Rede 9. Landesparteitag der LINKEN Sachsen am 31. August 2013
- es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Genossinnen und Genossen,
werte Gäste,
stellt euch mal vor, es findet am Rande dieses Parteitages eine anonymisierte Meinungsumfrage unter den Delegierten statt, mit der Zusage, dass das Ergebnis garantiert unter Verschluss gehalten wird.
Die Umfrage besteht aus zwei Fragen:
1. Glaubst du, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt?
Ja, Nein oder Weiß nicht.
2. Glaubst du, dass Stanislaw Tillich Ende 2014 noch Ministerpräsident sein wird?
Auch hier ankreuzbar: Ja, Nein oder Weiß nicht.
Nun stellt euch mal vor, genau die gleiche Befragung gibt es bei Landesparteitagen von SPD und GRÜNEN, die wir mal in unserer Phantasie zufälligerweise zeitgleich heute stattfinden lassen. Also alles ganz fiktiv.
Ich vermute mal, was vermutlich mehr oder weniger alle hier im Raum vermuten: Bei allen drei Parteien hätten die allermeisten Befragten beide Male mit „Ja“ geantwortet.
Wohlgemerkt: Die Frage hieß: Glaubst du?
Sie lautet nicht: Hoffst du?
Denn selbstverständlich hoffen wir zusammen mit SPD und GRÜNEN, dass Frau Merkel und Herr Tillich nach den kommenden Bundestags- und Landtagswahlen von der Wählerschaft neue berufliche Herausforderungen in der Opposition zugewiesen bekommen. Diese Hoffnung hat Rot-Rot-Grün gemeinsam.
Aber noch fehlt der Glaube dafür – in allen drei Parteien auf Landes- und Bundesebene.
Warum ist das so?
Jetzt sage keiner: Weil es Linke sowieso nicht so mit dem Glauben haben. Denn nicht zu glauben, aber zu hoffen wäre dann ja noch weniger links. Wieso soll ich aber auf etwas hoffen, an dessen Realisierbarkeit ich nicht glaube? Das wäre dann so etwas wie der Mut der Verzweiflung – aber die Zeiten, dass wir uns als LINKE am Rande der Verzweiflung befunden haben, sind lange vorbei.
Auch deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, weil in der Doppelspitze der Bundespartei jetzt eine Parteivorsitzende aus Sachsen ist, die ganz und gar glaub-würdig ist und gemeinsam mit ihrem Ko-Vorsitzenden einen richtig guten Job macht – Dafür sage ich, sagen wir: Danke, Katja und wünschen Dir gerade in den bevorstehenden heißen Wahlkampfwochen so viel Überzeugungskraft wie bisher – mach weiter so!
Wir haben glaub-würdige Parteivorsitzende und wir haben Gregor Gysi – laut „Welt“ – Zitat – „der Mann, dem die Deutschen vertrauen“.
Nebenbei: Um festzustellen, dass die Leute in einer bedrohlichen Situation ihr Leben lieber Gregor Gysi als Rainer Brüder anvertrauen, hätte man nicht auf eine Umfrage im Auftrag des „Playboy“ warten müssen … Aber das nur ganz nebenbei …
Wir haben ein glaub-würdiges Team für soziale Gerechtigkeit an der Spitze unseres Bundestagswahlkampfes. Ich freue mich, dass mit Caren Lay Sachsen auch hier gut vertreten ist. Sie steht insbesondere für die klare Aussage: Energiewende geht nur sozial!
Wir haben ein glaub- würdiges Wahlprogramm, dessen Titel alles sagt: „100 Prozent sozial“. Es wurde auf dem Bundesparteitag hier in Dresden beschlossen, nur wenige Meter vom heutigen Veranstaltungsort entfernt. Man sieht also:
Alle großen und guten Dinge nehmen in Sachsen ihren Anfang!
