Landesparteitagsrede vom 16. November 2013 – Leipzig
Liebe Genossinnen und Genossen,
sehr geehrte Gäste unseres Landesparteitages,
lieber Genosse Bubenicek, vielen Dank für deine freundlichen Worte.
Nach den Wahlen ist vor den Wahlen, deswegen hatten wir das Landtags-Wahlergebnis 2009 intensiv ausgewertet und die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen — was uns jetzt, weniger als ein Jahr vor der nächsten Wahl, zugutekommt. Denn seitdem haben wir zusammen kontinuierlich an der Schärfung unseres politischen Profils gearbeitet. Mit Blick auf meine eigenen anderthalb Jahrzehnte Verantwortung in unserem Landesverband kann ich feststellen, dass wir noch nie so dauerhaft, so umfassend und mit so viel Beteiligung an unserem inhaltlichen Profil gearbeitet haben. Diese Arbeit an unseren Inhalten hat ja immer auch im unmittelbaren Zusammenhang zu unserer strategischen Aufstellung gestanden. Es ist kein Landesparteitag in den letzten Jahren vergangen, auf dem wir nicht über unsere Strategie, wie wir dieses Land Sachsen zum Besseren verändern, diskutiert hätten und auch die notwendigen Verabredungen bzw. Beschlüsse dazu gefasst haben.
Lasst mich noch einmal aufführen, zu welchen Politikfeldern wir unsere Positionen stärker profiliert haben:
die Energiepolitik,
die Sozialpolitik,
die Bildungspolitik,
die Wirtschaftspolitik,
die Sucht- und Drogenpolitik,
mit dem heutigen Tag dann auch die Europapolitik und die Kommunalpolitik.
Noch nicht abgeschlossen ist die Debatte zur Demokratieentwicklung in Sachsen und unsere Vorstellungen zur Kulturpolitik.
Das, liebe Genossinnen und Genossen, war eine Mammutaufgabe.
Eine Aufgabe, an der nicht nur die zahlreichen Genossinnen und Genossen in den jeweiligen Arbeitsgruppen ihren Anteil haben, sondern auch unsere Leute in der Grundsatzkommission, im Jugendverband, in den landesweiten Zusammenschlüssen, im Landesrat und in der Landtagsfraktion.
Dazu noch ‑zig Antragstellerinnen und – als absolut wichtiges Kettenglied, die Tausenden Genossinnen und Genossen, die in ihren Ortsverbänden, ihren Basisorganisationen diskutierten und ihre Meinung zu diesen Papieren ausformulierten.
Ja, liebe Genossinnen und Genossen, ich bin doch ziemlich stolz darauf, was wir gemeinsam, als Landesverband geleistet haben.
So können wir jetzt die weiteren Aufgaben auf einem guten Fundament angehen und das Wahlprogramm für die Landtagswahlen 2014 erarbeiten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
lasst mich konkret werden. Wo steht Sachsen im Hinblick auf die für uns wichtigste Frage, nämlich die sozialen Probleme? In den Sozialpolitischen Leitlinien haben wir dazu gründlich analysiert:
„Sachsen gehört zu den Bundesländern mit den niedrigsten sozialen Standards.“
Anspruch und Wirklichkeit, erfolgreichstes neues Bundesland sein zu wollen, klaffen weit auseinander. Die 1990 vergleichsweise günstigen Voraussetzungen wurden durch die von der CDU dominierte Regierungspolitik weitgehend verspielt. Seit mindestens zehn Jahren stagniert der Annäherungsprozess an das Lebensniveau der alten Bundesländer; bei den Arbeitseinkommen geht die Schere zu Ungunsten Sachsens wieder auseinander. Auch innerhalb des Freistaates sind die Einkommensunterschiede deutlich gewachsen. In der Summe sozialer Standards der neuen Bundesländer ist Sachsen inzwischen hinter Thüringen und Brandenburg zurückgefallen; der einst beträchtliche Vorsprung zu Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hat sich verringert. Dazu führten unter anderem massive Haushaltskürzungen im Sozialbereich trotz relativ günstiger finanzieller Gesamtlage sowie vorrangige Förderung des Niedriglohnsektors als angeblichen Standortvorteil.
