kulturkonvent in Leipzig
Eröffnungsrede Kulturkonvent am 21. April 2012 in Leipzig
Liebe Gäste unseres Kulturkonvents, liebe Freunde und Mistreiter, liebe Genossinnen und Genossen,
als Vorsitzender der sächsischen LINKEN hat man ja oftmals das erste Wort bei der Eröffnung einer Veranstaltung.
Heute bin ich aber keinesfalls böse, dass zunächst der hiesige Hausherr zu Wort kam; ganz im Gegenteil:
so satirisch pointiert und herzerfrischend humorvoll kann es eben nur ein Vollblutkabarettist wie Meigl Hoffmann.
Dafür auch von meiner Seite noch mal ganz herzlichen Dank.
Ich freue mich sehr, dass wir ihn nachher in der Podiumsdiskussion noch mal hören; hoffentlich lässt er die anderen Gesprächsteilnehmer zu Wort kommen.
Es ist mir eine große Freude Sie heute im Leipziger Central Kabarett ganz herzlich zu unserem Kulturkonvent begrüßen zu dürfen.
Blickt man auf Sachsen, sieht jede unvoreingenommene BetrachterIn unglaublich viel Kultur. Darauf sind die unterschiedlichsten Akteure stolz, und sie können es in aller Regel auch sein.
Die Staatsregierung feiert sich in Hochglanzbroschüren zum “Kulturland Sachsen”, die schon kleinen Bildbänden gleichen.
Die politischen Parteien aus dem demokratischen Spektrum des Sächsischen Landtags heben selbstbewusst die verschiedenen Projekte hervor, für die sie gekämpft haben. Und die Akteure an der Basis sind zum großen Teil (noch) damit zufrieden, was es in Sachsen an Programm und Struktur in Richtung Kultur gibt.
Doch ob die Oberfläche noch dem Zustand im Inneren des kreativen, extrem ressourcenabhängigen Getriebes entspricht, da habe ich so meine Zweifel.
Ist Sachsen insgesamt ein kulturelles Hochgefühl?
Mitnichten.
Wir alle kennen die Entwicklungen, die in den letzten Jahren — Stichwort: Finanzkrise — kulminierten und die bedrohlich klingende und durchaus auch ernstgemeinte Ankündigung: Über viele öffentlich finanzierte Bereiche der Kultur in Sachsen sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Dazu passt, dass vor einigen Monaten erschiene Buch “Der Kulturinfarkt”, dieses Buch ist eine Kampfschrift, gegen alle die Kultur verinnerlicht haben und deswegen sage ich:
„Wehret den Anfängen.“
Schon das falsche Konzept kann zerstörerisch sein.
Blicken wir den Dingen unvoreingenommen ins Auge: Die Entwicklung der Kultur in Sachsen nahm in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung. Die bekannten bitteren Brüche (Stichwort: Rückbau der Industrielandschaft)konnten an der Kultur nicht spurlos vorübergehen.
Wo — bitteschön — soll denn ein nennenswertes Sponsoring herkommen, wenn die großen Betriebe verschwunden sind und bedeutende Ost-Zentralen von Unternehmen weit und breit nicht zu erkennen sind?
Wie soll sich z.B. ein Kultursponsoring entwickeln, wenn die Vermögensbildung weit von dem entfernt ist, was Vorrausetzung wäre, um sich dieser Aufgabe zuwenden zu können.
Somit spielt der öffentliche Bereich im Osten unseres Landes eine besonders große Rolle, und der darf dem nicht ausweichen.
Der Freistaat Sachsen fand bekanntlich eine überzeugende Antwort in dem weit über seine Grenzen hinaus gelobten und bestaunten Kulturraumgesetz.
Doch auch hier gilt: Das Gesetz wurde unter anderen äußeren Bedingungen angenommen, als wir sie heutzutage vorfinden.
Ich sage allerdings auch, sich formal zum Kulturraumgesetz zu bekennen, es innerlich aber permanent auszuhöhlen, wie von der Staatsregierung derzeit praktiziert — das geht nicht.
Der kulturelle Bereich darf nicht zum beliebtesten und appetitlichsten Sparschwein der schwarz/gelben Landesregierung in Zeiten der nahezu als Selbstzweck betriebenen Sparorgien verkommen.
Es ist falsch, Kultur unter dem Ausgabendiktat nur als Kostenfaktor zu interpretieren. Kultur ist eben weit mehr als ein Kostenfaktor, es ist vor allem ein Gewinnbringer.
Wenn die Verfasser all der Hochglanzbroschüren zum “Kulturland Sachsen” ihre selbst verordnete Mission ernst nehmen würden, dann wüssten sie, dass Kultur in genau diesem Sinne wirkt.
Man bräuchte sich nur eine japanische Besucherin eines Gewandhaus-Konzerts zum Leipziger Bachfest, das Mitglied einer von weither angereisten Besuchergruppe im Dresdner Zwinger, eine Familie, die auf ihrem Sonntagsausflug sorbische Brauchtumspflege kennenlernt, oder eine sächsische Schulklasse auf ihrem Ausflug in eines der hervorragenden sächsischen Museen anzuschauen, um das wohl überlegte und wohl begründete Verhältnis von Aufwand und Ergebnis und von Konzept und Nutzen zu verstehen und zu akzeptieren.
