Äußerungen des Bundespräsidenten Gauck
Zu den von Bundespräsident Gauck geäußerten Bedenken gegen einen Ministerpräsidenten der LINKEN in Thüringen:
In zwei Bundesländern – Mecklenburg-Vorpommern und Berlin – war DIE LINKE bereits in Regierungsverantwortung, in einem – Brandenburg – ist sie es zurzeit, in einem weiteren, nämlich Thüringen, wird sie es wohl bald sein. Das ist demokratische Normalität in Deutschland. Zu dieser Normalität gehört auch ein linker Ministerpräsident, wenn DIE LINKE die stärkste der Koalitionsparteien ist. So entspricht es den guten demokratischen Sitten, weshalb es neben CDU- und SPD-Ministerpräsidenten auch einen GRÜNEN Regierungschef gibt, in Baden-Württemberg. Damit hatten manche eingefleischte Konservative ihre Probleme. Das ist ihr gutes Recht auf Meinungsfreiheit. Ein Ministerpräsident Bodo Ramelow wird die demokratische Normalität komplettieren. Wenn auch in diesem Fall Leute Bedenken haben, ist das ebenso ihr gutes Recht – auch das des Bürgers Gauck. Der Bundespräsident Gauck aber sollte von Amts wegen auf Überparteilichkeit geeicht sein – insofern verstoßen seine Äußerungen zur Regierungsbildung in Thüringen gegen das in jahrzehntelanger Tradition gewachsene Amtsverständnis. Eingriffe in Prozesse der Regierungsbildung stehen einem Bundespräsidenten, der von der sogenannten Bundesversammlung ohne Aussprache gewählt wird, nicht zu. Würde der Bundespräsident nach einem politischen Wahlkampf direkt vom Volk gewählt, dann hätte er damit auch die Legitimation, nach Gusto (Partei-)Politik zu betreiben. Deshalb ist die Frage nicht „Darf Gauck das?“, sondern: „Wollen wir einen direkt gewählten Bundespräsidenten?“ Diese Debatte würde sich lohnen. Ich persönlich fände die Einführung der Direktwahl sympathisch. Was ich aber unsympathisch finde, ist die Doppelzüngigkeit, die einen Bundespräsidenten Horst Köhler wegen zu klarer Aussagen zu Bundeswehr-Auslandseinsätzen in den Rücktritt getrieben hat, aber bei Joachim Gauck feiert, dass er „meinungsstark“ sei und seine „persönlich dezidierte zugespitzte Meinung“ sagt. Diese instrumentelle Doppelmoral beim Umgang mit dem Amt des Bundespräsidenten gehört definitiv nicht zur demokratischen Normalität.