Es ist eine Schande für unser Land,
dass wir hier die mit Abstand niedrigsten Industriearbeiterlöhne in Deutschland haben.
Es ist eine Schande für unser Land,
dass Sachsen heute das Bundesland mit der höchsten Quote von Hartz-IV-Aufstockenden ist.
Es ist eine Schande für unser Land,
dass wir in Sachsen die längste Dauer von Erwerbsarbeitslosigkeit haben.
Es ist eine Schande für unser Land,
dass es in Sachsen den niedrigsten Betreuungsanteil der 0 bis 3‑Jährigen in Kindertageseinrichtungen in den r neuen Bundesländern gibt.
Es ist eine Schande für unser Land,
den höchsten Anteil an Schülerinnen und Schülern in Förderschulen und den niedrigsten Eingliederungssätzen für Menschen mit Beeinträchtigung in ganz Deutschland zu haben.
Leider müssen wir feststellen, dass der Anteil von Armut betroffener Menschen in Sachsen zugenommen hat — und er wächst weiter.
Im Freistaat liegt die Armutsquote bei einem Fünftel der Gesamtbevölkerung und damit beträchtlich über dem Bundesdurchschnitt. Hauptursache für wachsende Verarmung ist die verfehlte Sozialpolitik in Bund und Land in den letzten Jahrzehnten. Mehr als ein Viertel der sächsischen Kinder sind von Armut betroffen, ein Skandal erster Güte, eine Schande für unser Land.
Liebe Genossinnen und Genossen,
gerade in den Jahren der Finanzkrise zeigt der Kapitalismus sein Gesicht, wie es uns seit Karl Marx bekannt ist. Irrsinnig Reiche mit irrsinnigen Vermögen stehen irrsinniger Armut und irrsinnigem Elend gegenüber – weltweit.
Eines muss uns also klar sein: Es ist eine Propagandalüge der Neoliberalen, wenn, kurz gefasst, folgendes gesagt wird: „Steigender Wasserstand hebt alle Schiffe“ oder eben „Geht es den Unternehmen gut, geht es allen gut“. Es ist nicht wahr, und es wird von den Besitzenden auch alles getan, damit das so bleibt.
Deswegen sage ich:
Wir wollen eine starke, innovative sächsische Wirtschaft, die jedoch zugleich ihre soziale Verantwortung wahrnimmt.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir wollen in Sachsen mehr als verlängerte Werkbänke der großen Konzerne. Billiglöhne sind keine gute Strategie für die Landesentwicklung. Wir treten für eine starke mittelständische Wirtschaft ein und pflegen einen guten Draht zu Handwerksbetrieben der Region. Denn nur auf diesem Wege wachsen sächsische Motivationen, Erfindergeist, Mut und Eigeninitiative.
Mit unseren wirtschaftspolitischen Positionen haben wir uns auf dem letzten Parteitag umfassend beschäftigt und dafür auch von Gewerkschaftsseite viel Anerkennung bekommen.
Was also den sogenannten „steigenden Wasserstand“ der wirtschaftlichen Entwicklung betrifft, haben wir als Partei vor allem zwei Aufgaben.
1. Wir unterstützen alle abhängig Beschäftigten in ihrem Kampf um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, dazu arbeiten wir selbstverständlich mit den verschiedenen Gewerkschaften zusammen.
Und
2. Haben wir die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass es gute Bedingungen für modernes, produktives, nachhaltiges verantwortungsvolles und damit am Ende auch bezahlbares und zukunftsfähiges Produzieren hier in Sachsen gibt.
Eine Sozialistin, die die Entwicklung der Ökonomie außer Acht lässt oder ihr eben nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt, hat aus der Geschichte zu wenig gelernt.
Ein Sozialist, der der Auffassung ist, die Ökonomie sei Angelegenheit der UnternehmerIn, der ManagerIn und der AnteilseignerInnen – der hat kapituliert!
Ich sage, wie müssen sowohl die Interessen der Arbeitenden, die Interessen der an den Rand Gedrängten und Ausgegrenzten, die Interessen derer, die nicht die Besitzer der großen DAX-Unternehmen sind, konsequent vertreten
UND
Verantwortung für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung übernehmen.
Zumindest dann, wenn wir uns mit unserem Parteiprogramm, mit unseren Visionen ernst nehmen.
