Fraktionsklausur 3. Dezember 2013 in Meißen
Rückblick und Ausblick – wie schnell ist das für die Tagesordnung aufgeschrieben. Und dann? Überlegt man: Vergangenheit und Zukunft, vom Gestern zum Morgen – was lässt sich dazu nicht alles sagen?
Ich will es nun aber nicht ganz kurz machen, das wäre dem zu Ende gehenden Jahr nicht gerecht getan und dem Jahr was vor uns steht nicht angemessen.
Um mich nun aber nicht gänzlich zu verlieren, habe ich mir die wichtigsten Botschaften aufgeschrieben, nicht nur für die heutige Beratung, sondern auch für die geneigte Öffentlichkeit – falls sie Interesse haben sollte – wie immer kann man meine Ausführungen ungeschwärzt auf meinen Blog nachlesen.
Es hat letzte Woche eine Reihe sogenannter Fokusgruppenbefragungen gegeben, mit denen sich die Bundespartei, mit Unterstützung der Landespartei, mit Hilfe der Meinungsforschung einen Einblick in die landes- und europapolitische Stimmungslage in Sachsen verschaffen wollte.
Die Termine fanden in Leipzig, Dresden und Görlitz statt.
Ich will der gründlichen Auswertung nicht vorgreifen, mit der wir uns im Januar beschäftigen wollen. Wahrscheinlich verwundert es viele von uns nicht wirklich, dass sich die Menschen, die eine Wahlabsicht im linken Spektrum hegen, mit den bei uns intern am heißesten diskutierten Themen überhaupt nicht beschäftigen.
Wenig erstaunlich ist auch, dass mehr oder weniger alle Kompetenzzuschreibungen gegenüber den LINKEN irgendwie ums Soziale kreisten.
Was uns aber zu denken geben sollte, war der wiederholte Hinweis, dass wir ja als kleinere Partei weniger Einfluss hätten. Wie wir erfahren haben tauchte diese Argumentation sogar bei einer entsprechenden Befragung in Rostock auf, wo DIE LINKE immerhin acht Jahre lang in der Landesregierung vertreten war.
Umso wichtiger ist, dass wir alle künftig mit einem Selbstbewusstsein auftreten, das öffentlich unterstreicht:
Wir sind zweitstärkste Partei in Sachsen, und das mit großem Abstand, und wir haben im Interesse eines sozialen Sachsen auch vor, diese Position bei künftigen Wahlen zu verstärken.
Euch liegt für die heutige Klausur die Übersicht aus Zuarbeiten zum Thema Alleinstellungsmerkmal der Fraktion bzw. Partei DIE LINKE in Sachsen vor.
Ich danke Euch für das, was Ihr zusammengetragen habt. Den Rufen nach klarerer Profilierung unserer Alleinstellungsmerkmale auf der Fraktionssitzung im September folgten ja in den Wochen danach allerlei fundierte Zweifel, ob dieser Begriff oder diese Methode der Sortierung vernünftig, sinnvoll und nützlich ist oder nicht.
Ohne eine solche Kultur des Selbstzweifels wären wir keine richtigen LINKEN.
Dennoch finde ich es gut, wenn wir uns im operativen Geschäft gelegentlich etwas von solchen Zweifeln emanzipieren, denn worum es geht, ist doch schlicht folgende Fragen zu beantworten:
Mit welchen Pfunden wollen wir im Wahljahr berechtigt wuchern?
Was ist dort drin, wo Die LINKE draufsteht?
Was würde fehlen, wenn es uns nicht gäbe?
Dabei geht es nicht immer nur um die absolute Originalität der Idee oder Formulierung, es darf gerne auch die Besonderheit der Methode sein – oder ein dialogbezogener Kommunikationsstil, der uns von obrigkeitsstaatlichen oder rein verwaltenden bzw. versorgenden Politikmodellen unterscheidet.
Bei der Klausur der parlamentarischen Berater und JuristInnen vor wenigen Tagen in Dresden wurde auf der Grundlage der Schwerpunkte der Fraktion – die wir im Januar 2013 beschlossen haben ein Themen-Vorschlags-Katalog für 2014 erarbeitet, mit dem wir als Fraktion öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten sollten.
