Einführungsvortrag zum Thema: „Mitregieren im Land und in der Kommune – um welche LINKE kämpfen wir?

Ver­anstal­tung am  1. Novem­ber 2014 in Essen von Marx 21 — Mein Ein­führungsvor­trag:

 

Bin mir nicht ganz sich­er, warum ich ange­fragt wor­den bin heute mit euch zu disku­tieren.

Aber vielle­icht beant­wortet sich die Frage am Ende mein­er Aus­führun­gen von selb­st.

Zitat: „In der LINKEN tobt ein Kampf um die Aus­rich­tung der Partei, der sie in vie­len Bere­ichen lähmt. Gerun­gen wird vorder­gründig um die Posi­tion­ierung für oder gegen eine Regierungs­beteili­gung und den jew­eili­gen Zugeständ­nis­sen, die damit ein­herge­hen. Das ist auf kom­mu­naler Ebene nicht viel anders als im Land oder Bund.“

Zitat Ende

  • Der Titel dieser Ver­anstal­tung und auch der von mir ger­ade vor­ge­tra­gene Auszug aus dem Ein­führung­s­text sind, ich würde sagen: sehr mar­tialisch.

Das irri­tiert mich schon ein wenig, wenn ich lese: „UM welche LINKE kämpfen wir.“ Und dann noch „In der LINKEN tobt ein Kampf um die Aus­rich­tung der Partei“

  • Ich denke, dass es nicht nur eine Frage der Sprache ist, die man ver­wen­det, son­dern dass in dieser Sprache eine Hal­tung zum Aus­druck kommt. Und damit sind wir eigentlich schon mit­ten beim The­ma.

 

  • Denn wenn ich, mit mein­er Herkun­ft als DDR-Bürg­er, der mit 18 Jahren in die SED einge­treten ist, wo bei­de Eltern in der SED waren, mein Groß­vater Väter­lich­er­seits mit dem Vater­ländis­chen Ver­di­en­stor­den in Bronze aus­geze­ich­net wurde– eine der höch­sten Ausze­ich­nun­gen die man in der DDR bekom­men kon­nte – Begriffe wie „Kämpfen“ und „Partei“ in einem Satz ver­wende dann ganz anders.
  • Zum Beispiel, Anfang der Neun­ziger: „Lasst uns darum kämpfen, diese Partei zu erhal­ten“ (ihr ahnt, es war damals die PDS) oder „Kämpfen wir darum, dass unsere gesellschaftliche Ver­ankerung erhal­ten bleibt“ – dass haben wir 2002 gesagt.
  • Und wenn DIE LINKE in Sach­sen heute den Begriffe kämpft ver­wen­det, dann schau ich in unser Wahl­pro­gramm und finde fol­gende Beispiel:
  • Wir kämpfen für den men­schen­würdi­gen Aufen­thalt von Asyl­suchen­den und Gedulde­ten
  • Wir kämpfen für päd­a­gogis­che Vielfalt
  • Wir kämpfen gegen Diskri­m­inierung von Les­ben, Schwulen, trans- und inter­sex­uellen Men­schen
  • Wir kämpfen für erfol­gre­iche Bürg­er­begehren
  • Wir kämpfen für Ver­brauch­er­schutz­s­tan­dards
  • Wir kämpfen gegen men­schen­feindliche Ide­olo­gien
  • Wir kämpfen für ein men­schen­würdi­ges Leben aller Ein­wohner­in­nen und Ein­wohn­er Sach­sens

 

Und viel viel mehr. Es war eine willkür­liche Auswahl.