Zumindest dann, wenn wir Glaubwürdigkeit erlangen wollen für unser Bestreben, diese Gesellschaft gerechter zu machen, soziale Sicherheit und sozialen Zusammenhalt zu ermöglichen!
Liebe Genossinnen und Genossen,
Wozu sind wir da – mit unserer Politik? Für das Paradies auf Erden?
Naja, dem gesellschaftlichen Großversuch zur langfristigen Herbeiführung der klassenlosen Harmonie war leider kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Weshalb 1989/90 das Projekt vorfristig verschieden ist.
Sollen wir alle Menschen glücklich machen? Ich denke, ein solcher Anspruch wäre totalitär, weil es keinen Masterplan zur perfekten Beglückung jedes Einzelnen geben kann.
Also habe ich es eine Nummer bescheidener formuliert: Es sollen sich alle Bewohnerinnen und Bewohner Sachsen – unabhängig von sozialer oder geographischer Herkunft – hier wohlfühlen können. Und damit es zwischen diesem Wohlfühlen und einem Wellness-Wochenende keine Verwechslungsgefahr gibt, habe ich mein politisches Wohlfühl-Ziel so beschrieben:
ein möglichst angstfreies,
sozial verwurzeltes und
individuell schöpferisches Leben
sollen die Menschen hier in Sachsen verwirklichen können.
Ich weiß nicht, ob das schon das sprichwörtlich „Leben wie Gott in Frankreich“ ist. Aber das lesenswerte Jugendwahlprogramm unserer sächsischen Linksjugend mit einem eigenen Kapitel zu diesem Thema zeigt ja, dass man auch diese altehrwürdige Redewendung pfiffig weiterentwickeln kann. Dafür braucht man allerdings einen Plan, denn Politik ist keine Fahrt ins Blaue. Deshalb ist das, was ich provokativ „den Wohlfühl-Plan“ nannte, kein Ringelpiez mit Anfassen, sondern radikal linke Realpolitik!
Wozu sind wir da, wenn nicht dafür, dass es sich auf Erden und in Sachsen schöner lebt und liebt? Ohne Mauern der Benachteiligung, barrierefrei in jeder Hinsicht, als inklusive Gesellschaft, in der niemand am Rande stehen bleiben muss. Anders als bei der Eröffnung des ersten Abschnittes des City-Tunnels in Leipzig, wo weder an Rollstuhlfahrer noch Eltern mit Kinderwagen gedacht war – eine Schande und das glatte Gegenteil von dem, wie wir Sachsen haben wollen!
Fürs Leben und Lieben brauchen Menschen Menschen. Wir wissen, was das Wesentliche ist, deshalb steht bei uns das Soziale im Mittelpunkt. Wo das Soziale nicht im Zentrum steht, da herrschen Burnout und Depressionen, da ist Mobbing die asoziale Leitkultur. Das wollen wir doch wohl alle gemeinsam fundamental ändern, oder etwa nicht?
Liebe Genossinnen und Genossen,
Menschen sind in Bewegung, zu allen Zeiten. Übrigens seit über sechzig Jahren auf Kosten der sächsischen Einwohnerstatistik.
Im Jahr 1950 lebten in Sachsen 5,7 Millionen Menschen. Heute sind es gerade mal vier Millionen. Damit ist die sächsische Bevölkerung in einem Ausmaß geschrumpft, das der gesamten derzeitigen Einwohnerschaft des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern entspricht. Zum Vergleich: Deutschland insgesamt ist in derselben Zeit um die dreifache Einwohnerzahl des heutigen Sachsen gewachsen.
Fast die Hälfte des sächsischen Bevölkerungsrückgangs ist seit Ende der DDR und der Wiederherstellung des Freistaates Sachsen zu verzeichnen. In dieser Zeit ist der Altersdurchschnitt der Sächsinnen und Sachsen um etwa 10 Jahre gestiegen, während die durchschnittliche Lebenserwartung nur um zwei Jahre zunahm. Wir sind also vor allem deshalb älter geworden, weil viel weniger Kinder geboren wurden und zugleich viele junge Menschen Sachsen verlassen haben.