Erstens soll das der allgemeine, gesetzliche und flächendeckende Mindestlohn sein. Denn nicht überall, wo zurzeit „Mindestlohn“ draufsteht, ist Mindestlohn drin. Hierbei geht es sowohl um den Gerechtigkeitsaspekt als auch um die volkswirtschaftliche Bedeutung. Es gibt keinen vernünftigen Grund, mit der Einführung eines minimalen Mindestlohns bis zum Ende der Bundestags-Legislaturperiode zu warten. Das Gleiche gilt verschärft für die Rentenfrage, die 2020 gelöst sein soll, wenn es diese Große Koalition gar nicht mehr geben wird. Das ist umso wichtiger, weil bei der Fokusgruppenbefragung unteranderem der SPD der Mindestlohn zugeschrieben worden ist.
Damit bin ich beim Komplex „Soziale Frage“, wo u.a.
das kostenlose Mittagessen in staatlichen Bildungseinrichtungen,
der fahrscheinlose Öffentliche Nahverkehr und
die medizinische Versorgung auf der Agenda stehen.
Hierein gehört auch die Rente als Lebensleistung, schließlich gibt es einen Bundesrat, über den von Sachsen aus Druck gemacht werden kann, wenn man denn will. Wir wollen – und sollten das über den Landtag thematisieren.
Der Bundestagswahlkampf hat gezeigt: Das Soziale hat viele Gesichter, die nebeneinander von uns gezeigt werden sollten. Entsprechend sollten wir auch auf Landesebene bei Sozialthemen nichts weglassen, sondern den Mut zur Vielfalt haben – sie entspricht der Vielschichtigkeit der Realität der Menschen in Sachsen.
Dennoch eine kritische Grundsatzbemerkung, auch wenn ich damit Gefahr laufe, ein ganz großes Fass aufzumachen, auch wenn wir uns heute noch ins „Goldene Fass“ hier in Meißen begeben werden.
Selbst in der DDR konnte man nicht völlig kostenlos Straßenbahn und Bus fahren, und die Schulspeisung war zwar sehr billig, aber nicht völlig umsonst.
Es gibt die weit verbreitete Auffassung, dass das, was gar nichts kostet, auch nichts wert ist.
Der Wettbewerb zwischen LINKEN, Piraten und wem auch immer um die größtmögliche Fülle an kostenlos-Forderungen erhöht meines Erachtens nicht unsere Glaubwürdigkeit.
Wir haben inzwischen schon kostenlose Energie-Grundversorgung und kostenlosen Internet-Zugang in der Wunsch-Tüte. Man kann das alles begründen, wobei man natürlich dann in Schwierigkeiten kommt zu erklären, wieso der Strom aus der Steckdose teilweise zwar kostenlos sein muss, aber nicht die ersten 5 Brote im Monat beim Bäcker?
Kurzum: Ich glaube, wir sollten über den Drang zum Nulltarif noch einmal gründlich nachdenken. Es gibt gerade aus emanzipatorisch-linker Sicht plausible Argumente für eine gewisse Eigenbeteiligung als Grundprinzip – wobei bei der praktischen Ausgestaltung der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Auch hier kann ich mich ausdrücklich auf die Befragung in der vergangen Woche beziehen, wo Menschen gesagt haben, sie haben Sympathie mit unseren Forderungen, glauben aber nicht, dass sie umsetzbar sind.
Warum sollten sie uns dann also wählen, frage ich mich?
Der dritte Schwerpunktbereich ist die Bildungspolitik – vom Kampf gegen Unterrichtsausfall bis hin zum Erhalt bzw. der Wiederherstellung eines flächendeckenden öffentlichen Schulnetzes auch im ländlichen Raum.
Auch hier möchte ich die Debatte etwas aufmischen.
