Rede „Kleiner Parteitag“ am 15. September 2012
Liebe Genossinnen und Genossen,
die heutige gemeinsame Beratung des Landesvorstandes, des Landesrates, der Kreisvorsitzenden und des Fraktionsvorstandes, kurz: unser sogenannter „Kleiner Parteitag“ hat wieder mal ein sehr volles Programm. Das kennen wir nun seitdem wir diese Beratung eingeführt haben und das ist eine gute Sache. Auch, wenn wir uns intern ab und an über den Begriff „Kleiner Parteitag“ streiten.
Ich betone das hier gleich am Anfang, um insbesondere unseren Gästen, den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, die ich hiermit ganz herzlich begrüßen möchte .… (BEIFALL)…
.… um insbesondere bei Euch nicht den Eindruck entstehen zu lassen, wir hätten eine Sondertagesordnung für euch aufgestellt.
Seit geraumer Zeit arbeiten wir im Landesverband Sachsen an den inhaltlichen Grundlagen für die bald bevorstehenden Landtagswahlen 2014 und damit natürlich auch an unserem Beitrag für die Bundestagswahlen im nächsten Jahr.
Wie Oskar Lafontaine zu Recht bemerkte, sollte die Wahlvorbereitung so ungefähr zwei Jahre vor dem Wahlgang beginnen. Wir liegen da gut im Zeitplan, nicht nur hinsichtlich der Inhalte, sondern auch in Bezug auf die Wahlkampfstrukturen und die Methodik.
Heute wird zum Beispiel der Entwurf für die Sucht- und Drogenpolitischen Leitlinien vorgestellt. Ein sehr wichtiges Thema und ebenso ein nicht ganz einfaches Thema für unsere Partei. Sicher ist das kein Problemfeld, mit dem wir großartig um Mehrheiten ringen werden. Trotzdem müssen wir uns damit befassen. Allein nur Themen aufzuwerfen, die aus wahltaktischer Sicht erfolgversprechend sind, scheint mir doch zu beschränkt zu sein. Der Entwurf der Leitlinien ist aus meiner Sicht schon mal ziemlich gut gelungen, was vor allem heißt, dass wir auf sachlich-fachlicher Grundlage sowohl gut gemeinsam diskutieren können, als auch mit den vielen auf diesem Gebiet engagierten Initiativen, Vereinen und, natürlich auch, Behörden und Vertreterinnen des Gesundheitswesens.
Hier wird es wieder mal deutlich, was der Begriff „Kümmererpartei“ meint. Wir entwickeln Politik nicht nur für die sogenannten „Leistungsträger“ der Gesellschaft – ein ohnehin fragwürdiger Begriff – sondern unser Blick gilt der gesamten Gesellschaft. Unsere Sorge gilt vor allem jenen, die an den Rand oder über diesen hinaus gedrängt sind, die unsichtbar gemacht werden, kriminalisiert und tabuisiert.
Und, dass wir das tun, dass wir uns kümmern, macht klar, welche Haltung zur Gesellschaft wir haben.
Ein gutes Leben zu haben ist immer damit verbunden, dass Menschen in Gemeinschaft, im Miteinander, in Solidarität sind.
Unsere Vorstellung von einer gerechten, solidarischen Gesellschaft wird wahrnehmbar in unserer ganz konkreten Arbeit oder gar nicht. Darin besteht im Übrigen der Sinn des Satzes, dass Wahlen nicht in den Wahlkämpfen, sondern dazwischen gewonnen werden.
Wir sollten davon ausgehen, dass die WählerInnen — und insbesondere unsere Wählerinnen – sehr aufmerksam und klug sind und dass sie also wahrnehmen, was wir wie tun.
Man kann darüber natürlich viel spekulieren, aber dankenswerter Weise hat der Parteivorstand eine Befragung unserer potentiellen Wähler in Niedersachsen in Auftrag gegeben, was deren Erwartungshaltung betrifft. Und dabei sind mir vier wichtige Sachen aufgefallen:
Unserem engeren und weiteren Wählerkreis in Niedersachsen ist Menschlichkeit wichtig, Menschlichkeit im Sinne der Zwischenmenschlichkeit, des sozialen Zusammenhalts, der Solidarität.
Es ist ihnen wichtig, dass wir LINKEN Ideale haben, aber nicht so sehr Ideologien verhaftet sind.
Sie wollen, dass wir umsetzbare Alternativen entwickeln, von denen glaubwürdig annehmbar ist, dass ihre Umsetzung klappen könnte und, auch nicht sehr überraschend,
sie erwarten die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, damit wir Ziele im Sinne der Menschen erreichen.
Das sind doch vier spannende Botschaften, die uns unsere möglichen Wählerinnen aus Niedersachsen übermitteln.
Wenn ich mir die Aussagen aus Niedersachsen anschaue, komme ich zu der Feststellung, dass mir das bekannt vorkommt. Nämlich ganz einfach von HIER! Die Menschen, die sich vorstellen können, uns zu wählen, unterscheiden sich offensichtlich gar nicht so sehr zwischen Ost und West.