An diesem Trend hat die vorübergehende sprunghafte Zunahme der Studierenden nichts grundlegend geändert. Ja, aktuelle Studien heben erhebliche Wanderungsverluste Sachsens auch beim akademischen Nachwuchs hervor. Junge Leute studieren zwar gerne in Sachsen, suchen aber danach schnell das Weite, wegen besserer Berufsperspektiven andernorts.
Wer wie die schwarz-gelbe Koalition in Sachsen mit einer Lohn-Mauer und einer Renten-Mauer auch für künftige Generationen den Standort Sachsen festigen will, trägt also die Verantwortung dafür, dass die Sachsen immer weniger werden. Es ist, wortwörtlich, eine Politik zum Davonlaufen!
So wird die Aufbruchstimmung der neunziger Jahre kaputt gemacht. Viele Menschen fühlen sich ausgegrenzt. Wir wissen: Sachsen braucht neben dem ersten auch einen zweiten, öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für diejenigen, die beim immer härteren Wettbewerb unter die Räder gekommen sind und oft genug gesundheitlich Schaden genommen haben. Auch sie haben einen Anspruch auf gutes Leben mit guter Beschäftigung!
Liebe Genossinnen und Genossen,
ein Land, in dem sich die Alteingesessenen wohl fühlen, strahlt etwas aus, was andere Menschen gerne herkommen lässt. Ich bin leidenschaftlicher gebürtiger Erzgebirger. Keine Sorge, ich werde jetzt nicht sagen: Ich liebe Sachsen. Ich halte es da mit dem früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der einmal sagte: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!“ Und, ich füge hinzu: Und meine Kinder!
Ich mag DIE Sachsen, ich bin gewissermaßen mit Land und den Leuten die hier leben, befreundet. Und deshalb erlaube ich mir – wie unter guten Freunden üblich – ein offenes Wort:
Kaum einer der Asylsuchenden, die zurzeit bei uns ankommen, wollte hierher. Sie wollten Krieg, Hunger oder Verfolgung entkommen, irgendwie nach Europa, und am Ende wurden sie Sachsen zugeteilt. Glaubt denn wirklich jemand, dass sich Menschen aus Syrien, Tschetschenien oder Indien vorstellen konnten, dass ihre Flucht in Chemnitz, Kamenz oder in Schneeberg endet?
Die vielen jungen Leute aus Polen, Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern, die uns mit der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit angeblich mit Arbeitskräften überschwemmen sollten, sind gar nicht erst gekommen. Die meisten von ihnen haben sich nämlich für andere Regionen in Deutschland und Westeuropa entschieden, oder fürs Bleiben in ihrer Heimat!
Mir gefällt das Wort von der Willkommenskultur. Ich wäre auch sofort bereit, 30 Millionen in eine Imagekampagne zu stecken, die tatsächlich zum Ziel hätte, Menschen in Sachsen willkommen zu heißen und hierher einzuladen. Weil wir Zuwanderung brauchen, gerade auch in Sachsen.
Aber eine Willkommenskultur funktioniert nicht als antrainiertes Freundlichkeits-Ritual. Kann sich hier irgendjemand vorstellen, ein Urlaubsquartier zu buchen, wo die Wirtsleute schlechter Laune sind??? Wie soll sich da jemand dafür entscheiden, seinen Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen, wo die Bevölkerung mit sich selbst nicht im Reinen, sondern latent unzufrieden ist?
Entschuldigung, aber in solche Gegenden zieht man nicht, denn der Übergang von Missmut zur Feindseligkeit ist fließend.
Wenn Tausende Menschen auf Einladung von Nazis durch die Straßen ziehen, weil am Rande der Stadt Flüchtlinge in einer Kaserne untergebracht worden sind, beweist das zwar nicht, dass das alle Nazis sind. Aber es beweist auf dramatische Weise:
Diese Bevölkerung fühlt sich nicht wohl, sondern ständig bedroht.
Diese Bevölkerung hat Angst und kann ihre Arme nicht öffnen.
Diese Bevölkerung empfindet sich selbst als entwurzelt – wie als Fremde im eigenen Land – übrigens auch ohne einen einzigen Fremden in der Stadt!
Und ja, daran ist auch die, nicht wirklich vollzogene, Einheit schuld! Weil Menschen, die sich als Menschen 2. Klasse fühlen, anfangen, das zu tun, was wir tatsächlich aus der Geschichte kennen: Sie grenzen sich von noch Schwächeren ab. Angst vor dem sozialen Abstieg oder gar Absturz kann leider auch irrationale Reaktionen hervorrufen.