Also – fast alle – wir wollen ja nicht übermütig werden. Aber wenn ich mir unsere wirklich guten und vielgelobten Wahlplakate anschaue, dann lese ich da zum Beispiel: Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro – bei diesem Thema hat sich gerade der Landesverband Sachsen sehr engagiert – und zwar erfolgreich, wie man nun überall auch außerhalb Sachsens lesen kann!
Es gibt in der Politik kein Copyright – aber so etwas wie Schöpfergeist: Deshalb spricht man ja zum Beispiel von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes.
In diesem Sinne ist „100 Prozent sozial“ auch unser sächsisches Baby – es möge wachsen und gedeihen, zweistellige Prozente bundesweit schaffen und einen Politikwechsel in Deutschland und Sachsen bewirken!
Die Menschen in Sachsen und Deutschland brauchen Mindestrente und Mindestlohn – auch beim gesetzlichen Mindestlohn waren wir als sächsische LINKE von Anfang an mit dabei. Übrigens bereits zu einem Zeitpunkt, als sich die Gewerkschaften mit dieser Idee noch nicht angefreundet hatten.
Man sieht daran: Wer mit uns zusammenarbeitet, kommt selbst voran!
Das gilt übrigens – ganz heißer Tipp für SPD und GRÜNE – auch für das Projekt Rot-Rot-Grün. Gucken wir wieder nach Sachsen und sehen uns die SPD an:
Mal wollte sie als künftiger Juniorpartner der CDU gewählt werden, mal empfahl sie ihre gemeinsame Regierungszeit mit der CDU der WählerInnenschaft.
Das Ergebnis ist bekannt: Jedes Mal zehn Prozent. Mehr wird es für diese Varianten sozialdemokratischer Strategie bei Landtagswahlen in Sachsen auch nicht geben. Das war 1999, 2004 und 2009 so – und das wird 2014 wieder so sein!
Lieber Martin Dulig, ich würde ja gerne weiter mit dir zusammenarbeiten. Aber wenn du es wieder nur auf zehn Prozent bringst, dann wird deine Partei bzw. Fraktion dich wohl kaum lassen. Deshalb fände ich es für die Menschen in Sachsen notwendig, wenn du daraus rechtzeitig die richtigen Schlussfolgerungen ziehst und auf eine andere Karte setzt!
Was Du und die SPD jetzt brauchen, ist Mut, auch mal klare Kante – nicht uns gegenüber, sondern gegenüber der CDU zu zeigen.
Martin, Du kannst doch nicht erklären, die CDU legt Mehltau über das Land, aber gleichzeitig willst Du Dich darunter verkriechen.
Liebe Antje Hermenau, ich finde Steffen Flath auch irgendwie nett.
Nicht nur, weil er wie ich Erzgebirger ist. Aber Steffen Flath hat sich nun mal entschlossen, mit dem Ende der Wahlperiode ins Stadium des Politik-Pensionärs einzutreten, ich kommentiere jetzt mal nicht, wie ich das bewerte. Jedoch hat die von Ihnen anvisierte politische Beziehung jetzt keine Zukunft mehr.
Im Übrigen: Was mit den Grünen passiert, wenn sie der CDU zu nahe kommen, war 1994 in Sachsen zu besichtigen – dann schaffen sie es nicht mal in den Landtag.
Frau Hermenau, probieren Sie doch mal was anderes. Ihr Besuch bei unserer Regionalkonferenz in Bautzen vor ein paar Monaten war vielleicht schon ein interessantes Vorspiel. Daraus könnte sich doch etwas Ernsteres ergeben, wenn wir es denn gemeinsam nur wollen …
Liebe Genossinnen und Genossen,
Komme mir jetzt keiner und sage: An den jüngsten Meinungsumfragen sieht man doch, dass Rot-Rot-Grün schon rein rechnerisch keine Chance in Sachsen hat. Ich nehme das Ergebnis der Umfrage sehr ernst – als schlaglichtartige Momentaufnahme und Ansporn, den Demoskopen zu beweisen, dass wir Klassen besser sind als ihre Prognosen!