  • Um es also deut­liche zu sagen alle Kämpfe, die wir aus­fecht­en, müssen darauf aus­gerichtet sein:
  • was wir für poli­tis­che Ange­bote unter­bre­it­en wir damit;
  • mit welchen Ideen und Konzepten stre­it­en wir für ein men­schen­würdi­ges oder wenig­stens besseres Leben der Leute im Land?Darüber kön­nen wir gern in unser­er Partei stre­it­en und das tun wir ja auch. Aber „einen toben­den Kampf“ sehe ich nicht, und wenn ich ihn sehen würde, dann müssten wir alles dafür tun, das ganze wieder auf das Niveau ein­er inner­parteilichen Auseinan­der­set­zung zu brin­gen.
  • Dabei, und das weiß vielle­icht nicht jed­er, komme ich aus dem Lan­desver­band, der schon immer aus den anderen ost­deutschen her­aus­gestochen ist – hin­sichtlich der Tiefe der poli­tis­chen Dif­feren­zen und auch der Härte der Auseinan­der­set­zun­gen. (Doch das wäre ein extra Vor­trag mal wert.)
  • Deshalb weiß ich, wovon ich rede, wenn ich mich mit solchen Begrif­flichkeit­en wie „toben­der Kampf“ auseinan­der­set­ze.
  • Uns wäre die Lan­despartei schon mehrfach auseinan­derge­brochen, wenn wir – ich nenn sie mal — Pro­pa­gand­abegrif­f­en, die ja immer auch aufheizend wirken, geblieben wären.
  • Am Ende aber muss sich jede Auseinan­der­set­zung, jed­er Stre­it um Inhalte und Aus­rich­tun­gen prak­tisch beweisen.
  • Recht haben auf dem Papi­er oder in Abstim­mungen auf Parteita­gen sind ja immer eine feine Sache, entschei­dend bleibt jedoch am Ende, ob über­haupt und wenn ja, welche gesellschaftliche Wirkung damit erzeugt wird.
  • Das heißt, wenn ich es mal demokratisch zus­pitzen darf: „Recht hat man nicht, Recht bekommt man!“ in dem Fall näm­lich zugeschrieben z.B. von Wäh­lerin­nen und Wäh­lern.

 

Zitat – wieder aus dem Ein­führung­s­text:

„Doch kann es eine solche Regierungs­beteili­gung bei den derzeit­i­gen Kräftev­er­hält­nis­sen geben, ohne wesentliche linke Posi­tio­nen aufzugeben, fra­gen die Kri­tik­er des Par­la­men­taris­mus?“ (Zitat Ende)

 

Auch hier will ich ver­suchen Schlaglichtar­tig meine Posi­tion deut­lich zu machen:

 

  • Es kommt ein wenig darauf an, wie man den ver­schwomme­nen Begriff der „wesentlichen linken Posi­tion“ bes­timmt, um eine sin­nvolle Antwort geben zu kön­nen.

 

Für mich ist eins klar:

 

Natür­lich wird man eine ganze Rei­he von linken Posi­tio­nen in ein­er Regierung, ins­beson­dere in ein­er Koali­tion­sregierung  — nicht real­isieren kön­nen. Ja vielle­icht noch nicht ein­mal ange­hen kön­nen. Damit hat man sie natür­lich nicht aufgegeben, son­dern max­i­mal ver­schoben.

 

  • Es gehört zum Wesen ein­er Koali­tion, dass nicht ein­fach die Wahl­pro­gramme der Beteiligten übere­inan­dergelegt wer­den und dann gesagt wird, das machen wir jet­zt alles.
  • Vielmehr wird man Schw­er­punk­te definieren, von denen aus Verän­derun­gen am sin­nvoll­sten erscheinen. Und dann wer­den einige Sachen auch herun­ter­fall­en. Deshalb schreiben wir ja zum Beispiel Wahl­pro­gramm nicht als Min­i­mal­pro­gramme, son­dern so, dass man damit selb­st­be­wusst in Ver­hand­lun­gen gehen kann, um die Inter­essen der­er die uns gewählt haben, zu vertreten. (z.B. Ver­fas­sungss­chutz)
  • Im Übri­gen wis­sen die Mehrzahl der Men­schen die uns wählen auch, dass Poli­tik kein Wün­sch-Dir-Was Spiel ist. In den diversen Fokus­grup­pen­be­fra­gun­gen, die wir als LINKE in Vor­bere­itung der Europawahlen durchge­führt haben, ist sehr deut­lich gewor­den, dass unsere Wäh­lerin­nen von uns sog­ar erwarten, Kom­pro­misse einzuge­hen, wenn man dafür wichtige oder wesentliche Ziele erre­icht.
  • Deshalb ist es ggf sehr wichtig, „rote Ziellinien“ zu definieren, also Pro­jek­te und Vorhaben, die einen mobil­isieren­den, gesellschaftlich rel­e­van­ten Anspruch haben, und von die man dann auch durch­set­zen will.
  • Bei diesem The­ma wird auch sehr deut­lich, welche Hal­tung man zur Gesellschaft hat. Sind wir diejeni­gen, die eigentlich schon wis­sen, was richtig und gut und wahr und im Inter­esse ein­er behaupteten Mehrheit ist?
  • Sind wir die (mehr oder weniger ver­hin­derten) LehrerIn­nen und ErzieherIn­nen des Volkes, die das richtige Bewusst­sein pfle­gen und mit sich tra­gen, bis „die Ver­hält­nisse soweit sind“?