Damit will ich nicht fragwürdiges Handeln entschuldigen, ich will nur deutlich machen, dass die Regierenden in viel stärkerem Maße Mitschuld an der Situation tragen, als sie es akzeptieren.
Natürlich hat das etwas mit Niedriglöhnen, mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und mit der massenhaften Armut Alleinerziehender zu tun. Das haben die Regierenden zu verantworten, und deswegen bin ich, sind wir der Meinung: Es ist Zeit für einen politischen Wechsel in Sachsen, für langfristige soziale Sicherheit, Wohlstand und Perspektive für alle, die hier leben und leben wollen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
es hat aber auch etwas mit Werten zu tun, die in einem erbärmlichen Zustand sind.
Dieses Land wird seit fast einem Vierteljahrhundert von einer Partei regiert, die das Christentum im Namen führt. Ich habe als Erzgebirger mit dem Christlichen in unserer Kultur kein Problem. Ich bin zwar kein Christ. Ich bin aber auch kein Antichrist, sondern einfach nur ungläubig.
Wobei: Ich glaube an einen einzigen Satz, und der heißt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes. Dieser Satz gilt für die alleinerziehende, erwerbslose Mutter in Schneeberg ebenso wie für die syrische Bürgerkriegsfamilie.
Und er gilt für die Einwohnerschaft in Leipzig-Gohlis ebenso wie für die Gläubigen, die dort eine Moschee bauen wollen. Sie haben dasselbe Recht wie die Katholiken, die ihre Propsteikirche bekommen werden – wir wollen Glaubensfreiheit für alle!
Ja, die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt dann aber auch für Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen, denen das grundgesetzlich verbürgte Streikrecht vorenthalten wird. Oder die ihren Job verlieren, weil sie sich kirchenrechtswidrig verliebt haben. Dort endet für mich die Religionsfreiheit!
Sie endet für mich übrigens auch dort, wo im Namen des Islam versucht wird, Mädchen vom Schwimmunterricht fernzuhalten und patriarchalische Strukturen durchzusetzen, deren schlimmste Auswüchse wir gerade einigermaßen dem Christentum abgewöhnt haben. Auch dort endet für mich die Religionsfreiheit!
Die Basis unseres Zusammenlebens in Sachsen sind weder Bibelzitate noch Koransuren, sondern Artikel 1, Absatz 1 Grundgesetz.
Wer das akzeptiert,
möge nach freien Stücken zum Gebet Richtung Mekka schauen oder
morgens vor dem Frühstück über den Herrnhuter Losungen meditieren.
Er kann Karfreitag den Kreuzweg beten oder tanzen gehen – das zu entscheiden ist nicht Sache des Staates, schon gar nicht in einem mehrheitlich konfessionslosen Land wie Sachsen!
Denn „Sachsen ist revolutionär“ – habe ich in meinen Thesen zum Landtagswahljahr geschrieben. Die Reaktionen aus den eigenen Reihen waren entsprechend umwerfend, von „Besonders chic“ bis „Sofort streichen!“ Vorsorglich hatte ich ein Fragezeichen gesetzt – so wie die Bundespartei auf den Wahlplakaten zur Bundestagswahl. Darunter stand dann kleingedruckt: „Nein, einfach zeitgemäß.“ Was danach aber aufgezählt wurde – zehn Euro Mindestlohn, 1.050 Euro Mindestrente, Mindestsicherung statt Hartz IV, Waffenexporte verbieten – das alles wäre zusammen schon mehr als eine kleine Revolution!
Jetzt übersetze ich mal unseren revolutionären Bundestagswahlkampf, der ja nebenbei bemerkt erfolgreich war, auf Sachsen. Dann kommt dabei beispielsweise ein Vergabegesetz heraus, das öffentliche Aufträge u. a. an die Einhaltung eines Mindestlohns bindet, von dem man leben kann, ohne nach der Arbeit noch zum Amt gehen zu müssen. Verglichen mit der Niedriglohn-Politik der Herren Tillich und Morlok wäre das geradezu revolutionär – tatsächlich ist es einfach nur zeitgemäß!
