1. Parlamentariertag der Fraktion DIE LINKE
Liebe Genossinnen und Genossen,
sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Oberbürgermeisterin der Stadt Borna, liebe Simone Luedtke,
sehr geehrter Herr Leimkühler,
lieber Michael Friedrich,
geschätzte kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger aus ganz Sachsen,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
werte Gäste!
Ich begrüße Sie und Euch alle herzlich zum ersten Parlamentariertag der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag. Er widmet sich dem gesellschaftspolitischen Schlüsselthema „Kommunale Selbstverwaltung“, die wir als LINKE so übersetzen: „Bürgerschaftliche Selbstverwaltung in den Kommunen“.
Es gab ja mal eine bekannte PDS-Politikerin, die Kommunalpolitik als (Zitat) „Einfallstor der Reaktion“ verunglimpft hat. Damit müssen wir uns parteiintern nicht mehr auseinandersetzen, weil die Genossin, die das behauptete, längst bei der SPD ist.
In Wirklichkeit ist es genau andersherum:
Die Kommunalpolitik ist das Einfallstor von
Transparenz, Emanzipation und Partizipation.
Vor Ort lernen die Bürgerinnen und Bürger, erfolgreich Einsichtnahme in Verwaltungsvorgänge zu verlangen, was sich dann in Transparenz-Forderungen auf Landes- und Bundespolitik, ja Weltpolitik übersetzen lässt. Es geht mit Einblick in die Abwasser-Abgaben-Kalkulation los und endet bei NSA und Edward Snowden.
In den Kommunen befreien sich die Menschen von dem falschen Vorurteil, dass man ja „gegen die da oben“ eh nichts ausrichten könne, und schließen sich beispielsweise in Bürgerinitiativen gegen überhöhte Kommunalabgaben oder für dezentrale Lösungen im Abwasserbereich zusammen, machen mobil gegen Windkraft oder kämpfen gegen Brückenbauten oder aktuelle in Zwickau gegen eine neue Gefangenunterkunft ‑J
In der Kommunalpolitik – und das ist gut so — gibt es vergleichsweise viele Bürgerbegehren und Bürgerentscheide – gemessen daran, dass wir so etwas auf Landesebene höchst selten und in der Bundespolitik überhaupt nicht kennen.
Das mag vielleicht auch daran liegen, weil „die da oben“ in den Kommunen so weit weg nicht sind, man ihnen leichter auf den Pelz rücken kann – denn die bürokratischen Pufferzonen sind in der Kommunalpolitik glücklicherweise kleiner als etwa beim Umgang mit Ministerien.
Insofern stehen Entwicklungen in den Kommunen Pate bei Bemühungen auf der Landesebene um mehr Durchschaubarkeit von Politik und Verwaltung, um mehr Macht für die Zivilgesellschaft und um mehr Mitsprache der Bevölkerung.
Deshalb nimmt es nicht wunder, dass sich unser erster Parlamentariertag der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne bürgerschaftlicher Selbstverwaltung in den Kommunen widmet.
Man muss ja das Fahrrad nicht zweimal erfinden – wir haben uns dieses Veranstaltungsformat in Mecklenburg-Vorpommern abgeschaut. Dort gehören LINKE Landräte und Oberbürgermeister seit langem selbstverständlich dazu, und LINKE haben das Land acht Jahre mitregiert. Die Genossinnen und Genossen sind es dort also gewöhnt, das Land verantwortlich mitzugestalten, wir in Sachsen mussten uns bisher scheinbar mit einigen roten Leuchttürmen zufriedengeben.
Ich sage bewusst: Scheinbar. Im wirklichen sächsischen Leben kommen zu den Dutzenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die seit 1990 amtiert haben bzw. amtieren, Tausende Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Gemeinde- und Stadträten sowieso Kreistagen, nicht zu vergessen in allerlei weiteren Gremien wie Aufsichtsräten etc.
Und es ist ja eine Binsenweisheit, dass in der Kommunalpolitik der Übergang von Opposition zur Regierung fließend ist, nicht nur weil es – wie gerne und oft betont – weder christdemokratische noch sozialistische Straßenlaternen gibt, sondern nur solche, die funktionieren und gut aussehen und solche, die hässlich und/oder kaputt sind.
Im Übrigen durften wir oft genug die Erfahrung machen, dass sich Bürgermeister und Landräte mit CDU-Parteibuch punktuell in Opposition zur von der CDU geführten Staatsregierung begeben und mit uns gemeinsame Sache gemacht haben. Das kommunalpolitische Leben ist bunt – auch dies ein Vorbild für die streckenweise graue und öde Landespolitik.
