Pressekonferenz zur Bekanntgabe meiner Kandidatur als Spitzenkandidat zu den Landtagswahlen 2014

PK Spitzenkandidatur 3 Nach der Wahl ist vor der Wahl – heißt es. Das gilt für uns in Sach­sen nun in beson­der­er Weise: Nach der Bun­destagswahl ist vor der Land­tagswahl. Für uns LINKE kann man auch noch sagen: Nach dem Parteitag ist vor dem Parteitag. Auf dem let­zten Lan­desparteitag in Dres­den wur­den ja u.a. der Lan­desvor­sitzen­der und der Lan­desvor­stand wiedergewählt, auf dem näch­sten Lan­desparteitag in Leipzig am 16. Novem­ber ste­ht unter anderem die Nominierung des Spitzenkan­di­dat­en für die Land­tagswahl 2014 auf dem Pro­gramm.

Als wir uns vor dem Dres­d­ner Parteitag zum Pressege­spräch trafen, wur­den natür­lich bere­its Fra­gen zur Spitzenkan­di­datur gestellt. Damals woll­ten wir vor allem über Inhalte reden, heute aber haben wir ja aus­drück­lich dazu ein­ge­laden, etwas zu per­son­ellen Fra­gen zu sagen. Deshalb erfahren Sie auch jet­zt mehr dazu als im Som­mer auf der Ter­rasse des „Chi­averi“ …

Ich bin ein großer Fan von offen­er Kom­mu­nika­tion und Trans­parenz. Daher habe ich nie einen Hehl daraus gemacht, dass auch bei uns der Lan­desvor­sitzende bei der Auswahl des Spitzenkan­di­dat­en ein Wörtchen mitre­det.

Das kann prak­tisch bedeuten, dass er selb­st Inter­esse an der Spitzenkan­di­datur anmeldet, muss es jedoch nicht.

Wahlparteitage sind ein partei­in­ternes Stim­mungs­barom­e­ter. Beim Lan­desparteitag habe ich spür­bar Stim­men im Ver­gle­ich zu mein­er let­zten Wahl 2010 ver­loren. Da ich nichts von diesem beschöni­gen­den Poli­tik-Schnörkel-Sprech halte, wo man hin­ter­her die Worte auf­dröseln muss, um zu ermit­teln, was eigentlich gesagt wurde – also ich sag’s rund­her­aus:

Fast ein Drit­tel der Parteitags­delegierten haben mich im Som­mer nicht gewählt.

Nun gab es in der Geschichte der Vor­sitzen­den-Wahlen mein­er Partei in Sach­sen seit 1990 schon weitaus schlim­mer­er Resul­tate. Und mir wurde her­nach ein wahres Füll­horn Trost zuteil, partei­in­tern sowieso, aber auch medi­al bis hin zu jen­em Zeitungskom­men­ta­tor, der von ein­er poli­tis­chen „Pyrrhus-Nieder­lage“ schrieb. Wenn ein Pyrrhus-Sieg eigentlich eine Nieder­lage ist, ist eine Pyrrhus-Nieder­lage langfristig ein Sieg. Das zu lesen tut zwar gut, ob man allerd­ings selb­st daran glaubt, ist eine andere Frage.

Nie­mand ist uner­set­zbar.

Man sollte also immer in Rech­nung stellen, dass es andere Leute gibt, die den Job, den man macht, wom­öglich bess­er machen wür­den. In der Poli­tik sollen zwar Eit­elkeit und Egozen­tris­mus ange­blich unverzicht­bare Triebfed­ern des Han­delns sein, aber ich habe vier Kinder, davon drei kleine Zwerge und auch son­st schon bewiesen, dass ich auch außer­halb der Poli­tik tätig sein kann.

Man fragt sich zum Beispiel, ob es nicht eine unver­ant­wort­bare Ver­schwen­dung von Zeit und Energie ist, sich über viele Monate hin­weg des Neolib­er­al­is­mus und ander­er Tod­sün­den bezichti­gen zu lassen, weil man an der ersten Ver­fas­sungsän­derung in Sach­sen seit 21 Jahren mit­gewirkt hat. Mit einem Ergeb­nis, das wie fast alle wirk­lich inter­es­san­ten Dinge zwar umstrit­ten sind, aber eine deut­liche linke Hand­schrift trägt.

Ich will jet­zt gar nicht von diversen skur­rilen partei­in­ter­nen Polemiken gegen unseren Anspruch, „Gestal­tungspartei“ zu sein, sprechen, die so im Laufe der Zeit auf einem niederge­hen. Der Über­gang von der Mei­n­ungs- zur Belei­di­gungs­frei­heit ist da oft genug fließend. Auch das war für mich eine neue kul­turelle Erfahrung.