Auf einen weiteren Aspekt will ich hier unbedingt noch eingehen, um der Vermutung entgegenzutreten, DIE LINKE wüsste unter Umständen nicht, wie teuer im Wortsinn uns die Kultur ist.
Wir wissen es sehr wohl und treten gerade deshalb für intelligente Konzepte ein, wie mit dem vorhandenen finanziellen Volumen das bestmögliche Ergebnis für alle Beteiligten herausgeholt werden kann.
Ich sage sehr bewusst: alle Beteiligte.
Denn die Kreativwirtschaft plakativ zu feiern, wie dies einige außerhalb meiner Partei tun, und zu vergessen, wie die soziale Situation vieler AkteurInnen in diesem Bereich aussieht, greift zu kurz und kann wirklich zu schlimmen, unakzeptablen Ergebnissen führen, wenn nicht rechtzeitig steuernd eingegriffen wird.
Deshalb nehme ich für DIE LINKE in Anspruch, dass wir als einzige Partei den ganzheitlichen Ansatz für die Entwicklung der Kultur pflegen:
Wir berücksichtigen Aufwand und Ergebnis.
Wir schauen auf die glänzende Oberfläche, aber eben auch auf die internen Vorgänge im Kulturbetrieb.
Wir haben die Adressaten und die Konsumenten gleichrangig im Blick, vergessen aber die Leistungserbringer nicht, die nicht nur vom Geist des Guten und Schönen leben können.
Deshalb ist Kulturpolitik für uns Landes-Politik im besten Sinne des Wortes.
Sie kann unglaublich viel befördern und erschreckend viel bremsen.
Weil das so ist, brauchen wir langfristige Konzepte.
Mit Kultur pflegen wir die Landschaft Sachsens.
Sachsen braucht eine besondere Kultur für den Umgang mit der Kultur. Darauf bin ich eingegangen, und diesem Anliegen dienen die Kulturpolitischen Leitlinien der LINKEN, deren Entwurf wir heute gemeinsam diskutieren.
Ich bin mir sicher, dass der heutige Konvent weitere wichtige Anregungen liefern wird, nicht zuletzt, weil wir viele interessante Gäste begrüßen dürfen, die sich aktiv an diesem Gedankenaustausch beteiligen werden.
Ich kann aus Zeitgründen längst nicht alle Namen aufzählen, aber einige Akteurinnen und Akteure aus dem Kulturbereich will ich doch nennen und mich schon an dieser Stelle für ihre Mitwirkung ganz persönlich bedanken.
Um dem Verdacht aus dem Weg zu gehen, dass die Reihenfolge eine Rangfolge ist, setzte ich auf die alphabetische Aufzählung:
Ich hätte als erstes gern Herrn
Prof. Dr. Helmuth Albrecht begrüßt,
der Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates für Sächsische Industriekultur und im Hauptberuf Inhaber des Lehrstuhls für Technikgeschichte und Industriearchäologie an der Bergakademie Freiberg und mir besonders als Aktivist für die Beantragung des Weltkulturerbetitels Montanregion Erzgebirge bekannt ist. Jedoch musste uns Herr Albrecht gestern kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. Wir wünschen ihm schnelle Genesung.
Somit wäre die erste, die ich begrüßen möchte, die namhafte Publizistin Frau Daniela Dahn, die zur Mittagszeit aus Berlin den Weg zu uns finden wird;
Ich begrüße, den von den Linken nominierte Leipziger Kulturbürgermeister Michael Faber, dem ich weiterhin viel Stehvermögen im stürmischen Gewässer der hiesigen Kulturpolitik wünsche und der uns gleich mit seinem Grußwort beehren wird;
Ich freue mich, dass der Generalintendant der Theater Chemnitz, Dr. Bernhard Helmich, da ist, den es nach erfolgreicher Arbeit in Sachsen, zunächst hier in Leipzig und dann in Chemnitz, in den Westen zieht und dem ich daher an dieser Stelle mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu seiner im März erfolgten Wahl zum neuen Bonner Generalintendanten herzlich gratuliere;
Ich begrüße natürlich auch ganz herzlich Luc Jochimsen, unsere kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. Auch sie hat eine spezielle Verbindung zu Chemnitz. Denn sie trat unlängst mit einer bemerkenswerten Initiative an die Öffentlichkeit, am 10. April 2013 den 100. Geburtstag des in Chemnitz geborenen Schriftstellers Stefan Heym würdig zu begehen.
Last but not least begrüße ich sehr herzlich den Präsidenten des Sächsischen Kultursenats, Herrn Dr. Jürgen Ohlau. Der kulturpolitische Einfluss des Kultursenats ist durch seine Qualität in der Kommunikation zwischen Legislative, Exekutive, kommunalen Spitzenverbänden, Kommunen, Kulturschaffenden und Fachverbänden im Freistaat enorm.
Das alles steuert diskret Dr. Ohlau.
Am Montag werden übrigens Vertreter des Kultursenats im zuständigen Landtagsauschuss zu Gast sein und zu wichtigen kulturpolitischen Themen ihre Meinung sagen.
Bis dahin ist aber noch etwas Zeit. Jetzt genießen wir zunächst erst einmal den heutigen Ideenschub, auf den sicher nicht nur ich sehr gespannt bin. In diesem Sinne ist der Kulturkonvent eröffnet.