Sachsens Linke spürt Aufwind statt Abgesang
Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa
Manche Prognose sagte den Linken voraus, sie würden sich auf dem Göttinger Parteitag im Juni selbst zerlegen. In Sachsen blieb der personelle Aderlass aus. Dennoch zeigt die Partei Altersschwäche.
Dresden (dpa/sn) — Sachsens Linke fühlen nach dem Göttinger Parteitag eine Aufbruchstimmung. Allerdings haben viele Mitglieder auch den zweiten Frühling schon hinter sich. «Das Hauptproblem bei der Mitgliederentwicklung bleibt unser hohes Durchschnittsalter von über 60 Jahren», sagte Parteichef Rico Gebhardt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Mehr als 150 Frauen und Männer verloren die Linken in diesem Jahr durch Tod oder Altersgebrechen. 56 Menschen traten in die Partei ein.
Mit Blick auf größeren Zeiträume wird das Dilemma noch deutlicher. 1990 hatte die damalige SED-PDS in Sachsen noch über 71 000 Mitglieder. Bei derzeit knapp 11 000 Genossen sind den Linken damit rund 85 Prozent der Mitglieder abhanden gekommen. Das Gros verließ jedoch gleich zu Beginn der 90er Jahre die Partei.
«Das Problem der Überalterung und sinkender Mitgliederzahlen haben wir in Deutschland aber nicht alleine. Nur die ganz kleinen Parteien in den Ländern können ihr personelles Niveau halbwegs stabil halten», sagte Gebhardt. Besonders in Wahljahren bekomme man Zulauf: «Darauf werden wir uns 2013 und 2104 vorbereiten. Die Tür zur Linken steht aber prinzipiell immer offen.»
Einen wirklichen Generationenkonflikt sieht Gebhardt für die Linken insbesondere in Sachsen nicht. Aktuell sei auch kein tiefer gehender Konflikt im Landesverband erkennbar. «Natürlich gibt es immer verschiedene Auffassungen in diesem oder jenen Zusammenhang. Da wird dann gern ein Kampfbegriff rausgeholt, um vielleicht jenseits der sachlichen Auseinandersetzung Punkte zu machen». Als Beispiel nannte er den von Medien gern benutzten Begriff der «Jugendbrigade», die angeblich gegen altgediente Kader ins Feld zieht.
«Jugendbrigade klingt nach Unerfahrenheit und Karrierestreben. Die mit diesem Titel versehen wurden, haben erst mal ihr Fett weg. Aber mit der Sache hat das nichts zu tun», erklärte Gebhardt. Und auch der
Begriff von «alten Seilschaften» stimme nicht mit der Realität bei den Linken überein. «Was wir aber in den letzten Jahren in Sachsen geschafft haben, ist die einst sehr tiefen Gräben zuzuschütten. Das war nicht einfach, hatte immer mit Einbindung, vielen Gesprächen und fairem Umgang zu tun, manchmal auch mit Psychologie.»
Gebhardt, der mit 49 Jahren in der Mitte des Lebens steht, hält eine gute Mischung für die beste Lösung. Lebenserfahrung allein reiche bei weitem nicht aus, um eine Partei erfolgreich zu führen. «So manches Politbüro vergangener Zeiten hatte zwar Lebenserfahrung in Menge, zureichend war das jedoch nicht.» Es sei am Ende immer wichtig, neue Ideen, Erfahrungen, Schwung und Stabilität zusammenzubringen. Da werde keiner außen vor gelassen.