Der Mindestlohn ist eine originär LINKE Forderung, eines unserer absoluten Alleinstellungsmerkmale. Wir haben schon für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gekämpft, als die Gewerkschaften dafür noch nicht zu haben waren. Wenn heute sogar im Friseurhandwerk, das in Sachsen mit Tariflöhnen unter vier Euro die rote Laterne getragen hat, der Weg in Richtung eines auskömmlichen Mindestlohnes, Schritt für Schritt gegangen wird, beweist das: Wir bewegen das Land, in Sachsen und bundesweit!
Gleichzeitig ist unsere Aufgabe als Gegenpol der CDU in Sachsen, perspektivisch Mehrheiten für vernünftige Politik ohne CDU zu organisieren. So haben wir den Entwurf eines Vergabegesetzes zusammen mit der SPD in den Landtag eingebracht und schließlich auch noch die GRÜNEN mit ins Boot geholt. Dass der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn nun endlich sogar bei Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD auf Bundesebene eine so große Rolle spielt, ist dem gesellschaftlichen Druck zu verdanken, den Sachsens LINKE mit erzeugt hat. Dafür möchte ich allen danken, gerade auch den linken Gewerkschaftern, die sich mit uns seit Jahren für dieses zentrale Thema einer wirklich humanen Arbeitswelt stark gemacht haben!
Wir haben mit 8,50 Euro angefangen, weil das im Niedriglohnland Sachsen bereits ein Fortschritt wäre. Wer ein großes Ziel hat, darf klein anfangen, denn ohne den Mut zum ersten Schritt bleibt das Ziel ein Traum, und für Träumereien werden wir nicht gewählt. Unser Ziel heißt: Gute Löhne für gute Arbeit in einem guten Leben – in jeder Region in Sachsen!
Für die Verwirklichung dieses Zieles gibt es im Freistaat Sachsen ein einfaches Rezept:
1. Bei der Landtagswahl 2014 bleibt die CDU unter 40%.
2. Die FDP geht in die außerparlamentarische Opposition – die Zastrow-Truppe hätte sich das mehr als verdient und
3. DIE LINKE wird so stark, dass keine Regierung unter Beteiligung der CDU mehr zustande kommt.
Das ist unser Wahlziel, dafür kämpfen wir — gemeinsam!
Liebe Genossinnen und Genossen,
entgegen dem Anschein der äußeren Fassade haben Herr Tillich und die CDU Angst – das sieht man schon daran, dass sie seit Monaten hin und her rechnen, welcher Wahltermin die Wahrscheinlichkeit des Machterhalts erhöht.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie ahnen zu Recht, dass Ihre Zeit als Regierungspartei in Sachsen abgelaufen ist. Und das ist auch gut so, da helfen auch keine Wahltermin-Tricksereien mehr auf Kosten der demokratischen Kultur!
Denn der „Mutti-Merkel“-Wahlkampf ist nicht auf „Vati Tillich“ übertragbar. Unabhängig davon, was man von der Bundeskanzlerin hält: Diese Frau hat sich allen großen Krisen gestellt. Sie hat zwar darauf aus unserer Sicht die falschen Antworten gegeben, aber sie war da.
Herr Tillich dagegen ist beim Anflug kleinster Schwierigkeiten nicht mehr zu sehen, er duckt sich weg. Wenn die Gefahr vorüber zu sein scheint, gibt er ein paar Schönwetter-Interviews.
SO ist Sachsens Zukunft nicht zu meistern!
Das wissen unsere Wählerinnen und Wähler selbstverständlich, und deshalb wird die CDU Sachsen im nächsten Jahr ihr rotes Wunder erleben!
Die beiden landespolitischen Schlüsselthemen sind Bildung und öffentliche Sicherheit. Sie sind der Hebel für die Gestaltung des Freistaates, weil bei kaum einem anderen Thema das Land selbst so souverän schalten und walten kann, wie es will. Das hat etwas mit der Kompetenzverteilung in unserem föderalen System zu tun, und ob wir das nun für sinnvoll halten oder nicht, so sieht nun mal unser Handlungsrahmen aus.