Ich glaube, dass wir – nachdem viele unserer Abgeordneten mitgeholfen haben, die verfassungsmäßigen Recht der freien Schulen wiederherzustellen, wir nun deutlich machen sollten:
Wir sind in erster Linie für die staatlichen von mir aus auch kommunalen Schulen da. Freie Schulen mögen gerne zusätzliche pädagogische Angebote unterbreiten, aber niemand sollte aufgrund des Fehlens öffentlicher Schulen genötigt sein, sein Kind auf einer Privatschule anzumelden. Und umgekehrt dürfen staatliche Schulen nicht durch freie Schulen gefährdet werden.
Beim Thema öffentliche Sicherheit, dem zweiten großen landespolitischen Kernthema, geht es um die Polizei vor Ort. Wer im Bad ausrutscht und sich etwas bricht, hat Anspruch darauf, dass der Rettungsdienst binnen zwölf Minuten nach dem Notruf erscheint. Wer das Pech hat, überfallen und ausgeraubt zu werden, der muss in Sachsen unbefristet warten, weil es für die Polizei aufgrund Personalmangel keine verbindlichen Einsatzzeiten gibt. Hier sollten wir eine Forderung der sächsischen Polizeigewerkschaft aufgreifen, der ich persönlich am Anfang skeptisch gegenüberstand, jetzt aber der Meinung bin, hier können wir die Sachsen CDU stellen.
Im Bereich Wirtschaftspolitik sollten wir die Auseinandersetzung über den noch fehlenden Beitrag Sachsens hin zu einer sozial-ökologischen Energiewende offensiv führen. Das Thema Rohstoffgewinnung und vor allem Vermarktung und Ausbeutung und die Beteiligung des Freistaates Sachsen an den Gewinnen müssen wir thematisieren.
Beim Thema Demokratie haben wir vom Bürgeranwalt bis zur Privatisierungsbremse im guten Sinne populäre Vorschläge. Wir sollten überall dafür stehen, dass öffentliches Eigentum ohne Zustimmung der Bürger/innen nicht verkauft werden darf.
Nicht nur weil wir auch Europawahlen vor uns haben, sollte der europapolitische Aspekt als Querschnitt-Aufgabe immer mitgedacht werden. Wir haben beim jüngsten Landtags-Plenum gezeigt, dass wir hier – Stichwort europäische Sozialunion – Akzente setzen, mit denen wir uns von allen politischen Mitbewerbern abheben.
An dieser Stelle möchte ich kurz die Auswertung der letzten Landtags-Sitzung aus meiner Sicht einschieben, da das ja sonst nicht auf der Tagesordnung steht. Ihr könnt das ja gern in der anschließenden Diskussion ergänzen.
1. Ich will mich bei Klaus T. und Kerstin K. für ihre Reden bei der „Aktuelle Debatte“ zu Schneeberg bedanken. Klaus hat die richtigen Worte getroffen. Es passte fast perfekt an T. Colditz dran und Colditz hatte wahrscheinlich seit vielen Jahren nicht mehr solchen Applaus aus seiner Fraktion. Die zweite Runde war dann notwendig nachdem Karabinski – bei einer NPD Aktuelle Debatte die CDU – also den Koalitionspartner angegriffen hatte.
2. Auch Sebastian hatte beim Antrag zum 20. November alles richtig gemacht. Inhalt und Ton stimmten perfekt und die NPD war über dein Auftritt nun völlig überrascht, weil sich Dich nicht als Redner erwartet hatten.
3. Das unsere Dringliche Antrag fast die größte Mediale Wiederspieglung fand, obwohl über den Inhalt natürlich gar nicht gesprochen wurde, ist nicht überraschend und war gut das wir ihn gestellt haben.
4. Unsere eigene Aktuelle Debatte hatte es zumindest vorab in die Mopo geschafft und der Finanzminister sah sich veranlasst sich gleich zu Beginn zu Wort zu melden, was im parlamentarischen als Treffe – Schiff versenkt – angesehen wird.
5. Unsere eigenen drei Anträge haben Debatten im Landtag ausgelöst, jedoch keine darüber hinausgehende Berichterstattung verursacht, aber uns ist es gelungen mit allen drei Themen – obwohl sie ja eher Gesundheit, Energie und Europa sind – das soziale in den Mittelpunkt zu rücken – diese Verbindung wünschte ich mir bei den nächsten Themen im Parlament auch, dann passt es auch zu dem was ich bisher heute ausgeführt habe.