Wie dieser Ansporn wirkt, sehen wir derzeit: an von Woche zu Woche steigenden Umfragewerten für DIE LINKE in Ostdeutschland und Deutschland insgesamt, in denen natürlich auch ein steigender Sachsen-Anteil drin ist.
Tut bitte alles dafür, dass das so weitergeht! – Vor allem: Dass am Ende ein Wahlergebnis für DIE LINKE bei der Bundestagswahl steht, das Deutschland sozialer macht – wenn schon nicht gleich 100 Prozent, dann wenigstens im zweistelligen Prozentbereich!
Das gibt uns dann auch den notwendigen Rückenwind für das Wahljahr 2014 in Sachsen!
Ich glaube daran, dass Rot-Rot-Grün möglich ist. In Sachsen noch mehr als im Bund. Weil wir uns über die Rahmenbedingungen für vernünftige Polizeieinsätze in Dresden vermutlich leichter einig werden als über den Umgang mit der Bundeswehr in aller Welt.
Mit den LINKEN führt man keine Kriege.
Man muss doch kein radikaler Pazifist sein, um ganz rational feststellen zu können: Mit der Bundeswehr am Hindukusch wurde das Leben weder in Afghanistan noch in Europa sicherer gemacht!. Mit militärischer Krisenintervention wurden neue Krisen geschürt – diese Politik ist auf schreckliche Weise und auf ganzer Linie gescheitert!
Zu den furchtbaren Folgen dieser Politik gehören auch die toten und verletzten Soldaten aus Sachsen – junge hoffnungsfrohe Menschen, denen die Bundeswehr ein scheinbar attraktives Arbeitsplatzangebot gemacht hatte.
Ich wünsche mir eine neue Bundesregierung, die dafür sorgt, dass auch aus Sachsen künftig niemand mehr sein Leben aufs Spiel setzt in Bundeswehreinsätzen, die letztlich nicht zum Frieden, sondern zu Unfrieden, Leid und Elend in der Welt beitragen!
Das muss aufhören – und deshalb sollten wir uns einen Ruck geben und an eine neue Bundesregierung glauben, ohne CDU und vor allem auch ohne Thomas de Maizière!
Wir werden uns ja morgen früh als Landesparteitag anlässlich des Weltfriedenstages zu einer Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus hier in Dresden treffen. Neben der Erinnerung an den Beginn des bisher schrecklichsten aller Kriege, dem 2. Weltkrieg, steht aktuell das Thema Syrien im Mittelpunkt.
Es geht hier nicht um pazifistische Bekenntnis-Folklore, sondern schlicht um Vernunft und Menschlichkeit. Die syrische Zivilbevölkerung, die unter diesem Bürgerkrieg bisher schon so entsetzlich leidet, braucht keine ausländischen Soldaten und keine Bomben, sondern Diplomaten, Ärzte, Medikamente und Lebensmittel.
Keine einzige Waffe darf mehr über die Grenzen nach Syrien gelangen – zu niemand!
Es ist richtig, dass grausame Verbrechen gegen die Menschheit nicht ungestraft bleiben dürfen. Doch dazu braucht es unabhängige Aufklärung und Gerichte. Aber mit Bombenangriffen von Militärmächten, die ihr kriegerisches Eingreifen der letzten Jahre in dieser Weltregion nachweislich mit Lügen begründeten und begleiteten, entsteht nur neues Elend und neues schweres Unrecht!
Liebe Genossinnen und Genossen,
der Landesvorstand hat euch eine Resolution vorgelegt. Die Zuspitzung der Ereignisse im Nahen Osten steht nun in keinem Verhältnis zu unseren Antragsfristen und Formalien. Ich möchte Euch bitten, dass wir diese Resolution, das wir das “NEIN ZUM KRIEG!” der sächsischen LINKEN nach meiner Rede durch Akklamation ohne große Antragsdebatte bestätigen. Denn, liebe Genossinnen und Genossen, unser “Nein zum Krieg!” ist die einzig angemessene Antwort, die man heute geben muss!