Bei beiden Themen sind wir der CDU mehrere Schritte voraus, weil wir unsere Strategie nicht ändern müssen. Wir waren und sind schon immer für die Möglichkeit von jahrgangsübergreifendem Schulunterricht und damit für den Erhalt der Schule in der Fläche. Und dass die CDU bei der inneren Sicherheit spart und damit die öffentliche Sicherheit im Freistaat gefährdet, sagen wir ebenfalls schon seit vielen Jahren.
Bei der Landtagswahl wird nicht über die Abschaffung des Euro entschieden, deshalb brauchen wir in Sachsen auch keine AfD.
Sachsen ist das Bundesland mit der einst längsten EU-Außengrenze – niemand in Deutschland profitiert vom Europa ohne Grenzen so wie Sachsen. Ohne das gemeinsame Europa würden viele Handwerksbetriebe, noch mehr Geschäfte und nicht zuletzt zahlreiche regional bedeutende Freizeiteinrichtungen unserer Bevölkerung nicht bzw. nicht mehr existieren. Dass nun auch die sächsische FDP auf die Karte Europafeindlichkeit setzt, ist erbärmlich! AfD und FDP haben im Parlament des Europalandes Sachsen nichts verloren und die NPD so und so nicht!
Wie sächsisch in Europa geht, werden wir heute mit unseren europapolitischen Leitlinien zeigen. Gestern haben wir als Landespartei eine grenzüberschreitende politische Vereinbarung unterschrieben. Die Landtagsfraktion arbeitet seit 2004 mit linken Fraktionen in Polen und Tschechien in vertraglich geregelter Form zusammen. Wir waren und sind die ersten, die diesen Weg konsequent gegangen sind, auch dies ein linkes Alleinstellungsmerkmal, wobei ich mir im Sinne eines friedlichen und sozialen Europas wünsche, dass uns andere Parteien und Fraktionen dabei nacheiferten!
Abgestimmt wird bei der Landtagswahl auch über Lehrerinnen und Lehrer, über Polizistinnen und Polizisten. Ein Beispiel: Klaus Bartls Tochter geht derzeit in die 12. Klasse und hat einen Sportlehrer, der sage und schreibe 72 Jahre alt ist.
Respekt, vor so viel Fitness!
Aber eine Bildungspolitik, die den Unterrichtsbetrieb immer mehr nur noch durch Rekrutierung von Rentnerinnen und Rentnern und von Lehrkräften, die nicht über die passende Ausbildung verfügen, notdürftig aufrechterhalten kann, gehört abgewählt!
Die sächsische Sicherheitspolitik wiederum ist schlicht ein Sicherheitsrisiko. Es hat ja neben der demokratischen Opposition dankenswerterweise auch die Gewerkschaft der Polizei darauf hingewiesen, dass Leib und Leben der Polizeibediensteten in Sachsen weniger durch Demonstrationen als vielmehr durch einen Alltag gefährdet sind, der von Personalnotstand und veralteter Technik gekennzeichnet ist.
Die vielbeschworene und beunruhigende sogenannte Grenzkriminalität speist sich aus drei Quellen, was auch jeder durchschnittliche Medienkonsument mitbekommt:
Aus der Beteiligung deutscher Täter, die sich vor Ort auskennen;
aus der Schließung von Polizeirevieren und dem Rückzug der Polizei aus der Fläche Sachsens;
und aus einem nach wie vor erheblichen Wohlstandgefälle in Europa.
Das alles wird in den Hetzkampagnen der Nazis vorsätzlich ignoriert, und nicht nur deshalb darf die NPD dem nächsten sächsischen Landtag nicht mehr angehören! Der braune Sumpf, der gerade erst wieder in der Debatte um Kriegsflüchtlinge das Klima in Sachsen verpestet, muss ausgetrocknet werden –
und deshalb sollten die Wählerinnen und Wähler klug genug sein, durch ihr Votum die Nazi-Landtagsfraktion aufzulösen, die diesen braunen Sumpf finanziell und personell versorgt!
Sachsen kann und muss sich langfristig ausreichend Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten leisten. WIE wir das schaffen, steht in den alternativen Haushaltsentwürfen unserer Landtagsfraktion. Natürlich ohne Neuverschuldung. Aber keine Schulden machen, ist kein Freibrief dafür, die Steuermittel den Bereichen vorzuhaltenden, in denen die steuernde Hand des Staates gebraucht wird. Wenn es um das Gemeinwohl geht, können Privatisierungsfanatiker nicht kompetent sein – WIR sind DIE Lobby für das Gemeinwohl, gerade auch in Sachsen!
