Statt Schlagabtausch durch neuen Stil überzeugen – LINKE will soziale und technologische Innovation in Sachsen

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Nach sein­er Wahl zum neuen Vor­sitzen­den der Frak­tion DIE LINKE im Säch­sis­chen Land­tag erk­lärt Rico Geb­hardt gegenüber der Lan­despressekon­ferenz:

Im Fußball haben wir in diesem Jahr schon ler­nen dür­fen, wie durch verän­derte Mannschaft­sauf­stel­lun­gen tak­tis­che Spielabläufe verän­dert und opti­miert bzw. angepasst wer­den kön­nen. Nun sind wir nicht in der Sit­u­a­tion, Auswech­slun­gen vorzunehmen, son­dern es geht um eine neue, dem Ziel angepasste Mannschaft­sauf­stel­lung. Ich möchte erre­ichen, dass wir uns den vor uns ste­hen­den Her­aus­forderun­gen stellen, die in der Frak­tion vorhan­de­nen Poten­ziale bess­er nutzen und sie vor allem pro­duk­tiv­er und mit größer­er öffentlich­er Wirkung präsen­tieren. Dazu wird es neben den heute beschlosse­nen per­son­ellen Verän­derun­gen, die ich schon erwäh­nt habe, auch struk­turelle Verän­derun­gen geben; damit will ich Sie jedoch nicht weit­er lang­weilen, son­dern Ihnen sagen, was wir uns für die näch­sten Monate vorgenom­men haben und was Sie zukün­ftig von uns erwarten kön­nen.

Neue Koop­er­a­tio­nen für ein mod­ernes Sach­sen

Im Mit­telpunkt unser­er Arbeit als Frak­tion bis zu den Land­tagswahlen 2014 ste­hen zwei säch­sis­che Spezial­itäten: Soziale und tech­nol­o­gis­che Inno­va­tion.
Wir wollen sie mit ein­er neuen Art der poli­tis­chen Kom­mu­nika­tion voran­brin­gen, die wir durch das Pro­jekt „Dia­log für Sach­sen“ gemein­sam mit der Lan­despartei vor allem dig­i­tal (http://www.dialog-fuer-sachsen.de/) und in regionalen Sozial- und Tech­nolo­gie-Foren vor Ort entwick­eln.
Die Zeit ermü­den­der Fronta­lan­griffe auf eine ver­meintliche „Fes­tung“ CDU ist vor­bei – stattdessen wer­den wir die Kreise der selb­ster­nan­nten neuen Staatspartei durch den Auf­bau von Net­zw­erken viel­er Mitdenker/innen nach­haltig stören.
Wir über­winden die Eng­stirnigkeit der derzeit herrschen­den Regierungs­bürokratie durch emanzip­ierte „Schwarmintel­li­genz“, für die der Men­sch im Mit­telpunkt ste­ht.

DIE LINKE, heißt es im „Alter­na­tiv­en Lan­desen­twick­lungskonzept“ (Alek­sa) 2004, ver­fol­gt für das Land Sach­sen einen anderen strate­gis­chen Ansatz als die bish­eri­gen Staat­sregierun­gen: Der LINKEN geht es um die sys­tem­a­tis­che Entwick­lung vor allem der inneren wirtschaftlichen, sozialen und kul­turellen Poten­ziale und Vorzüge Sach­sens. Nicht um die Regio­nen „an sich“ geht es, son­dern um die Men­schen „für sich“, die mit ihren Wün­schen, Hoff­nun­gen, Vorstel­lun­gen, Fähigkeit­en, Tal­en­ten, ihren Möglichkeit­en der Selb­stver­wirk­lichung im Mit­telpunkt der Zukun­ft Sach­sens ste­hen müssen. Sie sind die größte und wichtig­ste Ressource für die Entwick­lung des Lan­des und dessen sozialökol­o­gis­che Umgestal­tung.
Der von mir ini­ti­ierte »Dia­log für Sach­sen« ist im Unter­schied zu den virtuellen Kon­tak­tver­suchen der Staat­sregierung bewusst auf Aus­tausch angelegt. Wir wollen unsere poli­tis­chen Vorschläge durch deren öffentliche Diskus­sion nicht nur ver­bre­it­en, son­dern verän­dern und verbessern. Keine Idee nimmt Gestalt an, wenn nicht Bürg­erin­nen und Bürg­er sie sich zueigen machen. Davon soll­ten wir uns leit­en lassen.