 

  • Ich halte es da eher mit dem Pro­gramm unser­er Partei, in dem wir sagen:

Zitat:

„DIE LINKE ver­ste­ht sich als ler­nende Partei.

Sie will gemein­sam mit den Bürg­erin­nen und Bürg­ern Poli­tik gestal­ten. Wir wis­sen, dass wir unsere Vorstel­lun­gen von ein­er besseren Gesellschaft wed­er allein noch gegen gesellschaftliche Mehrheit­en umset­zen kön­nen.

Wir wollen mit dem besseren Argu­ment — öffentlich, trans­par­ent, kul­tur­voll und demokratisch — stre­it­en, Konzepte aus der Gesellschaft auf­greifen, eigene entwick­eln und bre­ite gesellschaftliche Mehrheit­en gewin­nen.“ Zitat aus unserem Parteipro­gramm.

 

  • Wenn ich nun gefragt werde, ob ich „Schritt für Schritt Verbesserun­gen für die Men­schen“ erre­ichen will: dann kann ich sagen: das ist gar keine Frage für mich, ja klar, selb­stver­ständlich! So einen „ganz großen Sprung“ oder, wie soll man es aus­drück­en, ein Umk­lap­pen in die bessere Welt ohne dafür hart zu arbeit­en, zu überzeu­gen, dass wird nicht sein.

 

  • Und ich halte es für eine Luxus­diskus­sion. Men­schen, denen es richtig dreck­ig geht – ich erin­nere in diesem Zusam­men­hang daran, dass wir in Sach­sen eine Alter­sar­mut­squote bald von fast 50% erre­ichen wer­den. Denen zu sagen: Nö, kleine Verbesserun­gen sind ungün­stig, die ver­schleiern ja nur die wahren Ver­hält­nisse usw. — so viel Kraft bringe ich nicht auf.

 

  • Nun weiß ich auch, dass Regieren nicht der einzige Weg ist, solche kleinen Schritte zu erre­ichen – und dass ganz selb­stver­ständlich auch gesellschaftlich­er sozialer Protest – wenn er denn mal da ist, einiges an Wirkung erzie­len kann.
  • Im Übri­gen, gesellschaftlich­er Protest ist lei­der auch nicht immer auf unser­er Seite! Da muss ich nicht erst zur Tea Par­ty in die USA schauen, son­dern gucke bei mir Zu Hause zB die Proteste gegen Migran­tinnen und Migranten an. Oder die Proteste am ver­gan­genen Sonnabend in Köln.
  • Ins­ge­samt dreht sich ja unsere Debat­te darum, wie und wie grund­sät­zlich kön­nen wir diese Gesellschaft verän­dern.

 

Wieder Zitat aus unserem Pro­gramm:

“Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwach­sen muss, in der alle Men­schen selb­st­bes­timmt in Frieden, Würde und sozialer Sicher­heit leben kön­nen.”

 

  • Klar, so ein Auszug kann nicht den gesamten Text und dessen kor­rek­te Deu­tung erset­zen, aber ich finde schon, dass das ein guter gemein­samer Nen­ner für eine demokratisch-sozial­is­tis­che Partei ist. Und diese Punk­te anzuge­hen, das lohnt sich hier und heute und mit allen Mit­teln, näm­lich sowohl den par­la­men­tarischen als auch außer­par­la­men­tarischen, den Oppo­si­tions- und den Regierungsmit­teln.

 

  • Aber eine Randbe­merkung: Die außer­par­la­men­tarischen Möglichkeit­en, die haben wir mehr oder weniger immer.

Worum wir aber immer rin­gen müssen und was wir über­haupt nicht selb­stver­ständlich haben, dass sind die par­la­men­tarischen Mit­tel und damit auch die des Regierens oder Opponierens.

 

  • Da sind wir auf die unmit­tel­baren Inter­essen der Leute zurück­ge­wor­fen, auf ihr tat­säch­lich­es poli­tis­ches Bewusst­sein und müssen mit all unseren Vorstel­lun­gen ein Ange­bot entwick­eln, welch­es an diese bei­den Sachen anknüpft. Tun wir das nicht oder schlecht, sind wir raus!
  • Das ist nun im großen Lauf der Geschichte vielle­icht nicht mal so erhe­blich, vielle­icht ist es nicht mal ne Fußnote, ob wir mal in diesem Land­tag drin waren und in jen­em nicht und im drit­ten nur ganz  kurz oder wie im Osten seit 25 Jahren.
  • Wenn wir uns ernst nehmen mit unserem Pro­gramm dann sollte uns das nicht egal sein!