Meine Erwiderung auf Regierungserklärung von Stanislaw Tillich
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
okay, das war jetzt die Regierungserklärung einer Regierung, die gerade Mal seit einer Stunde im Amt ist. Ich gehe mal davon aus, dass dies heute eine Ausnahme war und Sie sonst — wie Sie selbst untereinander vereinbart haben — die Regierungserklärungen im Kabinett abstimmen.
Der Koalitionsvertrag wiegt schwerer – zumindest erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes, denn er ist mit 111 Seiten deutlich dicker als das, was in den vergangenen zehn Jahren als Regierungsplan für eine Wahlperiode vorgelegt wurde. 2004 waren es bei CDU/SPD 86 Seiten, 2009: bei CDU/FDP gerademal 59 Seiten. Nun also das Doppelte!
Nur Masse ist nicht automatisch Klasse, deswegen haben wir genauer hingeschaut.
Fast genau auf den Tag vor fünf Jahren – und zwar am 11. November 2009 – haben Sie eine schwarz-gelbe Zehn-Jahresplanung angekündigt.
Dieser Plan fand am 31. August dieses Jahres ein jähes Ende.
Die sächsische Bevölkerung hat Ihnen, Herr Ministerpräsident, die Chance eingeräumt, sich von Ihren selbst geschaffenen Irrtümern zu befreien.
Was mein ich damit?
Ihre einzige wirklich konkrete Zielstellung vor fünf Jahren war die willkürliche Zielzahl für die Anzahl von 70.000 Beschäftigten im gesamten öffentlichen Dienst des Landes Sachsen.
Dieses Ziel war zu keinem Zeitpunkt realistisch und auch nie durch realistische Planungen untersetzt. Jedoch wurde daraus fünf Jahre Regierungshandeln. Den Preis dafür haben viele gezahlt.
Ich erinnere nicht zuletzt an all die Demonstrationen im Zusammenhang mit Lehrer_innenmangel und Polizei-Personalabbau.
Der Rechnungshof stellte in seinem Sonderbericht zu „Personalwirtschaftlichen Konzepten“ zu recht fest, dass es für den vom Ministerpräsidenten vorgesehenen radikalen Stellenabbau von über 16.000 Mitarbeiter-Stellen keinerlei, ich wiederhole keinerlei konzeptionelle Überlegungen gab.
Deshalb ist es zu begrüßen, dass nun laut Koalitionsvertrag endlich die Aufgaben des öffentlichen Dienstes und die zur Aufgabenerfüllung erforderliche Personal- und Sachausstattung einer Überprüfung unterzogen werden sollen.
Zu diesem Zwecke soll eine Kommission bis 2016 eine aufgabenorientierte Personalbedarfsplanung erstellen und zugleich mögliche Konsequenzen für den Behördenaufbau und die Struktur der Landesverwaltung aufzeigen.
Damit ist die neue Koalition zunächst schlicht eine Reparaturbrigade.
Sie versucht mit längst überfälligen Korrekturen die von der CDU/FDP-Koalition verschuldeten Schäden an den größten Personalkörpern – nämlich der Lehrerschaft sowie der Polizei – zu begrenzen.
Wir werden weiter Druck machen, damit es über notdürftige Reparaturen hinaus zu einem wirklichen Kurswechsel bei Bildung und öffentlicher Sicherheit kommt – denn den brauchen die Menschen für ein besseres Leben in Sachsen!
Das Schulgesetz wollen die Koalitionäre (Zitat)„auf der Basis dieses Koalitionsvertrages novellieren“. (S. 15) Ein Gesetzentwurf soll im kommenden Jahr vorgelegt werden.
Doch Strukturreformen, die das längere gemeinsame Lernen befördern, sind im Koalitionsvertrag nicht zu finden.
Offenbar droht diese Koalition noch hinter die dürftigen Ergebnisse der ersten CDU/SPD-Koalition beim Thema Gemeinschaftsschule zurückzufallen. Und das, obwohl die überwältigende Mehrheit der sächsischen Bevölkerung eine Aufhebung der unseligen verfrühten Trennung der Kinder nach Klasse 4 wünscht. Das finde ich bei einer Koalition, die für sich in Anspruch nimmt, den Wählerwillen zu verkörpern, mehr als schwach!
Das jahrzehntelang von CDU-geführten Regierungen verordnete Schulsterben verschärft die Ungleichheit der Chancen von Kindern und Jugendlichen bei ihrer Lebensplanung.
Sie wollen (Zitat) „dem erhöhten Bedarf für die schulische Inklusion angemessen Rechnung“ tragen (S. 12). Wie das gehen soll, bleibt das interne Geheimnis von CDU und SPD.
Die (Zitat) „unbefristete Einstellung von mindestens 6100 Lehrerinnen und Lehrern bis 2019“, die der Koalitionsvertrag vorsieht, ersetzt möglicherweise die aus dem Schuldienst ausscheidenden Pädagogen. Aber, dass liebe Kolleginnen und Kollegen ist ja wohl das Minimum – zumal wir steigende Schüler_innen-Zahlen haben!
Alles, was darüber hinausgeht, um bspw. schulische Inklusion und jahrgangsübergreifenden Unterricht umzusetzen, von anderen Dingen gar nicht zu reden – Fehlanzeige!