Liebe Genossinnen und Genossen,
ja, ich glaube, nein ich weiß, dass wir besser sind als SPD und Grüne. Selbstverständlich, was denn sonst!
Als SPD und GRÜNE alleine dieses Land regierten,
wurden die Konzerne reicher,
die Arbeitslosen verarmten und
Deutschland wurde erstmals seit 1945 in den Krieg geführt.
Das kommt dabei heraus, wenn die LINKE nicht dabei ist.
Deshalb sage ich: Ohne uns hat eine Neuauflage von Rot-Grün im Bund keinen Sinn. Liebe Genossinnen und Genossen, nur wir sind der Garant dafür, dass Deutschland gerechter und sicherer wird!
Damit bin ich wieder in Sachsen.
Wer demontiert die Polizei? Die CDU!
Wer demoralisiert die Lehrer? Die CDU!
Wer beleidigt Menschen wegen ihrer Lebensform? Die CDU!
Wer vertreibt Tausende Menschen wegen der Kohle und diskriminiert erneuerbare Energien? Die CDU!
Wer kriminalisiert antifaschistischen Widerstand? Die CDU!
Wer investiert weiter lieber in Beton als in Bildung? Die CDU!
Wer belastet Familien und Mittelstand mit einer Flut von Gebühren und Abgaben? Die CDU!
Und wer sollte ab Herbst 2014 nach fast einem Vierteljahrhundert dann wirklich mindestens eine Weile nicht mehr regieren? Die CDU!
Über die FDP zu reden lohnt eigentlich nicht. Ich finde es nur komisch, wenn hochgeschätzte Politikwissenschaftler von einer bürgerlichen schwarz-gelben Koalition in Sachsen reden.
Bürgerlich sieht doch wohl anders aus!
Wer macht den Kirchen am Sonntag Konkurrenz mit einem geradezu verbissenen Kampf um mehr Kommerz? CDU und FDP!
Wer hat das Dresdner Welterbe mit unsensiblem und arrogantem Auftreten für eine Brücke verschleudert? CDU und FDP!
Wer hält Löhne, von denen Menschen leben können, für Teufelszeug und bekriegt den Mindestlohn? CDU und FDP!
Wer beutet Jugendliche mit Praktika bei der Staatsregierung ohne einen Cent aus? CDU und FDP!
Wer hat keinen Plan für die großartige sächsische Kulturlandschaft auch jenseits der großen Metropolen? CDU und FDP!
Und wer soll ab Herbst 2014 in Sachsen nicht mehr regieren? CDU und FDP!
Liebe Genossinnen und Genossen,
das Einzige, was mich von bürgerlichen Tugenden trennt, ist wahrscheinlich die Krawatte, die ich nicht trage.
Wir demokratische Sozialistinnen und Sozialisten wissen:
Das Bürgertum war gegenüber dem Feudalismus ein großer gesellschaftlicher Fortschritt. Und jeder sogenannte bürgerliche Unternehmer, der seine Angestellten ordentlich bezahlt und gut behandelt, ist mit lieber als ein Wettiner-Klan, der sich die Verbrechen seiner Vorfahren noch vergolden lässt!
Der Kapitalismus in seiner entfesselten Form hat auch dem Bürgertum und seinen Werten nicht gut getan. Die Bürgerlichkeit droht zum FDP-Ramschladen zwischen Autowaschstraße und Videothek zu verkommen, Kultur degeneriert zur Hedgefonds-Anteilspflege per Mausklick am Laptop. Wer eine starke Hochkultur und eine souveräne Soziokultur will – der kann etwas dafür tun:
DIE LINKE wählen!
Sachsen ist die Wiege der Arbeiterbewegung gewesen. Sachsen kann zum Ausgangspunkt einer Verständigung zwischen Bürgertum und Arbeiterbewegung über eine solidarische Marktwirtschaft werden.