Ich sage das nicht als Aus­druck von Wehk­la­gen, son­dern Beschrei­bung von Aspek­ten ein­er Sit­u­a­tion, in der man sich über­legt, ob man der Richtige für den Job ist, diese Partei in den Land­tagswahlkampf zu führen.

Das Umfrageergeb­nis von Infrat­est dimap im Vor­feld der Bun­destagswahl, das uns bei 14 Prozent für die Land­tagswahlen 2014 sah, war nicht nur schock­ierend. Es bestärk­te in mir auch die Zweifel daran, ob ich wirk­lich das erste Gesicht der säch­sis­chen LINKEN auf Lan­desebene sein muss.

Ich habe bei meinem Antritt als Frak­tionsvor­sitzen­der gesagt, dass wir nicht länger gegen die Fes­tung CDU anren­nen sollen. Übri­gens auch so eine Aus­sage, die partei­in­tern Wellen geschla­gen hat. Ich habe dafür gewor­ben, einen neuen Stil zu erproben, eine mehr gewitztere, spielerische, gut gelaunte Oppo­si­tion. Wir wollen wieder der Stachel sein, aber wir wollen uns keine Schlacht­en liefern, bei denen sowieso schon von Anfang an fest­ste­ht, wer gewin­nt und wer ver­liert.

Jede Zeit hat ihre Typen. Mein Vorgänger hat ja in sein­er Abschied­srede im Land­tag her­vorge­hoben, er empfinde den Titel „Waden­beißer“ als Kom­pli­ment. Ich habe André Hahns Angriff­s­lust in Unter­suchungsauss­chüssen, aber auch im Land­tagsplenum immer mit großem Respekt zur Ken­nt­nis genom­men.

Das ändert aber nichts daran, dass ich kein Waden­beißer sein will.

Ich will es nicht sein, weil ich es nicht sein kann.

Ich bin ein­fach ein ander­er Typ. Mein Stil-Vor­bild ist ein biss­chen Peter Porsch, auch wenn ich wed­er Pro­fes­sor bin noch wiener­isch kann. Immer­hin erre­icht­en wir mit ihm 2004 das bish­er mit Abstand beste Ergeb­nis bei ein­er Land­tagswahl in Sach­sen, und das zweitbeste übri­gens auch: 1999.

Die 14 Prozent von Infrat­est dimap stell­ten mir natür­lich die Frage: Bist Du tat­säch­lich der Typ, den DIE LINKE jet­zt in Sach­sen an der Spitze braucht?

Zumal es ja wie gesagt nicht wenige in der Partei gibt, die auf diese Frage offen­bar mit einem kräfti­gen „Nein“ antworten.

Ich habe viele Gespräche geführt, und viele Genossin­nen und Genossen haben mit mir das Gespräch gesucht. Der Tenor war immer der­selbe:

Rico, du wirst dich doch wohl nicht von diesem ehrlichen Wahlergeb­nis als Lan­desvor­sitzen­der davon abhal­ten lassen, dich um die Spitzenkan­di­datur zu bewer­ben. So schlecht war das Ergeb­nis doch gar nicht, wenn man bedenkt, was du der Partei im Laufe eines Jahres alles zuge­mutet hast, weil du zu Recht davon aus­ge­gan­gen bist, dass du es ihr zumuten musst.

Nun weiß jed­er, auch ich, dass in so ein­er Zeit vor allem die kom­men, die einen poli­tisch nahe ste­hen oder einem mögen, und nicht die, die einen am lieb­sten auf den Mond schießen wür­den. Insofern müssen die Auf­munterun­gen nicht repräsen­ta­tiv sein.

Im Übri­gen sind wir ja nicht in der SPD, wo man sich in offen­er Abstim­mung als Spitzenkan­di­dat aus­rufen lässt. So was gibt’s bei uns LINKEN nicht – hier dro­hen auch bei der Nominierung des Spitzenkan­di­dat­en ehrliche Ergeb­nisse. 

Mit­tler­weile hat­ten wir eine Bun­destagswahl. Dabei erzielte die säch­sis­che LINKE in Sach­sen im Ver­gle­ich zur LINKEN ins­ge­samt, aber auch im Ver­hält­nis zu den anderen ost­deutschen Lan­desver­bän­den, ein über­durch­schnit­tlich gutes Ergeb­nis. Es ist ja bekan­nt, dass DIE LINKE infolge der schw­eren inter­nen Krisen der let­zten Jahre bun­desweit nicht mehr das Ergeb­nis von 2009 erre­ichen kon­nte. Aber wenn außer Sach­sen nur noch in Berlin die Genossin­nen und Genossen näher dran am Bun­destagswahlergeb­nis von 2009 waren, dann erfüllt uns Sach­sen-LINKE das mit etwas Stolz.