Das gilt selbstverständlich auch für Soziales und Kultur, für frühkindliche und universitäre Bildung und für eine verlässliche Förderung des innovativen und arbeitsintensiven einheimischen Mittelstandes. Auf meinen beiden Sachsen-Touren als Fraktionsvorsitzender, die mich mittlerweile ein wenig zu einem Kenner regionaler Wirtschaftsstrukturen gemacht haben, konnte ich vieles, nun ja, auch Revolutionäres erleben.
Damit bin ich wieder beim Reizwort, hinter das ich nicht nur ein Fragezeichen, sondern dazu noch ein Ausrufezeichen gesetzt habe. Ich lasse mir Sachsen nämlich nicht als Hort des kleinkarierten Konservatismus schlecht reden.
Hier wurde die erste Sozialversicherung der Welt erfunden,
die Gründung der deutschen Arbeiterbewegung,
wir gehören zu den Mutterländern der Industrialisierung,
unzählige nützliche technische Neuerungen wurden in Sachsen geboren.
Die Langeweile dieser Landesregierung, die auch nicht dadurch besser wird, dass sie sich „Staatsregierung“ nennen darf, ist eine Beleidigung des kreativen sächsischen Geistes!
Ich kann mich da nur wiederholen:
Jede Freiwillige Feuerwehr in diesem Lande ist innovativer als diese Landesregierung!
Die CDU regiert ja nur deshalb seit 1990, weil sie einen historischen Umstand geschickt parteipolitisch ausgeschlachtet hat: Im Unterschied zu anderen ostdeutschen Regionen, die dank zentraler DDR-Planwirtschaft in den Genuss von Industriestandorten kamen, die sie zuvor noch nie hatten, war Sachsen vierzig Jahre unterm Strich Geberland. Sächsische Bauarbeiter bauten die Hauptstadt Berlin auf, während die Bausubstanz sächsischer Städte verfiel. Das haben viele Sachsen dem real existierenden Sozialismus übel genommen, und da sage ich als ehemaliges SED-Mitglied: Das verstehe ich!
Dann kam die deutsche Einheit und eine gewendete CDU in Sachsen, die verkündete „Wir sind keine Ossis, sondern Sachsen.“ 23 Jahre später ist in den Ministerien auf Abteilungsleiter- und Staatssekretärs-Ebene die westdeutsche Mehrheit größer als jemals zuvor (Danke, Dietmar Pellmann, für diese Kleine Anfrage!). Und der schwäbische Wirtschaftslenker Morlok möchte die zarten Pflänzchen selbsttragender sächsischer Wirtschaftsentwicklung lieber verdorren lassen als auf seine neoliberalen Dogmen zu verzichten.
Die große Mehrheit der Sachsen findet – das belegen alle Umfragen – demokratisch-sozialistische Ideen gut. Man muss aber für diese Ideen einen praktikablen Plan haben. Stanislaw Tillich hat ihn trotz beruflicher Planwirtschafts-Erfahrungen nicht.
Wir brauchen in Sachsen weder bürokratische Planwirtschaft noch entfesselten Kapitalismus.
Die Menschen in Sachsen wollen den kulturellen Wandel hin zu einem neuen Miteinander. Auch in den Unternehmen. Die betriebsratsfreien Zonen ohne echte Mitbestimmung müssen politisch geächtet werden – das erwarte ich vom nächsten sächsischen Wirtschaftsminister, der ein Linker sein sollte!
In vielen sächsischen Behörden herrscht zurzeit die nackte Angst – davor, politisch falsche Entscheidungen zu treffen und dann von oben gemaßregelt zu werden. Kreativität und Bürgernähe verkümmern. Deshalb gilt: Die schwarzen Angstmacher von der CDU müssen abgewählt werden!
Die Stunde der sozialen Vernunft in Sachsen ist gekommen. Jetzt müssen wir ran! Liebe Genossinnen und Genossen, lasst uns zeigen, was in uns steckt! Sächsisch geht mit LINKS besser – ohne Hymne, aber mit Verstand!
Glück auf!