Der Raubtierkapitalismus hat keine Zukunft – er frisst die sozialen, kulturellen und ökologischen Grundlagen unserer Gesellschaft auf. Diese Erkenntnis eint die Handwerkerin und den Arbeiter, die Landwirtin und den IT-Spezialisten, den Buchhalter und die Kreativwirtschafterin, die Lehrerin und den Polizisten.
Ich bin überzeugt davon, dass der zeitgemäße politische Ausdruck für einen erfolgversprechenden Umgang mit dieser Herausforderung vor Ort ein rot-rot-grünes Bündnis ist. Ich bin deswegen überzeugt davon, weil ich zwar die Unterschiede zwischen den potenziellen PartnerInnen kenne und aufmerksam wahrnehme und sie respektiere.
Aber ich interpretiere sie nicht als Hindernisse, sondern als Ausgangspunkt für den Arbeitsauftrag, für Menschen in Sachsen gemeinsam zu handeln.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir LINKEN haben ja gewisse historische Erfahrungen mit der Planung von gesellschaftlichen Prozessen, mit Wirtschaftsplänen usw.
Früher, einige erinnern sich bestimmt noch, gab es Fünfjahrespläne, davor einen Zweijahresplan, es gab die Staatliche Plankommission und am Ende gab es auch immer Plankorrekturen. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Überraschenderweise wurden die meisten Pläne fast immer erfüllt und übererfüllt – wenigstens auf dem Papier.
Wenn man jetzt die Leute im Land nach der wirtschaftlichen Kompetenz der LINKEN fragt, dann sind unsere Ergebnisse eher mager und das ist noch übertrieben. Das hat viel auch mit unserer Geschichte zu tun und dem, was uns die Menschen zutrauen.
Wenn fast dreiviertel der Menschen hier in Sachsen sagen: „der Sozialismus ist eine gute Sache, die aber schlecht gemacht wurde!“ – dann enthält dieser Satz auch einen sehr, sehr großen Anteil Zweifel, ob all die schönen Gerechtigkeits- und Umverteilungsvorstellungen, die wir in unseren Programmen haben, auch ökonomisch untersetzt sind.
Und diese Fragen werden zu Recht an uns gestellt. Wir sollten für diese Fragen durchaus dankbar sein, denn sie entstehen, weil die Leute uns ernst nehmen. Weil die Menschen sich wünschen, dass ein demokratischer Sozialismus wirklich funktioniert!
Gerade hier in Sachsen schauen die Menschen sehr genau hin,
ob wir glaubwürdig sind,
ob unsere Vorschläge auch umsetzbar,
ob sie finanzierbar – also:
ob sie realistisch sind.
So ist das, ob es uns gefällt oder nicht.
Wir LINKEN, die wir die Partei der sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Sicherheit sind, wir LINKEN müssen auch Stück um Stück zeigen, dass unsere ökonomische Kompetenz nicht geringer ist, als unsere soziale Kompetenz. Nur zusammen gedacht wird es rund.
Bei Spiegel-Online konnte man am Mittwoch diese Woche lesen:
(Zitat): „Rot-Rot-Grün ist die beste Lösung für Europa“
Und weiter konnte man in diesem ‑Artikel lesen: (Zitat)
„Die Linken hingegen verstehen die Krise ökonomisch als eine Krise von Ungleichgewichten. (…)Die Politik der Regierung Merkel hat die Finanzmarktkrise zur Staatsschuldenkrise umgedeutet. Das verkehrt Ursache und Wirkung. (…) Genauso ist es. Es ist eine Krise exzessiver Kapitalströme vom Norden in den Süden, deren abruptes Ende einen ökonomischen Schock auslöste, der in steigenden Haushaltsdefiziten endete. Da haben die Linken wie auch die Grünen völlig Recht. Wer das nicht versteht, wird diese Krise nie lösen.“ (Zitat Ende)
Das stand tatsächlich bei Siegel-Online, ungelogen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich will die Anerkennung unserer ökonomischen Kompetenz nun wirklich nicht von Einschätzungen dieser oder jener Zeitung abhängig machen. Aber ich möchte doch bemerken, dass wir sächsische LINKEN da auch mit Recht ein wenig stolz sein dürfen.
