„Evaluation der Auswirkungen des Stellenabbaus bei der Landespolizei auf die Sicherheitslage im Freistaat Sachsen“
Rede zum Antrag der GRÜNEN „Evaluation der Auswirkungen des Stellenabbaus bei der Landespolizei auf die Sicherheitslage im Freistaat Sachsen“ (Drs 5/12175).
-es gilt das gesprochene Wort-
Wenn man die im typischen „Ministeriumssprech“ aufgeschriebene und vom Innenminister offensichtlich ungelesen unterschriebe Antwort auf den Antrag der GRÜNEN liest, dann bleibt einem schon die Sprache weg.
Steht da doch tatsächlich, ich zitiere:
„Im Zuge der Umsetzung des ab dem Jahre 2009 eingeschlagenen Kurses der Sächsischen Staatsregierung, die Staatsmodernisierung konsequent fortzusetzen und die gesamt Landesverwaltung einer umfassenden Aufgaben‑, Ausgaben- und Strukturkritik zu unterziehen, wurde die sächsische Polizei im Rahmen des Projektes „Polizei.Sachsen.2020“ hinsichtlich der ihr zugewiesenen Aufgaben, ihren Arbeitsweisen und ihrer Organisation untersucht.“ (Zitat Ende)
Allein in diesem Satz stecken zwei schwerwiegende Fehler:
Erstens, Sie haben in der sächsischen Polizei keine umfassende Aufgaben- und Strukturkritik vorgenommen, das wurde hier im Landtag schon wiederholt festgestellt.
Hätten Sie es gemacht, wäre das Ergebnis nicht so desaströs wie es heute ist.
Was gemacht wurde, Herr Staatsminister des Innern, ist eine Ausgabenkritik. Ein Buchstabe nur ist anders, statt Aufgaben- eben Ausgabenkritik, die aber hat für Sie der Finanzminister vorgenommen und verkündet. Diese Ersatzvornahme ist der Polizei schlecht bekommen!
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass allein diese Ausgabenkritik der Maßstab all ihres Handelns gewesen ist, als Sie dieses unsägliche Projekt, zumindest nennen Sie es nicht mehr Reform, „Polizei.Sachsen.2020“ auf den Weg gebracht haben.
Lege ich die von Ihnen unterzeichnete Antwort neben die Aussagen der Polizistinnen und Polizisten, dann drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass Sie offensichtlich in einer Parallelwelt Ihr Amt ausüben.
Sachsen ist Spitze, verkünden die Kolleginnen und Kollegen der Koalition und der Staatsregierung regelmäßig. Ja, wir sind Spitze in der Steigerung der Straftaten von 2011 zu 2012. Um 6,3 % haben die angezeigten Delikte zugenommen. Platz 1 in Deutschland. Gratulieren dazu verbietet sich.
Es ist eine Tatsache, dass rund 2.500 Polizistinnen und Polizisten täglich krankgeschrieben oder nur bedingt diensttauglich sind. Das bedeutet, die Personalstärke eines gesamten Polizeipräsidiums steht Ihnen nicht zur Verfügung.
Es ist eine Tatsache, dass der Krankenstand und der Anteile derer, die nur noch bedingt dienstfähig sind im selben Maße steigt, wie Sie in unverantwortlicher Weise Personal abbauen. Die Krankentage sind von 2005 von 22,5 Tage auf 30,4 Tage im Jahr 2012 gestiegen.
Es ist eine Tatsache, dass in großer Mehrheit die von Ihnen propagierten Bürgerpolizistinnen und –polizisten die Diensteinheiten in den Revieren auffüllen müssen und eben nicht vor Ort auf der Straße bei den Menschen sind.
Doch nicht nur die Menschen leiden Not, sondern auch die Technik.
Es ist eine Tatsache, dass die Probleme beim BOS-Funk nach wie vor nicht gelöst sind. Durch Netzüberlastung und fehlende Funkmasten, z.B. in der Sächsischen Schweiz, ist die flächendeckende Nutzung ab 2014 immer noch nicht sichergestellt.
