Wahlauswertung zum „Kleinen Parteitag“ (27. September)
Danke an alle WahlkämpferInnen für ihr aktives Mittun und für die vielfältige Unterstützung als Spitzenkandidat.
Danke aber auch an die gemeinsame Fairness die wir an den Tag gelegt haben. Trotz unterschiedlicher Ansichten, haben wir uns alle mit öffentlichen Positionierungen sehr zurückgehalten.
Nun gilt es in aller Fairness eine kritische Bestandsaufnahme zu bewerkstelligen was im Rahmen des Wahlkampfes, aber was wir vor allem in Vorbereitung des Wahlkampfes und vor allem was wir zwischen den Wahlterminen hätten anders, besser machen können.
Klar ist: Mit dem Wahlergebnis vom 31. August, aber auch mit den Wahlergebnissen vom 25. Mai diesen Jahres können wir nicht zufrieden sein. Ich jedenfalls bin es nicht!
Nun lese ich ja in letzter Zeit schon die ersten Wertungen bzw. Feststellungen zum Wahlergebnis und da werden dann auch gerne Zitate von mir oder auch von Antje verwendet, was ich am 31. August und am 1. September so alles gesagt habe und wie wir das Ergebnis bewerten.
Vielleicht können wir uns auf ein was verständigen:
Nicht jeden Satz den ich in der Öffentlichkeit – vor allem gegenüber Medien sage, werde ich so innerparteilich verwenden und umgedreht, schon gar nicht wenn es um die Wertungen von Wahlen geht.
Zahlen, Zahlen, Zahlen (Wanderungsbewegungen: SPD, Gestorbene, NichtwählerInnen)
Es gibt seit zwanzig Jahren nach jeder Wahl kritische Bemerkungen dazu, wie bitte jene Menschen besser anzusprechen wären, die nicht zur Wahl gegangen sind.
Kaum einer weiß noch, dass es bei der Landtagswahl 1994 in Sachsen eine Wahlbeteiligung von 54 Prozent gab, und da sind wir 2014 mit den 49 Prozent am letzten Ferientag nun nicht wirklich weit weg.
Lag das also 1994 auch schon an „meinen Wohlfühlplan?“
Frank Richter erinnerte daran, dass zur Wahlfreiheit auch die Freiheit gehört, nicht zu wählen.
Wenn auch im Thüringen des Jahres 2014 nur gut die Hälfte der Wahlberechtigten wählen geht, obwohl hier doch die größtmögliche Polarisierung stattgefunden hat, dann stellt das viele Antworten auf die niedrige Wahlbeteiligung in Frage, die nach der Sachsen-Wahl gegeben wurden.
Im Sommer 2013 habe ich gesagt, dass wir die 14 Prozent, die bei einer Umfrage im Auftrag des MDR als Sonntagsfrage-Zahl für die Landtagswahl genannt wurden, im Jahr 2014 weit übertreffen werden. Das ist uns mit knapp 19 Prozent zweifelsfrei gelungen. Wir haben uns zugleich als mit Abstand zweitstärkste Partei behauptet – auch das wurde in den letzten Jahren regelmäßig angezweifelt. Dritter positiver Punkt: Im Vergleich zur Gesamt-Stimmenentwicklung der Linken seit 2011 steht das Sachsen-Ergebnis überdurchschnittlich gut da. –
Ich weiß, man kann jetzt wieder sofort sagen, ich versuche hier etwas schön zu reden. Nein, es sind einfach Fakten!
Nach den drei guten gibt es auch drei schlechte Nachrichten:
Wir haben unser Wahlziel von 25 Prozent der Parlamentsmandate nicht erreicht. Immerhin hat es für mehr als 20 Prozent Sitze im Landtag gereicht, sodass wir das Quorum für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen aus eigener Kraft erfüllen.
Es hat für ein rot-rot-grünes Reformbündnis allein schon rechnerisch nicht gereicht, auch wenn CDU auf der einen und LINKE/SPD/GRÜNE auf der anderen Seite über lange Zeit Kopf an Kopf lagen.
Aber, und damit bin ich bei der dritten schlechten Nachricht: Das Erstarken der AfD bis an die Schwelle der Zweistelligkeit hat die Option einer Regierung ohne CDU zerstört. Das ist übrigens eine Parallele zu 2004, wo der damalige kometenhafte Aufstieg der NPD ebenfalls genau diesen Nebeneffekt hatte.
Wir haben also unter schwierigsten Rahmenbedingungen ein achtbares Ergebnis erreicht und uns gemeinsam mit engagierter Arbeit und einem ebenso engagierten Wahlkampf landespolitisch behauptet und stabilisiert. Ich würde nie sagen: „Wir haben die Wahl gewonnen.“ Das wäre Quatsch. Aber wir haben sie auch nicht verloren. Eine solche Aussage wäre – quätscher. 😉
Ich will mal auf ein paar kritische Anmerkungen eingehen.
1. Illusionärer Kurs auf einen Regierungswechsel. Dafür Verzicht auf harten Oppositionswahlkampf und auf die Ansprache unserer bisherigen Kernwählerschaft: Arbeiter und kleine Selbstständige, Arbeitslose und Protestwähler.
Die Frage nach dem Kurs auf den Wechsel – Regierung lass ich jetzt mal bewusst weg — ist doch die eigentliche Frage.
Dass andere ist davon abgeleitet: Oppositionsgestus, Schärfe, Zielgruppen usw., die ergibt sich aus den jeweiligen Antworten.
Liest man Anfang und Ende des sächsischen Landtagswahlprogramms, so kann es keinen Zweifel daran geben, dass es um einen Politikwechsel geht (das gilt ja die kommenden Jahre), wozu eine Ablösung der CDU-Dauerregierung die ebenso logische wie praktische Voraussetzung wäre.