Denn für diese ökonomischen Einschätzungen der Eurokrise ist ja ganz wesentlich Axel Troost mit verantwortlich. Axel hat sich in den wichtigsten Positionen innerhalb der LINKEN durchgesetzt und für ein gerüttelt Maß an volkswirtschaftlicher Kompetenz in unserem Bundestagswahlprogramm gesorgt.
Axel, dafür gebührt Dir nicht nur mein persönlicher Dank, nicht wahr, liebe Genossinnen und Genossen?
Ich komme zur angerissenen Planungsfrage zurück. Dem Landesvorstand war ja bereits am Anfang seiner Wahlperiode bewusst, dass die Bundestagswahl und die inhaltliche Vorbereitung der Landtagswahl zu seinen Arbeitsaufgaben zählen. Und deshalb haben wir bereits im Februar 2012, also vor eineinhalb Jahren, einen Arbeitsplan erstellt, in dem wir auch überlegt haben, wann wir welches Thema setzen und beschließen. Wir hatten schon im Februar 2012 gemeinsam mit den Kreisvorsitzenden beschlossen, heute – zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase – diesen Landesparteitag durchzuführen und die wirtschaftspolitischen Leitlinien abschließend zu behandeln.
Der Landesparteitag heute und morgen ist also nicht nur langfristig geplant – sondern wir haben auch eine doppelte inhaltliche Aufgabe zu erfüllen. Nämlich in Bezug auf die Bundestagswahlen in wenigen Tagen und in Vorbereitung auf die Landtagswahlen in einem Jahr.
Nun ist mir bewusst, dass – wie auch immer wir heute diskutieren und beschließen werden –am Montag nicht schlagartig in den Köpfen der Sachsen ist:
„Mensch, gugge da, DIE LINKE kann auch Wirtschaft!“
Wir wissen, dass der Erwerb von Kompetenzzuschreibungen das Bohren dicker, harter Bretter ist – oder, um ein Bild aus der Welt des Sports zu nehmen, ein Marathonlauf ist.
Aber eines war auch schon 2012 klar: In Zeiten einer europaweiten Krise, die nahezu jedes europäische und viele andere Länder erfasst hat, wird das Thema sozialer Sicherheit für die Leute im Land das wichtigste sein. So ist es auch gekommen, da haben wir Recht behalten. In der schon erwähnten Umfrage die der MDR in Auftrag gegeben hatte wurde das abgefragt. Unter der Chiffre Angst vor Arbeitslosigkeit ist genau dieses Thema als einzig herausragendes benannt worden.
Wohlgemerkt, liebe Genossinnen und Genossen, damit ist nicht gesagt, andere Themen sind nicht wichtig – aber im Wahlkampf müssen wir vor allem über die Fragen sprechen, die die Leute bewegen.
Wenn wir uns da für klüger halten, als diejenigen, die als Wähler/innen die Macht des Urteils haben – dann bekommen WIR das Problem und niemand anderes! Das ist dann nur konsequent.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir werden auf diesem Parteitag darüber beraten, auf welcher wirtschaftlichen Grundlage wir über soziale Gerechtigkeit, über soziale Sicherheit, über gute Arbeit, guten Lohn und gute Rente sprechen. Wir werden deshalb auch über das Steuerkonzept der LINKEN sprechen – denn das entscheidet über die Finanzierbarkeit all dessen, was diese Gesellschaft dringend braucht, um nicht weiter auseinanderzufallen!
Wir werden darüber beraten, wie wir den vielen klugen Köpfen auch hier in Sachsen die Möglichkeit zum Bleiben bieten können. Da gehört ganz zentral dazu, wie wir dem Niedriglohnland Sachsen endlich ein Ende bereiten.
