Bewerbungsrede Spitzenkandidat zu den Landtagswahlen 2014

Liebe Genossin­nen und Genossen,

im Novem­ber 1989 trafen sich Mit­glieder der SED des Kreis­es Aue im Kul­turhaus in der Kaserne in Schnee­berg und wählten ihre Delegierten zum außeror­dentlichen Parteitag der SED, der bekan­ntlich Anfang/Mitte  Dezem­ber in Berlin stat­tfand.

Heute im Novem­ber 2013 tre­f­fen sich Mit­glieder der LINKEN aus Sach­sen in Leipzig, um ihren Spitzenkan­di­dat­en für die Land­tagswahlen 2014 zu nominieren.

Was haben diese bei­den Ereignisse miteinan­der zu tun, werdet ihr euch fra­gen?

Ich habe mich vor 23 Jahren um ein Delegierten­man­dat für den außeror­dentlichen Parteitag bewor­ben.

Ich bin nicht gewählt wor­den.

Ich kann die Genossin­nen und Genossen heute ver­ste­hen, warum sie mich nicht gewählt haben. Ich gehörte damals zu der Gruppe inner­halb der SED, die für eine Auflö­sung der Partei und für eine Neu­grün­dung einge­treten sind.

Heute weiß ich, es wäre der falsche Weg gewe­sen, weil es ein Weg­duck­en vor der Ver­gan­gen­heit wäre.

Mit ein­er Neu­grün­dung hätte man immer sagen kön­nen:

Die Geschichte der SED? Das ist vor­bei, geht mich nichts mehr an.

Man darf sich aber nicht aus sein­er eige­nen Ver­gan­gen­heit stehlen, weil es ohne Ver­gan­gen­heit keine Zukun­ft gibt.

 

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich habe die Partei nicht ver­lassen, als ich nicht gewählt wurde.

Ich habe sie auch nicht ver­lassen, nach­dem der Son­der­parteitag der SED einen anderen Weg beschlossen hat­te, näm­lich sich mit der Ver­gan­gen­heit auseinan­derzuset­zen, dazu gehörte auch die Rede von Michael Schu­mann, am 16. Dezem­ber 1989, in dem er fest­stellte: „Wir brechen unwider­ru­flich mit dem Stal­in­is­mus als Sys­tem.“

Ja, es war ein notwendi­ger Bruch.

Ja, es war ein schwieriger, für viele auch schmer­zlich­er Prozess.

Es war immer auch ein Lern­prozess, in dem wir Mit­glieder der SED ler­nen mussten mit unter­schiedlichen Posi­tio­nen und Ansicht­en klar zu kom­men.

Nichts war mehr so, wie wir es gewohnt waren. Han­deln war vor Ort ange­sagt. Entschei­dun­gen tre­f­fen. Fehler machen. Bestraft dafür hat Dich keine Parteikon­trol­lkom­mis­sion mehr, son­dern wir uns sel­ber: Man wurde abgewählt oder nicht wiedergewählt.

Immer haben wir es aber auch ver­standen, mit unseren Unter­schiedlichkeit­en zu Recht zu kom­men. Außer­halb der PDS, im Kreistag von Aue, habe ich zuerst gel­ernt:

„Ich habe eine Mei­n­ung, aber ich respek­tiere die Mei­n­ung des anderen, auch wenn ich sie nicht teile.“

Wie oft bin ich nach so ein­er Kreistagssitzung nach Hause gegan­gen und habe mich geärg­ert, dass ich schon wieder ver­ant­wortlich gemacht wor­den bin für 40 Jahre SED und Mis­s­wirtschaft. Ich war 27 Jahre, wieso war ich dafür ver­ant­wortlich? Da fiel mir wieder ein, was ich doch im Dezem­ber 1989 gel­ernt hat­te: Zur Zukun­ft gehört die Ver­gan­gen­heit.

Na klar, weil ich nicht wegge­laufen war, musste ich auch Ver­ant­wor­tung für die Ver­gan­gen­heit übernehmen, für Mit­glieder der SED, die wie ich auch Mit­glied der PDS wur­den.

 

Liebe Genossin­nen und Genossen,

bis 1998 habe ich mich ja eher in mein­er beschaulichen Region Aue/Schwarzenberg aufge­hal­ten und war mit der Lan­despoli­tik der PDS max­i­mal durch Lan­desparteitage bekan­nt und durch meinen dama­li­gen Kreisvor­sitzen­den,  Lutz Mahnke, der zeitweilig auch Mit­glied des Lan­desvor­standes war. Seit 1998 auch durch meine Tätigkeit als regionaler Wahlkampfmi­tar­beit­er der PDS für die Bun­destagswahlen 1998 und die Land­tagswahlen 1999.