Die Frak­tion ver­fügt über aus­re­ichend Exper­tin­nen und Experten, die Posi­tio­nen, Anträge, Geset­zen­twürfe entwick­elt und mit Fachver­bän­den und in The­men­foren debat­tiert haben – stark ressort­be­zo­gen, nicht sel­ten als alleingestellte Aktiv­ität. Bei Haushalts­ber­atun­gen, Antworten auf Regierungserk­lärun­gen und in unseren Wahl­pro­gram­men wurde dann darauf geachtet, dass alle The­men­felder möglichst gle­ich­berechtigt bedacht sind.
Kün­ftig muss es uns demge­genüber vor allem gelin­gen,

(1) Akteurskon­stel­la­tio­nen poli­tis­chen Han­delns, wie z.B. vom Abstieg bedro­hte Mit­telschicht­en und an den Rand gedrängte gesellschaftliche Grup­pen
(2) Orte notwendi­ger Inter­ven­tion, wie städtis­che Wohnge­bi­ete, die sozialökonomis­chen Umstruk­turierung­sprozessen aus­ge­set­zt sind, oder von Abwan­derung betrof­fene ländliche Räume und
(3) kom­plexe Her­aus­forderun­gen, wie z.B. die Energiewende oder demographis­che Verän­derun­gen
»ressortüber­greifend« zu erken­nen und poli­tisch pro­duk­tiv zu machen.
Wir müssen ler­nen, in den Bedürfnis­sen von Men­schen zu »lesen« und unsere poli­tis­chen Ideen so zur Diskus­sion zu stellen, dass sie in einem direk­ten Bezug zu diesen Bedürfnis­sen ste­hen.

Dies erfordert mehr als die üblichen Ver­anstal­tun­gen. Sie sind zweifel­los unverzicht­bar. Erforder­lich ist jedoch die Erar­beitung eines »Nav­i­ga­tion­ssys­tems poli­tis­ch­er Gespräch­sorte«, das uns in die Lage ver­set­zt, mit den­jeni­gen zu disku­tieren bzw. diejeni­gen zur Debat­te einzu­laden und zur Beteili­gung zu ermuti­gen, die bis­lang nicht beteiligt wur­den. Dabei han­delt es sich nicht allein um die Schwachen in der Gesellschaft. Das Gefühl der Macht­losigkeit ist weit ver­bre­it­et und hat längst auch die „bürg­er­lichen Mit­telschicht­en“ erfasst.

Säch­sis­che Sozial­staats-Ini­tia­tive

Sach­sen ist das Mut­ter­land der sol­i­darischen sozialen Absicherung – die älteste Sozialver­sicherung der Welt, die Knapp­schaft, bekam hier ihren Namen.
Heute erleben wir gesellschaftliche Ver­w­er­fun­gen, deren Reich­weite die Ein­führung des Berg­baus noch in den Schat­ten stellt: Im einen Teil Europas ist die halbe Jugend arbeit­s­los, im anderen Teil des Kon­ti­nents – zu dem Sach­sen gehört – muss die Hälfte nicht nur der älteren Beschäftigten damit rech­nen, kün­ftig von ihrer Rente nicht auskömm­lich leben zu kön­nen.

Sach­sen sollte daher bald­möglichst über eine Bun­desratsini­tia­tive für eine grundle­gende Neugestal­tung unseres Sozial­sys­tems aktiv wer­den. Dabei sind die vielfälti­gen Impulse aus unter­schiedlichen Vorschlä­gen wie „Bürg­ergeld“ (u. a. von Kurt Biedenkopf), „Bedin­gungslos­es Grun­deinkom­men“ (u. a. von Kat­ja Kip­ping), Min­dest­lohn und Min­de­strente, sowie all­ge­meine Bürg­erver­sicherung unter Berück­sich­ti­gung sämtlich­er Einkom­men­sarten ohne ide­ol­o­gis­che Scheuk­lap­pen auf ihre konkrete Wirk­samkeit hin zu analysieren. Meine Frak­tion wiederum sollte anknüpfend an die vom säch­sis­chen Lan­desver­band der LINKEN vor­angetriebene kon­tro­verse Diskus­sion zu Grun­deinkom­men bzw. Grund­sicherung Eck­punk­te für eine solche säch­sis­che Sozial­staats-Ini­tia­tive bis zum Früh­jahr 2013 in den Land­tag ein­brin­gen. Darin ein­fließend soll­ten die Ergeb­nisse regionaler Sozial-Foren, die wir ver­anstal­ten wer­den.