Es ist eine Schande, dass in Sachsen noch niedrigere Industrielöhne gezahlt werden als sogar im ostdeutschen Durchschnitt!
Und: Es ist eine große Dummheit! Denn jeder weiß ja wohl inzwischen, dass allein hier im Freistaat Sachsen im Schnitt 30 000 Menschen pro Jahr mehr aus dem Arbeitsleben ausscheiden als hinzukommen. Die perfide Hoffnung, dass sich dadurch das Arbeitslosigkeitsproblem quasi biologisch löst, die können wir vergessen – das ist klar. Aber etwas anderes wird deutlich in den Vordergrund treten. Nämlich der sogenannte Fachkräftemangel!
Und da übersetze ich das mal in die Sprache und das Denken der Marktradikalen: Wenn eine Ware knapper wird, wird sie teurer!
Kurz: Wenn wir nicht sofort beginnen, den Zustand Sachsens als deutsches Niedrigstlohnland zu beenden, dann werden die ökonomischen Folgen verheerend sein.
Denn das Gold, das Öl, das Erz – kurz: der Reichtum dieses Landes, das sind die Ideen, die Fähigkeiten – die Köpfe und Hände der Menschen hier. Und die sind mehr Geld wert, als sie derzeitig im Durchschnitt bekommen!
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir wollen ja vor allem über unsere Vorschläge eine Debatte führen, deswegen will ich noch mal einige Postionen zum Thema Wirtschaftpolitik in Sachsen bekräftigen, die ich für wichtig halte:
(1) Sachsen braucht eine Strukturentwicklungspolitik, die die Besonderheiten der Regionen berücksichtigt. Die Organisation regionaler Wachstumskerne ist angesagt. Keine Region und die in ihr lebenden Menschen dürfen abgehängt bzw. als reines „Wolferwartungsland“ deklariert werden.
(2) Geld allein reicht nicht. Potenziale müssen vor Ort gestärkt und gebündelt werden, deshalb setzen wir auf die Einführung von Regionalbudgets.
(3) Ziel ist die Entwicklung von „Sachsen-Marken“, um eine eigenständige, selbsttragende Wirtschaft zu etablieren. Die Förderung von Unternehmen mit hiesigem Firmensitz sowie eigenständigen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen muss Priorität haben.
(4) Nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen alleine, sondern die zu erbringende Wertschöpfung muss Fördermaßstab sein – auch um niedrige Produktivität und Niedriglohn zu überwinden.
(5) Dem Bedarf an jungen hochqualifizierten Fachkräften, die ihrerseits nach beruflicher Abwechslung suchen, könnte ein Flexibilitätszuschlag für Interims-Jobs entsprechen. Zurzeit bekommen Ingenieure in Leiharbeit durchschnittlich mehr als 20 Prozent weniger als Ingenieure in Stammbelegschaften. Wer bereit ist, Interims-Aufträge zu übernehmen, sollte als Ausgleich für größere Unsicherheit des Arbeitsplatzes mit höherem Lohn belohnt werden.
(6) Die Sächsische Landespolitik muss für eine neue Kultur des Miteinander im Betrieb und zwischen Wirtschafts- und Interessenverbänden sowie Gewerkschaften und Sozialverbänden eintreten – das bedeutet ein Mehr an Wirtschaftsdemokratie, betrieblicher Mitbestimmung und mehr Betriebsräte in Unternehmen des Landes. Miteinander funktioniert nur, wo es Partner gibt. Denn Veränderungen in der Arbeitswelt gelingen am wirtschaftlichsten und sozial verträglichsten im Konsens.
(7) Innovation und Kommunikation sind Schlüssel für Entwicklung in Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wir brauchen in Sachsen eine Kultur der Pflege von regionalen Netzwerken.
