Eröffnungsrede Kleiner Parteitag in Weinböhla am 23. Februar 2013

Liebe Genossin­nen und Genossen,

liebe Gäste!

Wenn man Ver­ant­wor­tung über­tra­gen bekommt, muss man sich dieser Ver­ant­wor­tung auch stellen und sie wahrnehmen. Ger­ade für die Auf­gabe, die wir heute als erstes zu lösen haben, ist mir bewusst, welche Bürde ein Amt auch mit­brin­gen kann.

Unser let­zter Parteitag in Chem­nitz war mit dem schö­nen Mot­to

über­schrieben: „Fra­gend schre­it­en wir voran“.

Wir müssen heute eine ganz wichtige Frage entschei­den:

„Wollen wir jet­zt zum Motor für reale Verän­derun­gen wer­den“?, so wie es  Kat­ja, unsere Bun­desvor­sitzende am Mittwoch bei der Präsen­ta­tion des Bun­deswahl­pro­gramms gesagt hat. Die Probe aufs Exem­pel unseres

fra­gen­den Voran­schre­it­ens, mit dem zugle­ich etwas real verän­dert wird, kön­nte unsere Mit­gestal­tung bei der säch­sis­chen Ver­fas­sungs­de­bat­te sein.

 

Wir haben es dabei näm­lich gle­ich in dop­pel­ter Hin­sicht mit ein­er Sit­u­a­tion zu tun, auf die es keine fer­ti­gen Antworten in der Schublade gibt. Mit ein­er Sit­u­a­tion, in der man entwed­er fra­gend voran­schre­it­et – oder erschrock­en davon­läuft. Wer aber die Welt verän­dern will, darf keine Angst vor

Verän­derun­gen haben; deshalb fällt aus mein­er Sicht das Weglaufen aus.

 

Erst­mals seit 1990 hat­ten wir Ver­hand­lun­gen mit vier weit­eren Frak­tio­nen zu führen. Regierun­gen, die aus zwei Parteien beste­hen, haben

bekan­ntlich einen größeren Kom­mu­nika­tions­be­darf als Ein-Parteien-Regierun­gen, bei drei Part­nern ist der Gesprächs­be­darf noch kom­plex­er. Hier saßen nun Vertreterin­nen und Vertreter von fünf Frak­tio­nen an einem Tisch, die zum Teil bish­er anson­sten her­zlich wenig miteinan­der zu tun

hat­ten. Dies bet­rifft ins­beson­dere die bei­den größten der beteiligten Frak­tio­nen:

 

Zweit­ens war die Grund­lage der Ver­hand­lun­gen ein, wenn man es

tra­di­tionell-kon­ser­v­a­tiv betra­chtet, „unsit­tlich­es Ange­bot“: Wenn ihr uns ein Schuldenver­bot in der Ver­fas­sung besorgt, das ihr ja gar nicht haben wollt, beschimpfen wir euch nicht im Land­tagswahlkampf als

unver­ant­wortliche Schulden­mach­er.

 

Es gab Genossin­nen und Genossen, die aus höchst ehren­werten Motiv­en vor einem Jahr gesagt haben: Lasst das sein, ver­han­delt nicht, das kann nicht gut gehen. Die ganz große Mehrheit in Partei und Frak­tion hat sich schließlich für eine andere Herange­hensweise entsch­ieden, die man so

zusam­men­fassen kön­nte: Wir haben eigentlich keine Chance, aber wir

wollen sie nutzen!

 

Also ging mein Vorgänger im Amt des Frak­tionsvor­sitzen­den, André Hahn, „ohne Vorbe­din­gun­gen“, wie er es zutr­e­f­fend for­mulierte, in die

Ver­hand­lun­gen.

Die Frak­tion hat die Partei gefragt. Die Partei hat Ja gesagt.

Ich habe die Lan­despartei informiert.

Die Mit­glieder der Arbeits­gruppe haben regelmäßig die Frak­tion informiert.

 

Und als Mitte Okto­ber 2012 unser neuer Bun­desvor­sitzen­der Bernd

Riexinger in Dres­den zu Besuch war, habe ich auf ein­er Frak­tion­ssitzung den Zwis­chen­stand der Ver­hand­lun­gen ein­schließlich aller säch­sis­chen Spez­i­fi­ka so aus­führlich dargelegt, dass das nun­mehr vor­liegende Ergeb­nis in Berlin weniger Aufre­gung aus­lösen sollte, als in den let­zten Wochen

erzeugt wurde.

 

Her­aus­gekom­men ist nach einem Jahr ein Dreifach­es:

Schwarz-Gelb hat das im Koali­tionsver­trag vorge­se­hene ver­fas­sungsmäßig ver­ankerte Schulden­ver­bot nicht bekom­men. Son­dern wir haben eine Ver­ständi­gung auf dem Tisch liegen, mit der die Wirkung der vom Bund

bere­its beschlosse­nen und im Grundge­setz ver­ankerten Schulden­bremse auf Sach­sen entschärft oder wie Peter Porsch diese Woche gesagt hat: gedrosselt würde.