Nicht jed­er, der in sein­er Partei mit 99 Prozent gewählt wird, führt sie anschließend zu Traumergeb­nis­sen. Umgekehrt musste sich ein Peter Porsch schon mal mit 60 Prozent ohne Gegenkan­di­dat­en bei der Wahl zum Lan­desvor­sitzen­den beg­nü­gen und führte die Partei wie gesagt zu den bish­er besten Ergeb­nis­sen.

Wer in der Poli­tik etwas voran­brin­gen will, braucht neben der Bin­nen­per­spek­tive auch die Wahrnehmung für die Befind­lichkeit­en außer­halb der eige­nen Organ­i­sa­tion und gele­gentlich sog­ar die Vogelper­spek­tive, um gewis­ser­maßen von oben auf die Wech­sel­wirkun­gen zwis­chen der eige­nen Partei und die anderen gestal­tenden Kräfte der Gesellschaft schauen zu kön­nen.

Ich glaube, dass ich von dieser Außen- und Vogelper­spek­tive etwas ver­ste­he und daher DIE LINKE in Sach­sen zu neuen Hand­lung­sop­tio­nen führen kann.

Deshalb bewerbe ich mich beim Lan­desparteitag am 16. Novem­ber um die Nominierung als Spitzenkan­di­dat für die Land­tagswahl 2014.

Das habe ich am Fre­itag den Lan­desvor­standsmit­gliedern mit­geteilt. Diese haben darauf in ein­er geschlosse­nen Sitzung – ohne mich – einen ein­stim­mi­gen Beschluss gefasst, dass sie diese Kan­di­datur zus­tim­mend zur Ken­nt­nis nehmen.

Auch wenn ich schon länger rede als Sie es son­st von mir gewohnt sind, möchte ich noch Gedanken äußeren die die Frage beant­worten soll, weshalb und wie wir zur Land­tagswahl antreten und um die Stim­men der Men­schen im Land bit­ten.

Ich ver­ant­worte diese The­sen per­sön­lich, und es wird Ihnen kaum ent­ge­hen, dass sie viel mit meinem poli­tis­chen Stil zu tun haben, von dem ich gesprochen habe.

1. Wir wer­ben um unsere eige­nen poli­tis­chen Botschaften.

Die Men­schen sollen in erster Lin­ie erfahren, was unsere Vorstel­lun­gen für ein besseres Leben sind. Erfahrun­gen in Sach­sen zeigen, dass mit Neg­a­tive-Cam­paign­ing keine Mei­n­ungs­führerschaft zu gewin­nen ist.

2. Wir argu­men­tieren nicht für die Abwahl der CDU, son­dern für die Wahl ihres säch­sis­chen Gegen­pols – DIE LINKE.

Men­schen haben Angst vor dem Ungewis­sen. Darum wird es unsere Auf­gabe sein, ihnen ihre Sor­gen zu nehmen und ihnen — glaub­würdig und nachvol­lziehbar – zu ver­mit­teln, dass es mit uns in der Regierung nicht schlechter, son­dern vieles bess­er wer­den wird.

3. DIE LINKE. ist die poli­tis­che Sozialver­sicherung im Land­tag.

Ohne uns wer­den soziale The­men nur als Randthe­men behan­delt. Wir haben sozialen Visio­nen entwick­elt Wir sind das Orig­i­nal. Wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit und soziale Sicher­heit – ohne Wenn und Aber.

4. DIE LINKE ist anders – der Wahlkampf wird zur Ent­deck­ungsreise.

Wir kön­nen mehr als nur umverteilen, wir kön­nen mehr als das, was oft genug über uns gesagt oder geschrieben wird. Wir wollen z.B. eine starke, inno­v­a­tive säch­sis­che Wirtschaft, die zugle­ich ihre soziale Ver­ant­wor­tung wahrn­immt. Denn nur auf diesem Wege wach­sen säch­sis­che Moti­va­tio­nen, Erfind­ergeist, Mut, Eigenini­tia­tive.

5. DIE LINKE ist fre­undlich – wir mögen Men­schen.

Deshalb spie­len wir nicht den Ober­lehrer und tun so, als gäbe es das ide­ale Leben. Wir glauben auch nicht, dass Men­schen durch Ver­bote und Strafen bess­er wer­den. In dem Land, das uns gefällt, darf man scheit­ern – und neu anfan­gen.

6. Wir sind der Motor des poli­tis­chen Wech­sels in Sach­sen, für langfristige soziale Sicher­heit, Wohl­stand und Per­spek­tive für alle die hier leben.

Uns geht es nicht um uns selb­st – wir sind nicht scharf drauf, den Min­is­ter­präsi­den­ten zu stellen oder uns von der CDU mit einem Teil ihrer Macht ver­sor­gen zu lassen.