Damit komme ich zurück zu den Empfehlungen der BeraterInnen ‑Klausur und auf die Zielgerade meiner Ausführungen:
Ich habe überhaupt nichts dagegen, die Landtagswahl mit folgender Botschaft zu verbinden, wie dies aus dem Kreis der parlamentarisch-wissenschaftlichen Berater vorgeschlagen wurde:
Wir machen die Landtagswahl 2014 zu einer Protestwahl gegen die große Koalition (wenn sie denn tatsächlich zustande kommt) in Berlin, gegen die fehlende Rentenangleichung und gegen die europapolitischen Zumutungen.
Wahlen sind immer eine Gelegenheit für politische Quittungen – und in diesem Sinne geht es natürlich bei der Landtagswahl nicht nur um LehrerInnen und PolizistInnen, sondern auch um ein Votum zu den Verhältnissen, in die Sachsen eingebunden ist.
Und gleichzeitig muss es bei unserer Verabredung bleiben:
Wir werben für unsere Vorstellungen von einem sozialeren, gerechteren Sachsen.
Nun werde ich dieser Tage auch von Journalisten gelegentlich gefragt, wie sich mein Tonfall gegenüber der SPD in Sachsen angesichts der von ihr geplanten Großen Koalition auf Bundesebene ändern wird, siehe dazu auch den heutigen Artikel in der Leipziger Volkszeitung.
Ich möchte mich da gerne von der Weisheit der Bundespartei leiten lassen.
Katja und Gregor haben immer deutlich gemacht, dass eine rot-rot-grüne Abstimmungsmehrheit nicht nur, aber auch für einen sofortigen, echten Mindestlohn möglich ist. Dies ist nicht an uns gescheitert, sondern an der SPD.
Für die rot-rot-grüne Option eines sozialen sowie wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Sachsen stehen Dutzende gemeinsame Anträge in der Opposition.
Eine rot-rot-grüne Gestaltungsoption darf – siehe Bundestag – auch in Sachsen an uns nicht scheitern.
Wir sind dazu bereit. Wir laufen aber, wie ich bereits öffentlich mehrfach gesagt habe, niemandem hinterher.
Wenn die sächsische SPD im Niemandsland zwischen der CDU und uns politisch untergehen will, ist das ihr gutes Recht.
Es stellt sich also nicht für mich die Frage nach einer Tonlagenänderung – abgesehen davon, dass wir natürlich alle im Wahljahr vorrangig für die eigene Partei werben, was denn sonst? Aber dazu muss ich gut über uns reden, nicht schlecht über andere.
Die sächsische SPD befindet sich in der Tat nun in einer politischen Zwickmühle, aus der sie sich nur selbst befreien kann. Wir sollten selbstbewusst unseren Weg gehen, souverän und ohne Schadenfreude, denn wir sind die Guten.
Wie das geht, hat uns ja schon die FDP gezeigt, wenn die SPD es nicht tut, dann wird es zu dem von ihr angekündigten Politikwechsel 2014 in Sachsen – leider — nicht kommen.
So, nun war das wenig Rückblick, sondern viel Ausblick.
Ich will mich an so einem Tag wie den heutigen bei allen bedanken, dass wir trotz unterschiedlicher Auffassung in Detailfragen und manchmal auch in grundsätzlichen Fragen, eine faires Jahr 2013 hatten.
Wie wir gemeinsam als Fraktion auch im teilweisen Widerspruch zur Landes- und zur Bundespartei das Thema Verfassungsänderung gemeistert haben, zeigt dass wir alle irgendwie Erwachsen geworden sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Fraktion in der letzten Wahlperiode ein Jahr vor den Landtagswahlen an so einer grundsätzlichen Frage auseinander gebrochen wäre.
Ich wünsche mir unabhängig ob im nächsten Jahr für jeden seine persönlichen –politischen Wünsche und Vorstellungen in Erfüllung gehen, dass wir nicht nur heute eine zwar lebhafte, aber vorweihnachtlich friedliche Debatte führen, sondern dies auch bis zum Ende der Wahlperiode so halten können!