Nun frage ich mich, wer hat denn das Wahlprogramm beschlossen? Doch mehrheitlich wir alle.
Nun kann man die Frage stellen, ob das eine zu dem Zeitpunkt der Wahl eine sinnvolle Losung war oder nicht.
Die Kritiker verneinen dies.
Das zwei Argumente ist, der Mangel einer Wechselstimmung in Sachsen. Der MP Tillich ist überaus beliebt, die CDU ebenso, die Regierung bekommt gute Noten bis weit ins sogen. linke Lager, gar die eigene Anhängerschaft hinein.
Okay, das ist ein wirklich starkes Argument.
Allerdings hat es eine kleine Schwäche.
Es legt die Annahme zu Grunde: Ein Regierungswechsel ohne Wechselstimmung gibt es nicht.
Diese Annahme ist schlicht ungültig und damit auch falsch und ist leider eines unserer Grundwidersprüche im herangehen an den Wahlkampf. Warum?
Weil, gewechselt werden kann, wenn es die Verhältnisse im Landtag hergeben – also rechnerisch — und wenn die Akteure sich dazu entschließen. Punktum!
Das dritte Argument ist ernster zu nehmen:
Es war nach Umfragelage nie eine Mehrheit im Landtag für Rot-Rot-Grün in Sicht.
Sehen wir uns die im Vorfeld der Landtagswahlen die Verhältnisse zwischen den Parteien an.
Ziemlich genau ein Jahr vor der Landtagswahl prophezeiten die Umfragen ein Scheitern der FDP.
Die CDU hätte sich einen neuen Koalitionspartner suchen müssen.
Damit konnten wir als LINKE, erstmals in der jüngeren sächsischen Geschichte, realistisch die Gretchenfrage an SPD und Grüne richten:
Wie haltet Ihr es mit dem Wechsel? – Das haben wir getan.
Am Ende signalisierten die Umfragen, ohne dass dies irgendeine Verwunderung ausgelöst hätte, eine Situation, wo CDU und Rot-Rot-Grün jeweils um die 40% und damit auf einer Höhe waren.
Das nennt man politisch wohl eine Gelegenheit.
Und es war exakt diese Gelegenheit, auf die die sächsische LINKE nicht gewartet, sondern hingearbeitet hat – seit mehr als drei Jahren!
Nun trat mit der AfD ein Problem auf, die Gelegenheit schien sich mit der ersten Messung der neuen Partei über 5% in Sachsen zu Jahresbeginn 2014 in Luft aufzulösen.
Was wäre die Alternative zum Halten des bisherigen Kurses gewesen? Umschwenken auf harten Oppositionswahlkampf wie 2004, wo es ein besseres Ergebnisse gab?
Erinnern wir uns: 2004 der fulminante Einzug der NPD mit einem Ergebnis wie heute die AfD, die Hartz-IV-Proteste und damit die soziale Protestbewegung auf dem Höhepunkt im Land!
Schon 2009 und verstärkt danach gab es auch in Sachsen die aus unserer Sicht „dramatischen“ Grundstimmung: „Uns geht es doch gut!“
Wenn das so ist und alle Zahlen sagen das ja, dass auch unsere WählerInnen mit der wirtschaftlichen und damit mit ihrer persönlichen Situation eher zufrieden sind, dann gibt es keine Gründe für die Annahme, die LINKE hätte in einem Wettbewerb mit der Nazi- Fundamentalopposition NPD einerseits, der rechtspopulistischen AfD andererseits um die Frage, wer die beste Oppositionspartei sei und wo die Proteststimme am wirksamsten platziert wäre, auch nur annähernd ein Ergebnis in der Nähe des tatsächlichen Ergebnisses von 18,9% erreicht.
Im Mai holte die LINKE in Sachsen – zu den Europawahlen — mit einem klaren Oppositionswahlkampf 18,3% mit der AfD als Konkurrenz.
Zu den Landtagswahlkampf haben diesen klaren Oppositionswahlkampf nicht geführt, weil wir gemeinsam den Wechsel herbeiführen wollten und haben 18,9% errungen.
Also woher nehmen wir die Gewissheit, dass wir bei einer anderen Tonalität unter den gleichen Rahmenbedingungen und Vorrausetzungen ein besseres Ergebnis erzielt hätten.
Ich will für mich schon mal ein paar wenige bisherige Schlussfolgerungen ziehen:
- Sollte ich weiterhin Verantwortung auch in der Landespartei haben, werde ich nicht akzeptieren, dass wir wieder so spät eine Wahlkampfstrategie beschließen.
- Ich denke, es war auch ein großer Fehler dass wir erst nicht und dann plötzlich sehr kurzfristig Entscheidungen zu strategischen Wahlkreisen heraus getroffen haben. Ohne langfristige Planung, ohne langfristige Personalentscheidung brauchen wir nach den Kommunalwahlen oder nach Landeslistenaufstellungen keine Entscheidung mehr dazu zu treffen. Die Weichen müssen jetzt, aller spätestens nach den Bundestagswahlen 2017 gestellt sein.
- Ja, wir sollten uns vornehmen, dass wir das Thema „Frieden“ auch im Landtagswahlkampf für die StammwählerInnenschaft als ein Wahlkampfmittel einsetzen.
- Wir brauchen tatsächlich den Mut größere Unterscheidungen zwischen Stadt und Land in unserer WählerInnenansprache vorzunehmen.
- Wenn wir einen erfolgreichen Wechsel wollen- ich hoffe das wir den gemeinsam wollen, dann brauchen wir einen langen Atem, deswegen hat für mich die Arbeit für das nächste – bessere – Wahlergebnis bereits begonnen.