Jugend hat andere Perspektiven als Staatsregierung
Anlässlich der Aktuellen Debatte „Attraktive Heimat – positive Perspektiven für Sachsens Jugend“ auf CDU/FDP-Antrag:
Schauen wir nach Stuttgart, also in eine Gegend, in die viele junge Menschen aus Sachsen gezogen sind, weil es dort mehr gut bezahlte Arbeit gibt als in der alten Heimat. Hier stellt der Leiter des städtischen Statistikamtes fest: „Autos sind für die Jugend nicht mehr das Prestigeobjekt Nummer eins.“ Viel wichtiger seien Kommunikationsmedien wie Smartphones, Tablet-PCs oder auch der Umzug in eine eigene Wohnung. Die Prioritäten haben sich verschoben.“
Das hat sich bis zu Sachsens Staatsregierung noch nicht herumgesprochen, sonst würde sich der Ministerpräsident nicht auf eine selbst in Auftrag gegebene Jugendstudie stützen, deren Zielgruppe heißt: „Deutschsprachige Bevölkerung zwischen 15 und 25 Jahren in sächsischen Privathaushalten mit Festnetzanschluss.“ Damit geht die Untersuchung wie die Jugendpolitik der Staatsregierung an der Realität der hundertprozentigen Handy-Generation vorbei. Der Ministerpräsident wirkte ziemlich verstört auf dem ConFestival, als er mit den politischen Forderungen der sächsischen Jugendlichen konfrontiert wurde. Abgesehen davon, dass ihre Wünsche wie längeres gemeinsames Lernen, mehr Mitbestimmung und Senkung des Wahlalters mit Schwarz-Gelb an der Regierung nie erfüllt werden, sondern nur mit Rot-Rot-Grün.
Was Herrn Tillich vor allem zu irritieren schien, war: Dass die Jugendlichen sich nicht nur für sich selbst interessieren, sondern sich z. B. für die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern ausgesprochen haben. Diese sächsische Jugend macht wirklich Lust auf Zukunft – denn sie will eine solidarische Gesellschaft, in der niemand am Rand stehen muss. Statt solche Impulse aufzugreifen, behelligt uns der Ministerpräsident mit Banalitäten:
Es sei für ihn „ein gutes Zeichen, dass für eine Mehrheit der Jugendlichen zu einem erfüllten Leben eine Familie und eigene Kinder gehören.“ Mein Gott, dieses Ergebnis hätte er vor hundert Jahren bekommen, und auch noch in hundert Jahren! Nicht gesagt hat der Ministerpräsident, dass laut seiner Studie 52 Prozent der Befragten keine Kinder oder allenfalls ein Kind haben wollen. Sehr Kinderwunsch-fördernd ist die Regierungspolitik des Kabinetts Tillich also in der nächsten Generation potenzieller Eltern offenbar nicht.
Zu den Forderungen der Jugendlichen gehört ein preiswerter Öffentlicher Personennahverkehr. Stattdessen betreiben CDU/FDP die Stilllegung von weiteren knapp zwei Dutzend Bahnstrecken und kürzen beim ÖPNV, wo es nur geht. Im Ergebnis sind dann nicht nur im ländlichen Raum viele Jugendliche zur Anschaffung eines Autos genötigt, weil sie sonst weder zur Lehrstelle noch zur Freundin bzw. Freund gelangen. Wir werden in einem halben Jahr auf den Prüfstand stellen, wie Herr Tillich auf die Forderungen geantwortet hat, was er ja versprach.