Interview mit der Freien Presse zur derzeitigen Situation der LINKEN
Interview mit der Freien Presse 5. Juni
Freie Presse: Wie lange wird es die Linkspartei geben?
Rico Gebhardt: Ich hoffe, noch lange. Doch das erfordert viel Kraft und gegenseitige Beweglichkeit.
Ist die Absage an den Reformer Bartsch das Ende der Reformpolitik?
Es ist zunächst einmal ein bitterer Rückschlag für alle Bemühungen, uns aus der Isolation eines „Wir gegen alle“ zu befreien. Allerdings ist es uns in Göttingen gelungen, Ansprüche zu formulieren, wie wir die Gesellschaft verändern wollen. Dazu benötigen wir Partner nicht nur im außerparlamentarischen Raum, sondern auch die SPD.
Wird das nicht der Lafontaine-Getreue Riexinger zu verhindern wissen?
Eines haben die Ossis geschafft: Sie haben sich von dem vermeintlichen Heilsbringer Lafontaine emanzipiert. Und der neue Vorsitzende Riexinger wäre gut beraten, ein eigenes, unabhängiges Profil zu entwickeln.
Da gibt es doch noch Ihre sächsische Co-Vorsitzende Katja Kipping. Was trauen Sie ihr zu?
Sie ist eine undogmatische moderne Linke. Ich denke, sie wird sich stärker durchsetzen, als manche glauben.
Der Parteitag hat den Riss zwischen Ost und West eher vertieft. Wollen Sie es nicht lieber erneut als PDS versuchen?
Wir haben im Osten eine besondere Verantwortung, dass die Gräben zugeschüttet werden. Möglich ist das nur, wenn sich der Realo-Flügel im Westen mehr Gehör verschafft. Eine Partei, deren Außenbild durch abgehobene Spinner geprägt wird, hat keine Zukunft. Ich setze auf die neue Führung. Sie muss stärker auf die Landesverbände zugehen. Der alte Vorstand hat sich aufgeführt wie eine Generalität ohne Truppenteile.
Apropos Truppenteile: Sachsen ist gut im neuen Bundesvorstand vertreten. Aber müssen die linken Abgeordneten nicht fürchten, demnächst ihren Arbeitsplatz im Bundestag einzubüßen?
Ich sehe die Gefahr, dass wir unter die 5‑Prozent-Hürde fallen, wenn wir die Selbstzerfleischung nicht beenden. Die Wähler wollen keinen Streit. Sie erwarten, dass wir Politik gestalten. Auch deswegen halte ich daran fest, dass zumindest in Sachsen das Projekt Rot-Rot-Grün im Gespräch bleibt.