Weil wir gesel­lig und real­is­tisch sind, ver­suchen wir den Poli­tik­wech­sel nicht alleine, son­dern wir sind bere­it mit anderen zum gemein­samen Han­deln – auf der Ebene der Parteipoli­tik zuerst mit SPD und GRÜNE.

Wir maßen uns aber nicht an, andere zu ihrem Glück zwin­gen zu wollen.

7. Sach­sen ist rev­o­lu­tionär.

Sach­sen ist tra­di­tionell rev­o­lu­tionär: Sozialver­sicherung, das Prinzip der Nach­haltigkeit, die Arbeit­er­be­we­gung, die ersten Schre­bergärten, das Mut­ter­län­der des Berg­baus, der erste FCKW freie Kühlschrank. Säch­sisch heißt nicht struk­turkon­ser­v­a­tiv. Wie säch­sisch geht und abge­ht, wis­sen nur die, die vor weit­eren friedlichen säch­sis­chen Rev­o­lu­tio­nen keine Angst haben – und das sind wir!

8. Wir wollen einen ständi­gen „Dia­log für Sach­sen“.

Poli­tik in Sach­sen darf nicht länger lang­weilig sein! Wir wollen eine im Wortsinne säch­sis­che Staat­sregierung haben, die so inter­es­sant ist wie die Sach­sen selb­st. Wir wollen 365 Tage im Jahr Kom­mu­nika­tion mit den Bürg­erin­nen und Bürg­ern. Eine Staat­sregierung, an der wir beteiligt wären, hätte nicht das Inter­esse, die Wäh­lerin­nen und Wäh­ler nur ruhig zu stellen, indem sie ver­sichert, ihnen die Ver­ant­wor­tung abzunehmen und alles schon richtig zu machen. Wir wollen wache, kri­tis­che Bürg­erin­nen und Bürg­er!

9. Sach­sen – unser Zuhause für alle, die hier leben – der Wohlfühl-Plan.

Wir haben einen Plan für dieses schöne Land: Dass sich seine Bewohner/innen hier wohlfühlen kön­nen. Alle unsere poli­tis­chen Ziele sind darauf abges­timmt, Rah­menbe­din­gun­gen für ein möglichst angst­freies, sozial ver­wurzeltes und indi­vidu­ell schöpferisches Leben zu schaf­fen.

10. Sich­er sein und klug wer­den!

Vor dem Hin­ter­grund, dass die amtierende Staat­sregierung für Lehrerman­gel und Per­son­al­ab­bau bei der Polizei ste­ht, ist DIE LINKE glaub­hafter Vertreter des Öffentlichen. Das Vorurteil unser­er ver­meintlichen Staats­fix­iertheit wen­det sich bei den Schlüs­selthe­men öffentliche Sicher­heit und Bil­dung für alle zum Guten: Wem, wenn nicht uns, wird zuge­traut, genug Mit­tel für aus­re­ichend Lehrer/innen und Polizist/inn/en zur Ver­fü­gung zu stellen?

11. Europa schmeckt und macht Spaß – Sach­sen haben keine Angst.

Ob Euro oder nicht – die Men­schen aus Sach­sen, Tschechien und Polen kom­men mit drei ver­schiede­nen Währun­gen gut klar und machen gemein­same Sache – in Gasthöfen, Freizeit­bädern, Einkauf­szen­tren oder beim gren­züber­schre­i­t­en­den Wan­dern und Rad­fahren. DIE LINKE ste­ht für eine sol­i­darische Mark­twirtschaft in regionalen Wirtschaft­sräu­men

12. Eine Kom­mune ist für uns der Ort wo man leben, lieben und arbeit­en will.

Städte und Gemein­den sind ein Ort, wo Men­schen sich zuerst begeg­nen. Hier braucht es Raum für Ent­fal­tungsmöglichkeit­en, braucht es Möglichkeit­en für Entwick­lungschan­cen, braucht es Chan­cen zum Aus­pro­bieren. Dafür brauchen die Bürger/innen und ihre Kommunalpolitiker/innen mehr Frei­heit­en – wir sind dazu bere­it, sie ihnen zu geben.

Soweit meine 12 Punk­te, die ich am Sonnabend erst­ma­lig beim Stadt­parteitag der LINKEN in Leipzig öffentlich vorgestellt habe. Es wird sie nicht ver­wun­dern, der Wieder­spruch blieb nicht aus. Aber diese Debat­te will ich jet­zt führen und werde ver­suchen, dass der Tenor für die noch zu erar­bei­t­ende Wahlkampf­s­trate­gie erhal­ten bleibt.

Das ganze Papi­er kön­nen Sie dann bekom­men.

Vie­len Dank!