Begrüßungsrede bei der Veranstaltung die im Rahmen des Newroz-Festes in der Landtagsfraktion am 25. März 2013
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe kurdische Freunde,
liebe Genossinnen und Genossen!
Auch wenn ein Blick aus dem Fenster uns eines Besseren belehren will, wir feiern hier und heute ein Frühlingsfest.
Lassen Sie mich am Beginn etwas zum Anliegen des Newroz-Festes sagen, was natürlich vor allem als Bildungsabschnitt für die deutschen Kolleginnen und Kollegen gedacht ist.
Das Newroz-Fest (auch Nouruz ) ist der Name des altiranischen Neujahrs- und Frühlingsfestes, das am 20. oder am 21. März vor allem im indo-iranischen Kulturraum gefeiert wird und das auf den kalendarischen Frühlingsanfang fällt, die sogenannte Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche.
Da wir gerade bei Namen sind, bitte ich schon jetzt um Entschuldigung für nicht ganz korrekte Namensnennungen oder eine falsche Betonung.
Wörtlich übersetzt heißt Newroz/Nouruz ‚Neuer Tag‘, was vom indoeuropäischen *Leuk- abstammt, woraus das russische Luç, unser deutsches Licht, das griechische Leukós oder das lateinische Lux entstanden sind. Gemeint war wohl der „Tag des neuen Lichtes“.
Das deutet darauf hin, dass dies ein sehr, sehr alter Feiertag ist, bzw. die Menschen dieses Tages seit sehr langer Zeit gedenken.
Gestatten Sie mir deshalb einen kurzen historischen Rückblick:
Bereits seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. markiert die „Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche“ den offiziellen Jahresbeginn, der mit großen Festen begangen wurde.
In den Ländern Iran, Tadschikistan und Afghanistan wird dieser Zeitpunkt bis heute von Astronomen auf die Stunde und Minute genau berechnet.
Mit dem Aufkommen nationaler Bewegungen im 20. Jahrhundert im Gefolge des Kolonialismus erhielt das Fest bei den Kurden eine stärkere politische Bedeutung.
Sie feiern das Neujahr am 21. März als Symbol des in der Mythologie überlieferten erfolgreichen Widerstandes gegen Unterdrückung.
Der Kern der Legenden ranken sich um die Taten des Tyrannen Dehok (auch: Zohak, Dahak) und seines Bezwingers, den Schmied Kawa (Kaveh).
Gemeinsam mit der Bevölkerung zog Kawa los und erschlug Dehok. Sein Tod machte der Tyrannei ein Ende. Aus der Freude, die harte Zeit der Unterdrückung überstanden zu haben, entfachten die Menschen ein Feuer, das die Nachricht im ganzen Land verbreitete: Das Newroz-Fest war geboren.
Das alles hat sich der Überlieferung nach im Jahr 612 v. Chr. zugetragen. Historisch korrespondiert dieses Jahr mit dem Sieg der Meder über die Assyrer bei Ninive.
Wir feiern heute also den 2625 Jahresstag dieses denkwürdigen Ereignisses.
Soweit zu Mythologie und Geschichte. Zurück in die Wirklichkeit:
Seit dem letzten Jahrhundert hat sich Newroz weit über den Iran, die Türkei, den Irak, Syrien und Zentralasien verbreitet.
So ist Newroz offizieller Feiertag im Nord-Irak (Autonome Region Kurdistan), im Iran, in Aserbaidschan, in Afghanistan, in Kasachstan, in Kirgisistan, teilweise und inoffiziell in Pakistan, in Syrien, in Tadschikistan, in Turkmenistan, in der Türkei, in Usbekistan, in Georgien und in Indien.
Gefeiert wird Newroz auch bei den verbliebenen osmanisch-türkischen Bevölkerungsgruppen im südosteuropäischen Raum, auf dem Balkan, wie in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Moldawien, Mazedonien und Rumänien.
Newroz genießt also nicht nur beim kurdischen Volk eine sehr hohe Bedeutung.
Die UN-Generalversammlung stellte in einer ihrer Erklärung fest, dass „Newroz ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Millionen Menschen seit mehr als 3000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird“.
Deshalb hatte die UNESCO 2009 den Newroz-Tag in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen.
Seit 2010 ist Newroz auf Beschluss der 64. Generalversammlung der Vereinten Nationen als internationaler Newroz-Tag anerkannt.
Da sage noch einer in unserem Haus, wir würden nationalistische und extremistische Ansichten unterstützen.
Durch den Neubeginn des Jahreszyklus in der Natur und das Ende der dunklen Jahreszeit steht Newroz symbolisch auch für eine geistige Erneuerung. Das ist auch nach 2625 Jahren so.
Ich denke da an die vom immer noch inhaftierten Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, in einer Newroz-Botschaft ausgerufene Waffenruhe, um den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt um die kurdische Autonomie politisch zu lösen und die Tür zu einem demokratischen Prozess aufzustoßen.
Öcalan zur vereinbarten Waffenruhe wörtlich — zumindest in der Übersetzung: „Das ist nicht das Ende, das ist der Beginn einer neuen Ära.“
Die vor wenigen Monaten noch unerwartete Wende ist möglich geworden durch einen politischen Schwenk vom türkischen Ministerpräsidenten Erdo(g)an.
Dieser hat sich – fürs Erste zumindest – von der militärischen Lösung der Kurdenfrage und nationalistischer Rhetorik verabschiedet. Seine Partei unternimmt den dritten Versuch einer politischen Lösung in fünf Jahren – hoffentlich nun ohne Zittern und Versagen.
Denn Erdo(g)an hat ein taktisches Interesse an der Sache. Er braucht die kurdischen Politiker, weil er mit den Türken im Parlament nicht vorankommt.
Der türkische Premier will und muss die Verfassung ändern, um sein politisches Überleben über diese Legislaturperiode bis 2015 hinaus zu sichern. Als Premier kann er nicht wiedergewählt werden. Deshalb will er nun Präsident werden, mit mehr, viel mehr Macht als der derzeitige.
Im Gegenzug soll die neue Verfassung dem kurdischen Volk in der Türkei umfassende Autonomie gewähren. Kulturell, ja und auch politisch.
Die Kurden möchten, dass ihre gewählten Bürgermeister wirkliche Macht haben und nicht mehr von einem in Ankara entsandten Gouverneur geschurigelt werden.
Sie möchten Lokalparlamente wählen und über ihr Leben stärker selbst bestimmen.
Natürlich laufen die türkischen Nationalisten Sturm gegen diese unerwartete Allianz.
Die erste Frage ist, ob Abdullah Öcalan und die BDP so viel Einfluss haben, wirklich alle kurdischen bewaffneten Gruppen zum Frieden zu bewegen.
Die zweite Frage ist, wie ernst es Premier Erdo(g)an meint. Schon in der Vergangenheit hatte er in der Kurdenfrage Opportunismus und Wankelmut an den Tag gelegt.
Steigt er aus der pro-kurdischen Politik aus? Oder meint er es diesmal ehrlich mit den Kurden?
Alles hängt an Erdo(g)an. Erdo(g)an hat es in der Hand, die Region zu befrieden.
Liebe Anwesende,
verlassen wir die große Politik und wenden wir uns zunächst dem heutigen Thema unserer Podiumsdiskussion zu.
Ich danke allen Referentinnen und Referenten, die unserer Einladung folgten.
Ich wünsche uns allen eine spannende Diskussion zur kurdischen Kultur in (Ost−)Deutschland und im Anschluss bei kurdischen Spezialitäten gute Gespräche zu allen interessanten Themen.
Vielleicht auch zu Fragen der großen Politik…