Ich will bei diesem Kern­the­ma für den kün­fti­gen Zusam­men­halt der Gesellschaft den Wet­tbe­werb mit Stanis­law Tillich, der das Wort „Sol­i­dar­ität“ zwar häu­figer ver­wen­det als viele andere CDU-Poli­tik­er, bish­er jedoch jede Auskun­ft darüber ver­mei­det, was er genau darunter ver­ste­ht. Biedenkopfs Vorschläge klan­gen zunächst gut, ent­pup­pten sich aber bei genauerem Hin­se­hen als Beiträge zur Ver­fes­ti­gung sozialer Ungle­ich­heit. Im Gegen­satz zu Tillich machte Biedenkopf immer­hin von Sach­sen aus Bun­de­spoli­tik, und ger­ade bei der sozialen Frage muss Sach­sens Stimme im Konz­ert der Bun­deslän­der wieder vernehm­bar wer­den. Die Land­tagswahl 2014 wird auch zur Abstim­mung darüber, ob Sach­sen kün­ftig weit­er auf Seit­en von Niedriglohn, prekär­er Beschäf­ti­gung und Alter­sar­mut ste­ht oder Partei ergreift für eine sol­i­darische Gesellschaft, die diesen Namen ver­di­ent.

Inno­va­tions- und Tech­nolo­gie-Strate­gie für Sach­sen

Sach­sen ist, eben­falls durch den Berg­bau, das Mut­ter­land des Indus­triezeital­ters und hat heute nicht nur durch „Sil­i­con Sax­ony“ aktiv­en Anteil am Auf­bruch in die dig­i­tale Epoche. Gle­ichzeit­ig gewin­nt der säch­sis­che Berg­bau ins­beson­dere auf dem Gebi­et der sel­te­nen Erden, die für maßge­bliche Träger der virtuellen Rev­o­lu­tion – Smart­phones, Tablet­com­put­er, Note­books und Flach­bild­schirme etc. – uner­lässlich sind, neue glob­ale Bedeu­tung.

Deshalb braucht der Freis­taat eine langfristige Inno­va­tions-und Tech­nolo­gie-Strate­gie, die FDP-Wirtschaftsmin­is­ter Mor­lok zu erar­beit­en bish­er unter­lassen hat. Dazu gehört neben Berg­bau und Energiegewin­nung u.a. auch die Biotech­nolo­gie. Die Frak­tion wird regionale Foren zu diesem The­ma durch­führen. Die Ergeb­nisse der Diskus­sio­nen fließen in einen Kom­plex-Land­tagsantrag „Inno­va­tions- und Tech­nolo­gies­trate­gie für Sach­sen“ ein, den wir bis zum Som­mer 2013 ein­brin­gen wer­den.
Dies wer­den zugle­ich die Eck­punk­te ein­er intel­li­gen­ten Wirtschaft­spoli­tik für eine säch­sis­che Staat­sregierung ohne CDU-Beteili­gung ab Herb­st 2014 sein.

Soziale und wirtschaftliche Inno­va­tion sind nicht in erster Lin­ie eine Frage des Hin- und Her­schiebens von Finanzmit­teln durch die Poli­tik. In ein­er Zeit, in der in Sekun­den­schnelle Mil­liar­den „ver­bran­nt“ wer­den, liegt der Hebel zur Verbesserung der Welt nicht mehr in einem Ressourcen-Roulette, wo jed­er ver­sucht, beim Kampf um einen größeren Anteil am Staat­shaushalt möglichst geschickt mit zu pok­ern. Wir LINKE wollen zuvörder­st eine andere poli­tis­che Kul­tur, was im Unter­schied zur klas­sis­chen Sozialdemokratie weniger mit schlichter Umverteilung als mit ander­er Kom­mu­nika­tion zu tun hat.

Auf Sach­sen über­set­zt heißt das: Wo die Konkur­renz der einzel­nen Regio­nen durch Koop­er­a­tion erset­zt wird, wo aus dem Gegeneinan­der einzel­ner Inter­es­sen­grup­pen eine gemein­same Suche nach ein­er „Win-win-Sit­u­a­tion“ für die gesamte Gesellschaft in Sach­sen erwächst, da sind bis­lang unbekan­nt Syn­ergieef­fek­te möglich. Das schafft man aber nicht mit einem von oben dekretierten Lan­desen­twick­lungs­plan, der im Nach­hinein immer dort noch ein biss­chen nachgebessert wird, wo sich der heftig­ste und lauteste Wider­stand zeigt. Diesem ver­fehlten CDU/FDP-Poli­tik­mod­ell set­zten wir einen Dia­log „von unten“ ent­ge­gen.

Wir glauben: Am besten ist mit den Men­schen selb­st Staat zu machen, nicht für sie, son­dern mit ihnen – für ein Sach­sen, in dem sich alle Gen­er­a­tio­nen zu Hause fühlen und gemein­sam Dinge erfind­en, die die Welt voran­brin­gen. Denn das ist säch­sisch.