Was sich unterscheidet, sind die Umstände unter denen sie leben.
Ich hoffe nicht, dass es abgedroschen klingt, wenn ich daran erinnere, dass es das gesellschaftliche Sein ist, welches das Bewusstsein bestimmt. Und so altbekannt dieser Satz ist, so sehr hilft er uns doch, in unserer Politikentwicklung nicht fahrlässig und oberflächlich zu werden. Deshalb möchte ich genau an dieser Stelle Sahra Wagenknecht widersprechen, die sich am Montag damit zitieren lässt, das Ost-West-Thema sei überholt!
Solange dieses Land durch einen sozial-ökonomischen Graben getrennt ist, solange Biographien durch die Herkunft und die Sozialisation im Osten nicht die gleiche Chance haben, solange wird eine linke Partei diese Ungerechtigkeit thematisieren müssen!
Unsere Erfolge sind nicht das Ergebnis unserer kühnen Strategien, tollen Konzepte und was weiß ich noch. Sie sind vielmehr das Resultat dessen, dass wir auf eine gesellschaftspolitische Lage reagierend auf ganz verschiedene praktische Weise unsere politischen Angebote entwickelt haben.
„Kümmererpartei“ zu sein, war nie das Ergebnis eines Masterplans oder einer besonders klug ausgeheckten Strategie. Eine linke, eine demokratisch-sozialistische Partei wird nur erfolgreich sein können, wenn sie tief in der Gesellschaft verwurzelt ist. Diese Verwurzelung ist niemals endgültig erreicht.
Unsere Probleme in Sachsen, im ganzen Osten, kennen wir zur Genüge, jeder hier im Raum weiß, was ich meine. Wir versuchen, darauf zu reagieren, ob es uns gelingt, wird nur die Praxis zeigen.
Wenn wir also nun mit dem „Dialog für Sachsen“ nach dem Oktoberparteitag in die erste öffentliche Diskussionsphase treten, dann ist dies nicht nur eine Reaktion auf veränderte Anforderungen der Gesellschaft, sondern auch eine Reaktion auf veränderte Möglichkeiten, die wir als Partei haben.
Und an dieser Stelle möchte ich auch der Dresdner Stadtratsfraktion Dank sagen, die das kreativ übersetzt hat und in einen Dialog für Dresden eintritt oder die Oberbürgermeisterkandidatin in Leipzig, die sich mit einer Postkarte an die Leipzigerinnen und Leipziger wendet, mit der Bitte sich zu ihren Vorstellungen für eine soziales Leipzig zu äußeren.
Aber es ist eben ein wesentlicher Unterschied, ob wir in fast jedem Ort in allen möglichen Vereinen und Initiativen vertreten und aktiv sind, wie dies Anfang der neunziger Jahre noch möglich war. Nun gibt es einige, die dann sagen: na, da müssen wir eben jetzt eine Massenpartei werden. Das ist dann meist mit einer Kritik verbunden, dass insbesondere wir im Osten zu wenig revolutionär sein, zu angepasst und eigentlich irgendwie Teil des Systems- Ganz ehrlich: von diesen Möchtegern-Massenparteien, die sehr grundsätzlich, sehr revolutionär und gar nicht angepasst sind, gibt es viele. Das einzige, was dabei den Begriff „Massenpartei“ rechtfertigt, ist die große Masse dieser häufig doch sehr kleinen Gruppen. So schön die Vorstellung von einer Massenpartei sein mag, wir müssen konstatieren, dass derzeit die Bedingungen dafür nicht gegeben sind.
Liebe Genossinnen und Genossen,
mit meinen politischen Erfahrungen, beginnend in der SED, vor allem aber in der Wendezeit, mit meiner Arbeit als Stad- und Kreisrat, als Bürgermeisterkandidat in Aue, mit fast 50 % nur knapp gescheitert, als Wahlkreismitarbeiter, als Landesgeschäftsführer, als Landtagsabgeordneter und nun auch als Landes- und Fraktionsvorsitzender werbe ich für eine Politik, in ihren Inhalten und Methoden, die sich bewusst auf die Mühen der Ebene bezieht.
Dazu brauchen wir einen sehr langen Atem, um unseren Zielen zu entsprechen.
Die vor uns liegenden 23 Monate werden heiße Wahlkampfmonate. Bundestagswahlen, Kommunalwahlen, Europawahlen, Landtagswahlen und einige Ober- und Bürgermeisterwahlen liegen vor uns. Wir werden viel Kraft dafür brauchen. Bleiben wir uns treu und damit auch grundsätzlich den Wegen, auf denen wir doch einige dauerhafte Erfolge für unsere Partei und für die Menschen im Land erzielt haben, dann braucht uns nicht bange sein.
Lasst uns gemeinsam die Mütter und Väter des Erfolgs sein!
Ich denke, wir sind uns darüber einig das Land und seine Menschen brauchen mehr Gerechtigkeit und Solidarität. Dieses Land braucht eine Partei wie DIE LINKE!
Glück auf!