(8) Wir brauchen im Bereich der öffentlichen Hand ein radikales Umdenken was die Bezahlung von Aufträgen gegenüber Handwerkern und Unternehmen betrifft. Die beste Wirtschaftsförderung ist pünktliche – wenn möglich vorfristige Zahlungen von Rechnungen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
an diesem Wochenende werden wir einen neuen Landesvorstand wählen.
Was ich mir wünsche, ist ein fairer und offener Umgang miteinander, dann sind alle politischen Differenzen und Unterschiede kein Problem.
Um nicht falsch verstanden zu werden:
Ganz überwiegend haben wir diese Kultur des offenen, fairen und redlichen Meinungsstreits bereits im Landesverband Sachsen. Die Debatte zur sächsischen Verfassungsänderung hat es auch sehr anschaulich gezeigt. Aber wir können uns darauf nicht ausruhen, denn insbesondere in Vorbereitung der Landtagswahlen werden wir noch die eine oder andere Debatte führen müssen, wie wir DIE LINKE. Sachsen möglichst erfolgreich aufstellen, das meine ich nicht nur personell, sondern auch inhaltlich.
Ich weiß, einige Genossen und Genossinnen stöhnen bereits auf, wenn das Wort „Leitlinie“ genannt wird – und ich verstehe das auch.
Wir muten uns gegenseitig richtig viel zu, das ist harte Arbeit, die wir gemeinsam in den letzten zwei Jahren geleistet haben. Nicht nur hier auf den Parteitagen und Gremien, sondern in so vielen Ortsverbänden, Basisgruppen, Zusammenschlüssen usw.
Es ist eine harte, inhaltliche Arbeit und es ist eine notwendige Arbeit. Und dass wir dabei schon so weit gekommen sind, dafür möchte ich uns allen danken.
Nicht nur denen, die die Grundlage für unsere Diskussionen erarbeitet haben, sondern auch all denen, die diese Grundlagen genutzt haben und darüber diskutiert, gestritten und Veränderungsvorschläge vorlegen haben.
Warum machen wir das alles? 2004 hatten wir es geschafft, ein Angebot für die Menschen hier in Sachsen zu unterbreiten, dass inhaltlich, personell und methodisch stimmig war! Mit ALEKSA hatten wir – ja, ich sage es nochmal, hatten wir einen PLAN für dieses Land Sachsen und man hat uns dafür erst genommen.
Wenn wir wieder das Niveau an Überzeugungskraft für die Menschen in Sachsen erreichen wollen, die wir damals, vor fast zehn Jahren hatten, dann ist der Weg, den wir derzeitig beschreiten, notwendig und entspricht meiner Meinung auch den Anforderungen an eine moderne, lebendige Partei.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wer sich auf der Internetseite unserer Partei die Aussagen zu Personen und Inhalten bei der Bundestagswahl anschaut, findet als Markenzeichen von Gregor Gysi dies: „Motor für den Politikwechsel“
Genau dies, liebe Genossinnen und Genossen, sollten wir uns in Sachsen und bundesweit zum Vorbild nehmen:
Wir wollen Motor für den Politikwechsel sein!
Und wir können das auch – ohne uns wäre das Friseurhandwerk nicht auf dem schrittweisen Weg zum Mindestlohn, und andere auch.
Wir bewegen was – wir müssen uns allerdings das Selbstbewusstsein gönnen, an uns selbst und unsere Ziele zu glauben!
Damit wären wir auch für SPD und Grünen ein gutes Vorbild.
Wir sagen, was wir wollen.
Es geht nicht um Revolution.
Sondern um das Teilen von Reichtum,
die praktische Überwindung der sozialen Spaltung der Gesellschaft und eine friedlichere Welt durch zivile Konfliktlösung.
Das ist der Markenkern der LINKEN, und das kann zugleich der Konsens einer rot-rot-grünen Mehrheit im Bund sein!
Und auf diesem Weg werden wir erfolgreich sein:
100 Prozent sozial, jeden Tag an jedem Ort!
Glück auf!