Somit lernte ich Genossin­nen und Genossen außer­halb meines bish­eri­gen Wirkungskreis­es ken­nen. Volk­er Külow kan­nte ich schon, der hat­te 1994 bei uns als Bun­destags­di­rek­tkan­di­dat kan­di­diert. Klaus Bartl so und so, weil er ein Abge­ord­neten­büro im Alter­na­tiv­en Kul­tur-und Kom­mu­nika­tion­szen­trum Aue hat­te. Durch Ver­e­na Mei­wald lerne ich Ruth Fritzsche ken­nen, und wer Ruth Fritzsche aus Freiberg nicht ken­nt, der ken­nt die LINKE in Sach­sen nicht. Im Vogt­land, wo ich häu­figer unter­wegs war, lernte ich Andrea Roth, Wolf­gang Hinz, Thomas Höll­rich und Karin Höfer ken­nen und schätzen.

In Zwick­au war damals Bernd Mey­er, der heutige Finanzbürg­er­meis­ter der Stadt Zwick­au, ein­er der Haup­tak­teure und Jür­gen Dürrschmidt war der regionale Land­tagsab­ge­ord­nete. Seine Schwest­er machte mir damals das Ange­bot, für sie Wahlkreis­mi­tar­beit­er zu wer­den, ich entsch­ied mich jedoch für Bar­bara Höll und Täve Schur, was die richtige Entschei­dung war, weil meine andere poten­tielle Arbeit­ge­berin ja später zur FDP wech­selte.

Andreas Salzwedel, Angela Schnei­der und Karl-Friedrich Zais waren und sind mir damals wie heute eine wichtige Stütze in poli­tis­chen Fra­gen  gewe­sen.

Dass ich meinen Genossin­nen und Genossen aus dem Kreis Aue, Aue/Schwarzenberg und dem heuti­gen Erzge­birgskreis unwahrschein­lich viel zu ver­danken habe, ist mir heute beson­ders wichtig zu erwäh­nen. Viele von ihnen haben mich auf dem Weg bis heute begleit­et, Hubert Protzel und Klaus Tis­chen­dorf will ich da stel­lvertre­tend danken.

 

Nun habe ich bish­er nur einen Teil von Sach­sen in mein­er Aufzäh­lung berück­sichtig, weil ich ja auch erst ab Anfang 2000 als Lan­des­geschäfts­führer nach Dres­den wech­selte.

Danach habe ich mit ganz vie­len weit­eren Genossin­nen und Genossen aus dem ganzen Land zusam­mengear­beit­et und auch mal gestrit­ten.

Hein­rich aus Hoy­er­swer­da, Andreas aus Meißen, Regi­na aus Schwep­nitz, Bernd aus Nünchritz, Hei­di aus Klein­dehsa, Diet­mar aus Leipzig, Hol­ger aus Bor­na, Michael aus Löb­nitz, Con­ny aus Dres­den, André aus Gohrisch und Peter aus Klin­ga, um nur einige wenige zu nen­nen

Warum erzähl ich euch das ger­ade an so einem Tag, an dem es doch um die Wahlen zum Land­tag geht?

Ich will klar­ma­chen, dass wir immer dann stark sind, wenn wir unsere Unter­schiedlichkeit­en respek­tieren, wenn wir unsere ver­schiede­nen  Posi­tio­nen disku­tieren und dann gemein­sam entschei­den.

Uns hat zu Beginn der PDS stark gemacht, dass wir zusam­men gegen alle anderen ste­hen! Wir gegen die Anderen!

Nur, dass liebe Genossin­nen und Genossen ist vor­bei und kommt auch nicht mehr wieder.

Nicht die Ver­gan­gen­heit ist das, was uns heute eint, weil damit kön­nen die Kat­jas, die Antjes, die Heikes, die Maries, die Julias, die Annes, die Skadis, die Sarahs, die Falks, die Sebas­tians, der Tile, die Fabi­ans, der Schulle, der Jens, die Kevins und die Mar­cos nichts mehr anfan­gen.

Sie eint der Wille, dass es eine bessere Zukun­ft geben kann und dass DIE LINKE die Partei ist, die für sie der Garant ist, dass das möglich und schaff­bar ist.

Sie müssen mit der Ver­gan­gen­heit auch klar kom­men, aber es ist nur eine erzählte, keine erlebte mehr.

Wenn uns dieser kul­turelle Wan­del in unser eige­nen Partei klar wird, dann wird uns klar, vor welch­er gemein­samen, ich sage es noch ein­mal, vor welch­er gemein­samen Ver­ant­wor­tung wir ste­hen. Denn auch dieses Land ste­ht vor einem solchen Wan­del. Immer weniger die Gemein­samkeit aus dem Erlebten der DDR eint die Men­schen, son­dern das Erlebte in der Bun­desre­pub­lik.

