Kreisparteitag der LINKEN in Westsachsen — Diskussion der Sozialpolitischen Leitlinien
Rede zum Kreisparteitag der LINKEN in Westsachsen am 5. Mai 2012
Liebe GenossInnen und Genossen,
im November des vergangenen Jahres haben wir gemeinsam auf dem 6. Landesparteitag zum ersten Mal über den Entwurf unserer sozialpolitischen Leitlinien diskutiert. Auf dem Parteitag in diesem Jahr sollen die sozialpolitischen Leitlinien nun beschlossen werden. Bis zum Beschluss gibt es die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen und ausführlich zu diskutieren. Deshalb hoffe ich in diesem Sinne für heute auf einen kritischen und breiten Diskurs.
Bevor ich zu den Leitlinien komme, will ich zu Beginn noch auf eine Besonderheit hinweisen, die DIE LINKE. Sachsen aus meiner Sicht, so erfolgreich macht. Wir versuchen seit 2010 eine neuen Politikstil in Sachsen und der heißt: Beteiligung ermöglichen. Wir wollen, dass sich so viele Genossinnen und Genossen wie möglich an den inhaltlichen Debatten der Landespartei beteiligen können. Deswegen haben wir für unsere inhaltlichen Themen immer einen sehr langen Vorlauf eingeplant. Beim Thema Sozialpolitische Leitlienen sind es fast 1 ½ Jahre wo wir uns die Zeit nehmen, darüber mit euch zu diskutieren. Der letzte Landesparteitag in Bautzen, wo die Leitlinien erstmalig öffentlich vorgestellt worden sind, wurde auch eine andere Idee öffentlich präsentiert. Wir wollen ab Sommer dieses Jahres zentral einen „Dialog für Sachsen“ führen. Dieses Label soll uns zukünftig bei all unseren Debatten innerhalb und vor allem außerhalb der Partei begleiten. Wir wollen ins Gespräch kommen ist die Botschaft und dies setzt voraus, dass wir was anzubieten haben. Neben diesen Leitlienen diskutieren wir gerade Kulturpolitische Leitlinien, in der letzten Ausgabe der Landeszeitung wurden unsere Vorstellungen von einem Europa der Regionen abgedruckt und in diesem Jahr sollen auch noch unsere Bildungspolitischen Vorstellungen der Parteiöffentlichkeit vorgestellt und hoffentlich auch beschlossen werden.
Nun aber Schluss mit den Vorbemerkungen!
Liebe Genossinnen und Genossen,
die Ansicht darüber, was von Leitlinien erwartet werden kann und muss, ist meist sehr unterschiedlich. Unsere Sozialpolitischen Leitlinien, die von Katja Kipping und Dietmar Pellmann erarbeitet wurden, gehen über die reine Sozialpolitik hinaus. Denn wir als LINKE haben den Anspruch, das Leitbild eines demokratischen, versorgenden Sozialstaates zu zeichnen.
Zitat: „Eine am demokratischen Sozialstaat orientierte Sozialpolitik versteht sich als Gesellschaft gestaltender und verschiedene gesellschaftliche Bereiche übergreifender Politikansatz“ Zitat Ende.
Somit beschränken sich die sozialpolitischen Leitlinien nicht allein darauf, wie die Benachteiligten unserer Gesellschaft alimentiert werden, wie es uns LINKEN oft vorgeworfen wird. Dieses Papier hat ausdrücklich einen generellen Ansatz, der die Soziale Frage als Ganzes betrachtet.
Denn wir als LINKE verfolgen, im Unterschied zu den anderen Parteien in Sachsen, konsequent einen ganzheitlichen sozialpolitischen Ansatz und beschränken uns nicht auf die klassischen sozialen Fachressorts. Nach unseren Vorstellungen bildet sich der demokratische Sozialstaat in allen Sphären des Lebens ab. Deswegen beinhalteten die Sozialpolitischen Leitlinien auch Punkte, die sich mit Bildung, Kultur, Sport, Gleichberechtigung, Migration, Stadtentwicklung und der Finanzierung der kommunalen Haushalte beschäftigt, um nur einige zu nennen.