Es ist eine Tatsache, dass die Bereitschaftspolizei, an deren Struktur Sie ja derzeit erneut „rumbasteln“, anders kann man das nicht nennen, in immer mehr Fällen „artfremd“ eingesetzt wird und zur Lückenauffüllung der fehlenden Personalstrukturen dient.
Es ist eine Tatsache, dass Ihre Vorstellungen von einer „Prävention im Team“, gemeint ist „Sozialministerium, Innenministerium, Lehrer und Eltern“ nicht funktioniert.
Offenbar ist in Sachsen sowieso nicht der Staatsminister des Inneren für die Innere Sicherheit zuständig, sondern der Bundestagsabgeordnete und Generalsekretär der Sächsischen CDU. Er verkündet per Presse die Strategie der Staatsregierung im Bereich Innere Sicherheit und bringt ein 10 Punkte Papier zur Grenzkriminalität auf dem letzten Landesparteitag der CDU ein.
Und es ist eine Tatsache, um ein letztes Thema anzureißen, dass Sie sich auch weiterhin einer Interventionszeitenregelung, die durchaus deliktspezifisch sein könnte, aus Gründen des Personalmangels verweigern.
Herr Minister Ulbig, wenn in Sachsen jemand von der Leiter fällt und seine Angehörigen den Rettungsdienst rufen, dann muss der überall in Sachsen binnen zwölf Minuten vor Ort erscheinen. Wenn jemand überfallen wird und jemand die Polizei ruft, gibt es keine Vorgabe, wann dem Opfer von Kriminalität die staatlichen Hüter der Ordnung zur Seite zu stehen haben. Das ist unbegreiflich und muss schnellstmöglich geändert werden!
All dies ist kein Verschulden der Polizeibeamtinnen und –beamten, deren Einsatzbereitschaft ich meinen vollsten Respekt ausspreche.
Wenn ich so darüber nachdenke, was Sie diesen an „Grausamkeiten“ in den letzten Jahren zugemutet haben, dann sollten Sie sich eigentlich wundern, dass diese solch eine hohe Einsatzbereitschaft gewährleisten.
Nun teilen Sie uns mit, dass Sie ihre eigene geplante Bewertung (Evaluation) von 2013 auf 2015 verschieben werden.
Mir ist klar, warum Sie die Auswertung ihres Projektes erst 2015 machen wollen. Die Ergebnisse Ihres Scheiterns 2013 zu verkünden, erscheint Ihnen angesichts der Landtagswahl 2014 als unpassend.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen mal davon aus, dass Sie 2015 sowieso kein Innenminister mehr sind, sodass andere Ihre Fehlentscheidungen ausbaden müssen.
Aber die Beamtinnen und Beamten der Sächsischen Landespolizei bleiben im Dienst.
Herr Minister, sie sollten sich die Zeit nehmen, statt sich in bürokratischen Erläuterungen zu verlieren, mit Ihren Polizistinnen und Polizisten in Kommunikation zu treten.
Vielleicht machen Sie es so, dass diese anonym die Möglichkeit haben, ihre Meinung kund zu tun.
Ich bin mir sicher, dass Ergebnis wird Sie aus Ihrer Parallelwelt befreien.
Es muss Ihnen doch wirklich zu denken geben, wenn ein ehemaliger Landespräsident, der dieses Projekt für Sie mitgetragen hat, heute öffentlich verkündet, dass seine Polizeibeamten auf Verschleiß gefahren werden. Es nützt dann auch nichts wenn Sie ihn dann dafür per „Bild“ öffentlich rüffeln.
Es ist der Offenbarungseid 1. Klasse, wenn, wie diese Woche medial verkündet, eine Demonstration in Leipzig nicht gesichert werden konnte, weil nicht genug Polizistinnen und Polizisten vorhanden sind.
Schon aus diesem Grund und im Sinne der sächsischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unterstützen wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne und finden den Änderungsantrag als sinnvoll und angemessen.
Herzlichen Dank!