 

Liebe Genossin­nen und Genossen

 

wenn ich mir das Wahlergeb­nis der Bun­destagswahlen in Sach­sen anschaue, dann fällt mir auf, dass DIE LINKE aus der hohen Wahlbeteili­gung bei Frauen im jün­geren und mit­tleren Alter keinen Nutzen für das Stim­men-Gesamtergeb­nis ziehen kon­nte. Auch wer erwartete, dass uns ältere Frauen auf­grund der DDR-Sozial­i­sa­tion weit über­durch­schnit­tlich wählen wür­den, sah sich getäuscht. Die Ergeb­nisse liegen zwar etwas über dem Durch­schnitt, aber bei der CDU noch viel mehr.

Frauen haben in Sach­sen ins­ge­samt über­durch­schnit­tlich CDU gewählt und durch­schnit­tlich LINKE.

Ich meine, dass Frauen sehr viel mehr als Män­ner reine Selb­st­darstel­lun­gen und lautes Auftrumpfen ablehnen. Frauen sprechen auch eher auf Ver­hal­tensweisen an, die uneigen­nützige Ein­stel­lun­gen und ide­al­is­tis­che Ziele ver­muten lassen.

 

Es wird mir ja gele­gentlich partei­in­tern emp­fohlen, in der Öffentlichkeit ver­bal rabi­ater und radikaler aufzutreten. Diese Empfehlung kommt übri­gens durch­weg von Män­nern.

Ich glaube, eine „Holzham­mer-Rhetorik“, schreckt Frauen ab. Das müsste uns eigentlich dop­pelt pein­lich sein, denn dies ste­ht im krassen Wider­spruch zum fem­i­nis­tis­chen Anspruch unseres Pro­gramms.

 

Deshalb wün­sche ich mir von diesem Parteitag, der ja in gewiss­er Weise das erste Fun­da­ment für den Land­tagswahlkampf leg­en soll, dass vom ihm nicht dumpfes Feldgeschrei wie vom jüng­sten FDP-Parteitag unter Her­rn Zas­trow aus­ge­ht, son­dern die glaub­würdi­ge Botschaft sozialer Kom­pe­tenz – dazu gehört auch ein entsprechen­der Kom­mu­nika­tion­sstil. Wenn ihr so wollen, sollte er weniger männlich-aggres­siv und mehr weib­lich-ver­söhn­lich sein – das soll­ten sich vor allem wir Män­ner zu Herzen nehmen.

Liebe Genossin­nen und Genossen

dieses Land muss anders regiert wer­den. Es ist reif dafür.

Ich bin bere­it, Ver­ant­wor­tung für einen Poli­tik­wech­sel in Sach­sen zu übernehmen.

Ich will sie aber mit euch allen übernehmen, unab­hängig ob ihr mit jed­er Zeile mein­er Gedanken oder Über­legun­gen übere­in­stimmt. Das Kom­ma tren­nt uns nicht, son­dern ist das satzverbindende Ele­ment.

Nun lasst uns das Selb­st­be­wusst­sein ausstrahlen, das wir uns gemein­sam ver­di­ent haben. Zweifel sind gut und machen klug – aber Schüchtern­heit ist fehl am Platz!

Wir haben die richti­gen The­men.

Wir arbeit­en an der  richti­gen Strate­gie, und

wir haben das bessere Per­son­al als die Anderen.

Wir sind die Her­aus­forder­er der CDU.

Wir sind die poli­tis­che Sozialver­sicherung im Land.

Wir kämpfen um jede Stimme für DIE LINKE, weil nur wir die Garantie dafür sind, dass die CDU nach 24 Jahren in die Oppo­si­tion geschickt wird, wenn es eine demokratis­che Mehrheit gegen sie gibt.

Wir haben ein Ange­bot an SPD und Grüne aus­ge­sprochen, ob sie es annehmen oder nicht, entschei­den nicht wir.

Aber: Nur mit uns wird es den notwendi­gen Poli­tik­wech­sel geben, für langfristige soziale Sicher­heit, Wohl­stand und Per­spek­tive für alle, die hier leben.

Ich bin bere­it, gemein­sam mit euch für die angestrebten Ziele zu kämpfen.  Wenn ich was beginne, dann kön­nt ihr von mir vollen Ein­satz erwarten; und wer mich ken­nt, weiß, dass ich dies auch leis­ten kann.

Also pack­en wir‘s zusam­men an. Ich brauche keine beson­dere Bein­frei­heit, denn ich bin ein Team­spiel­er.

Sach­sen war rot, und Sach­sen wird rot – das schwarze Zwis­chen­spiel neigt sich dem Ende zu.

Ich ver­traue auf Eure Lust, die säch­sis­chen Ver­hält­nisse zum Tanzen zu brin­gen. Und ich bitte um euer Ver­trauen.

Gemein­sam wer­den wir Sach­sen bewe­gen – wenn ihr wollt, geht es jet­zt los.

-  Glück Auf!