Unsere Sozialpolitischen Leitlinien beruhen auf einer fundierten Analyse der sozialen Situation in Sachsen. Diese beschreiben wir nicht nur im Punkt 2 des Textes, sondern zusätzlich in der Broschüre „Bestenfalls Mittelmaß! Soziale Standards und Strukturen Sachsen im Bundesvergleich“, die unter ausschließlicher Bezugnahme auf offizielle Daten von der Landtagsfraktion vorgelegt wurde. Im Gegensatz zur sächsischen Staatsregierung, die Sachsen als das Musterland der guten Lebensverhältnisse in Ostdeutschland begreift, kommen wir als LINKE zu ganz anderen Schlussfolgerungen. Denn der Abstand Sachsens hat sich in den letzten Jahren im Vergleich zum Westen Deutschlands wieder vergrößert. Zudem liegt Sachsen im Ostdeutschen Vergleich hinter Thüringen und Brandenburg. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander und sowohl im Bund als auch im Land gibt es seitens der schwarz-gelben Regierungen keine erkennbaren und vor allem tragfähigen Lösungsansätze und auch keinerlei schlüssigen Antworten. Dass Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern zu denen gehört mit den niedrigsten sozialen Standards, hat verschiedene und umfassende Ursachen. Besonders hervorzuheben für Sachsen sind die massiven Haushaltskürzungen im Sozialbereich trotz günstiger finanzieller Lage unseres Landes, aber auch die vordergründige Begünstigung des Niedriglohnsektors. Sachsen ist in den letzten Jahren zu einer Art Experimenttierfeld, was Veränderungen im sozialen Bereich betrifft, geworden. Herausforderungen des demografischen Wandels sowie des ökologischen und wirtschaftlichen Umbaus kommen auf Sachsen früher zu als auf ganz Deutschland insgesamt. Die Chancen und Lösungsansätze, die sich daraus ergeben, sollten wir nutzen, denn diese Veränderungen schaffen für uns LINKE Gestaltungsmöglichkeiten und erfordern von uns notwendige sozialpolitische Antworten. Gerade das Aufzeigen der unterschiedlichen Facetten in unseren sozialpolitischen Leitlinien in Bezug auf die unterschiedlichen Politikfelder ist zukunftsweisend und ein Markenzeichen der LINKEN in Sachsen. Unsere Sozialpolitik ist vorsorgend und hat einen ganzheitlichen Gestaltungsanspruch. Denn eine gerechte gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen, die wir als sächsische Linke gestalten wollen, geht über die Absicherung der Grundbedürfnisse hinaus. Unser Anspruch ist die Soziale Vorsorge, die soziale Gerechtigkeit in Verbindung mit der Selbstbestimmung des Einzelnen vorsieht, was unter anderem das Eintreten für eine Kindergrundsicherung und eine soziale Mindestsicherung im Alter meint.
Sozialpolitische Angebote haben für das Profil der LINKEN einen bedeutenden Stellenwert in der sächsischen Bevölkerung. Deshalb müssen wir dieses über Jahre erworbene Vertrauen weiter ausbauen und klare sozial- und gesellschaftspolitische Konzepte und Lösungsansätze dem Sozialabbau der schwarz-gelben Staatsregierung entgegensetzen, um zu verhindern, dass es zukünftig noch stärker zu einer Verlagerung von Lebensrisiken aus der gesellschaftlichen Solidarität in die individuelle Verantwortung kommt. Um dies zu erreichen ist es wichtig, Partner in Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und sozialen Netzwerken zu finden. Zudem müssen wir uns auch immer wieder prüfend fragen: Wie realistisch unsere Vorstellungen sind und ob sie finanzierbar sind? Und noch wichtiger, ob wir mit unseren Vorstellungen die Menschen erreichen und es schaffen, Zustimmung in der sächsischen Bevölkerung zu generieren.
Im Punkt 3 nennen wir die Sozialpolitischen Grundsätze der sächsischen LINKEN:
- Ø Als Identität stiftenden Grundsatz steht die sächsische LINKE für mehr soziale Gerechtigkeit
- Ø Die sächsische LINKE verfolgt einen ganzheitlichen sozialpolitischen Ansatz
- Ø Die sächsische LINKE betrachtet den demografischen Wandel als Herausforderung und Chance
- Ø Für die sächsische LINKE besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ökologischem und sozialem Wandel
- Ø Die sächsische LINKE setzt sich für wirkliche Reformen der sozialen Versicherungssysteme ein
- Ø Für die sächsische LINKE bleibt die Landesverantwortung für soziale Daseinsvorsorge unverzichtbar
In den Punkten 4 versuchen wir die von uns geplanten Veränderungen in wichtigen Lebensbereichen zu beschreiben.
Einen Punkt haben wir ausdrücklich offen gelassen: Unserer Position zum bedingungslosen Grundeinkommen. Diese Debatte wollen wir auf einer gemeinsamen Konferenz, die die Landesweiten Zusammenschlüsse „Grundeinkommen“ und „Betrieb und Gewerkschaft“ gemeinsam vorbereiten, führen. Auch geht es um den von mir am Beginn meiner Ausführungen gemachten Mitwirkungsmöglichkeiten.
Die ersten Vorschläge für Veränderungen liegen dem Landesvorstand auch schon vor und ich freue mich auf eine konstruktive und kritische Diskussion.