Natürlich ist die kommunale Selbstverwaltung und die bürgerschaftliche Selbstverwaltung nichts Spannungsfreies und schon gar nicht Identisches. Es gibt auch gut meinende Bürgermeister und vielleicht sogar Gemeinderäte, denen mitredende Bürgerinnen und Bürger manchmal auf die Nerven gehen.
Und es gibt auch engagierte, mitdenkende Bürgerinnen und Bürger, die sich gelegentlich von der Verlautbarungs-Informationsflut im Gemeindeblättchen genervt fühlen und sagen: Sollen die doch bitteschön selbst entscheiden, wozu haben wir die denn gewählt?!
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass KommunalpolitikerInnen, vielerorts zum aussterbenden Handwerk zu werden scheint. Die Parteien und Wählervereinigen betteln regelrecht bei örtlich bekannten Persönlichkeiten, sie mögen es sich doch bitte antun, für eine ehrenamtliche kommunale Tätigkeit zu kandidieren.
Das wird immer schwerer, obwohl im Zuge der Gemeinde- und Kreisfusionen die Zahl der kommunalen Mandate dramatisch abgenommen hat.
Dieses Themenkomplexes – Spannungsverhältnisse der Selbstverwaltung und Ehrenamt – wird sich Simone Luedtke annehmen.
Sie wird uns sicher auch verraten, ob kommunalrechtlich gut gebildete Gemeinde‑, Stadt- und Kreisräte Fluch oder Segen für die BürgermeisterInnen und Landräte sind – vielleicht aus eigener Erfahrung mit zu klugen Stadträten? J
Gerade diese Woche erst hat der Sächsische Landtag das Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts beschlossen. Wir haben es nicht aus Prinzip abgelehnt, sondern weil es zum Beispiel keine kommunalfreundlichen Änderungen im Gemeindewirtschaftsrecht enthält und keine Impulse für den Erhalt oder die Rückgewinnung kommunalen Eigentums gibt. Auch die Regelungen zur Bürgerbeteiligung sind enttäuschend. Im Bereich der interkommunalen Kooperation gibt es dagegen durchaus positive Aspekte, denen wir zugestimmt haben.
Kurzum: Eine differenzierte Sicht ist vonnöten, und wer wenn nicht Michael Friedrich ist dieser Aufgabe meisterhaft gewachsen – daher wird er auch zu diesem Thema referieren.
Micha gehört ja als ehemals langjähriger Kommunalpolitik-Experte unserer Fraktion im Landtag, über sein Engagement im Kommunalpolitischen Forum und durch seine kommunalpolitische Arbeit in Nordsachsen zum herausragenden linken Urgestein auf dem Feld linker Kommunalpolitik im Freistaat Sachsen.
Herr Leimkühler wiederum ist als kompetenter und scharf argumentierender Vertreter der kommunalen Spitzenverbände bei uns ein gern gesehener Gast.
Die November-Steuerschätzung sagt für die kommunale Ebene eine positive Entwicklung voraus – da möchten wir natürlich gerne wissen, ob damit aus der Sicht des stellvertretenden Geschäftsführers des Sächsischen Städte- und Gemeindetages die sächsischen Kommunen finanziell aus dem Schneider sind.
Welche Erwartungen haben die Kommunen an den neu zu gestaltenden Mehrbelastungsausgleich, der Bestandteil der in diesem Jahr vom Landtag beschlossenen Verfassungsänderung ist?
Entspricht das Sächsische Finanzausgleichsgesetz den Herausforderungen, die sich aus der demographischen Entwicklung ergeben?
Und last but not least: Wie stellt sich der SSG die gerechte Verteilung der Einnahmen im sächsischen Finanzausgleich vor?
Ich denke, aus all dem ergibt sich genug Gesprächsstoff für Podiumsdiskussion und anschließenden Gedankenaustausch.
Schon jetzt danke ich allen, die unsere heutige Veranstaltung mit ihrem Interesse und ihren Diskussionsbeiträgen zu bereichern bereit sind, und natürlich den Kolleginnen und Kollegen aus der Landtagsfraktion, die am Nachmittag für themenspezifische Fachrunden zur Verfügung stehen.
Möge also die Kommunalpolitik gerade auch in Sachsen mehr noch als bisher zum Einfallstor des gesellschaftlichen Fortschritts werden.
Dazu können natürlich auch die Kommunalwahlen im nächsten Jahr beitragen – wenn Menschen gewählt werden, die Sachsen von unten in Bewegung bringen wollen.
Ich bin überzeugt, dass für solche Menschen von dieser Veranstaltung viele nützliche Impulse ausgehen werden – in diesem Sinne hat nun als erster Dr. Michael Friedrich das Wort!
Glück Auf!