Mit ein­fach­er Mehrheit kön­nen bei Bedarf Kred­ite

aufgenom­men wer­den, wenn die Steuere­in­nah­men min­destens drei

Prozent unter dem Niveau der let­zten vier Jahre bleiben. Damit haben wir den lan­despoli­tis­chen Hand­lungsspiel­raum trotz der gegen den Willen der

LINKEN bun­desweit gel­tenden Schulden­bremse deut­lich erweit­ert.

 

 

Her­aus­gekom­men ist aber auch etwas, was es bish­er in keinem

Bun­des­land gibt: Der soziale Aus­gle­ich muss neben den Grund­sätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit kün­ftig bei der Auf­stel­lung des

Lan­deshaushalts berück­sichtigt wer­den. Was das sowohl ver­fas­sungsrechtlich als auch poli­tisch bedeutet, wird unser Mit­glied in der

Ver­hand­lungskom­mis­sion Klaus Bartl anschließend in seinem Beitrag zur Ein­führung in die Diskus­sion darstellen.

 

Her­aus­gekom­men ist zugle­ich etwas, was sich nicht nur die Kom­mu­nalpoli­tik­erin­nen und Kom­mu­nalpoli­tik­er schon lange gewün­scht haben:

Näm­lich eine ver­fas­sungsrechtlich garantierte, umfassende Finanzierung aller den Kom­munen über­tra­ge­nen Auf­gaben. Ins­beson­dere hierzu wird sich unser Mit­glied in der Ver­hand­lungskom­mis­sion Sebas­t­ian Scheel in seinem Rede­beitrag äußern.

 

Die Ver­fas­sung ist ger­ade für LINKE in Sach­sen etwas sehr Wichtiges. Schließlich haben wir als Frak­tion mehr als ein Dutzend Mal vor dem Säch­sis­chen Ver­fas­sungs­gericht erfol­gre­ich geklagt und damit Poli­tik der CDU-geführten Staat­sregierung kor­rigiert. Natür­lich wis­sen wir, dass eine Ver­fas­sung nur mit­tel­bar gilt, also durch Über­set­zung in Geset­ze, Behör­den­han­deln oder eben in einen Rechtsstre­it, der zu einem Gericht­surteil führt, mit dem konkrete Maßstäbe for­muliert wer­den. Das gilt für alle

Ver­fas­sungsar­tikel.

 

Für uns kann dieses Paket von Änderun­gen der Ver­fas­sung nur ein erster Anfang sein.

Daher schlage ich vor, dass wir zusam­men mit SPD und GRÜNEN baldigst die Ini­tia­tive für die näch­ste Runde der Ver­fas­sungsmod­ernisierung

eröff­nen. Dabei sollte ein Mehr an direk­ter Demokratie, die Erle­ichterung von Volks­begehren und Volk­sentschei­den im Mit­telpunkt ste­hen.

Und wir wer­den die CDU zu diesen Gesprächen ein­laden. Soll­ten sie sich ein­er Demokratisierung der Gesellschaft ver­weigern, dann wer­den wir im Rah­men des Land­tagswahlkampfes deut­lich machen, wer hier auf der

Demokratiebremse ste­ht.

 

Faz­it:

 

Unab­hängig von der Frage, ob die LINKE Sach­sen in der kün­fti­gen

Leg­is­latur regiert oder opponiert, sind die Optio­nen und Möglichkeit­en kün­ftiger Hand­lungs­fähigkeit der Frak­tion DIE LINKE im Land­tag in den

Bere­ichen Haushalt, sozialer Aus­gle­ich oder Kom­mu­nal­fi­nanzen mit ein­er Ver­fas­sungsän­derung größer als wenn die Recht­slage so bleibt, wie sie heute ist.

 

Welchen Erfolg die Hand­lungsmöglichkeit­en brin­gen, kann nie­mand

ver­lässlich bew­erten. Sich­er ist nur: Hand­lung­sop­tio­nen für eine

Land­tags­frak­tion der LINKEN wird es mit ein­er Ver­fas­sungsän­derung

geben, die ohne Ver­fas­sungsän­derung kom­plett aus­fall­en wer­den.

 

Ich habe vor einem Monat gesagt: Ich werde die poli­tis­che Ver­ant­wor­tung für das Ver­hand­lungsergeb­nis übernehmen und für das Ergeb­nis wer­ben. Entschei­den müssen wir es zusam­men.

Ich weiß: Ihr werdet die richtige Entschei­dung tre­f­fen.

 

Glück auf!