Von Aussichten auf ein zukunftsweisendes Schulgesetz kann aus unserer Sicht deshalb nicht gesprochen werden.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung gehört zur historischen Wahrheit: Bereits 2004 war die Verbesserung des Personalschlüssels auf 1:12 im Sozialministerium vorbereitet und scheiterte dann an der ersten CDU/SPD-Koalition.
Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD und LINKEN für Brandenburg ist die Verbesserung des Betreuungsschlüssels im Kindergartenbereich von 1:12 auf 1:11 vorgesehen.
Brandenburg ist uns also mindestens fünf Jahre bzw., geht man vom bisherigen sächsischen Tempo aus, sogar zehn Jahre voraus.
Das finde ich für den selbsternannten Anspruch, das beste Sachsenland der Welt sein zu wollen, für ziemlich peinlich!
Zum zweiten großen landespolitischen Thema öffentliche Sicherheit:
Auf Seite 96 lassen Sie sich eine Zahl der Neueinstellungen von mindestens 400 Polizeianwärtern entlocken, dies aber (Zitat) „in den nächsten Jahren“ – was immer das bedeutet.
Was feiern Sie da eigentlich?
Im nächsten Jahr scheiden 444, im Jahre 2018 476 und 2019 509 Polizisten planmäßig aus dem aktiven Dienst aus.
An den Zahlen sieht man deutlich, dass der von Ihnen verabredete Einstellungskorridor deutlich zu kurz gegriffen ist.
Im Übrigen, um diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen, braucht man keine Kommission, die Sie einsetzen wollen.
Klar ist:
Die Stellenausstattung der Polizei entspricht nicht dem Personalbedarf und damit werden Sie auch nicht das Sicherheitsgefühl der Menschen in diesem Land wieder herstellen!
Was ist von Ihrem Wahlkampfthema: „Freiwillige Feuerwehren stärken“ übriggeblieben?
Ein paar Allgemeinplätze, dazu magere sieben Sätze zum Rettungsdienst. Gerade hier, wo es oft um Leben und Tod geht, ist der Koalitionsvertrag schwach – lebensgefährlich schwach.
Unsere konkreten Vorschläge liegen auf dem Tisch. Zum Beispiel sagen wir klar: Eine Feuerwehrabgabe – wie Sie sie planen — macht nur dann Sinn, wenn sie für hauptamtlich besetzte Standortfeuerwehren genutzt wird. Damit gerade die auf dem Land wegen der demografischen Entwicklung immer weniger werdenden ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden unterstützt werden.
Eine Gebühren-Abzocke ohne Sicherheits-Plus für die Bevölkerung lehnen wir ab!
Kinder und Jugendliche sind die Zukunft des Landes.
Neben Lobenswertem können wir uns mit der Festlegung der Jugendpauschale auf 12,40 Euro nicht zufrieden geben. Sicher eine Verbesserung, aber aus unserer Sicht sind mindestens 15 Euro für jeden jungen Menschen notwendig, damit die Kommunen ihrer Verantwortung gerecht werden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mehrere Dutzend Mal findet sich in Ihrem Koalitionsvertrag die Ankündigung, es müsse erst mal geprüft werden.
Dabei haben Sie mindestens einen Prüfungsauftrag vergessen:
Das von der letzten Koalition auf dem Weg gebrachte Standortegesetz.
Also den Behörden-Umzugszirkus, der Beschäftigten wie Bürgerinnen und Bürgern auf die Nerven gegangen ist und geht.
Diesen beschlossenen Unsinn sollten Sie tatsächlich nochmal auf den Prüfstand stellen!
Mit Blick auf die Institutionen des Rechtsstaates hätten wir uns konkretere Angaben gewünscht, wie die zu erwartenden Altersabgänge in Richter- und Staatsanwaltschaft ausgeglichen werden. Zumal vom vorigen Staatsminister der Justiz öffentlich bereits die Schaffung von mindestens 20 zusätzlichen Stellen jährlich als notwendig dargestellt worden ist, um die Lage im Griff zu behalten.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
zu Ihren Irrtümern oder gepflegten Legenden gehört die Behauptung, dass die sächsischen Kassen permanent leer sind.
Die neue Koalition stellt nun fest, dass doch Geld da ist, was sich mit unseren Berechnungen zu Sachsens Staatsfinanzen und insbesondere den erheblichen Rücklagen deckt. Also, willkommen in der Realität!
Die Linksfraktion begrüßt den Ansatz der Koalition, künftig dem geltenden Haushaltsgrundsatz der Haushaltsklarheit und –Haushaltswahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.
Wir gehen aber davon aus, dass der auf unsere Initiative in der Verfassung neu beschlossene Haushaltsgrundsatz des sozialen Ausgleiches bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2015/2016 und folgenden seine Beachtung findet.
Erfreut nehmen wir auch den angekündigten Kurswechsel beim Umgang mit den Beteiligungen des Freistaates zur Kenntnis.
Auch hier sollen die Defizite mangelnder Transparenz aus der vergangenen Legislaturperiode abgebaut werden.
Es wäre uns vermutlich viel zerschlagenes Porzellan bei der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen – im wörtlichen wie übertragenem Sinne – erspart geblieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Koalitionsvertrag benötigt allein sechs Seiten, um die Reparaturliste im Wirtschaftsministerium aufzureihen. Ich zitiere auszugsweise:
„Zur besseren Abstimmung der Wirtschafts- und Innovationspolitik werden die Koalitionspartner einen Wirtschafts- und Innovationsbeirat etablieren, dem die Handwerkskammern, die Industrie-- und Handelskammern, die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände und bei Bedarf auch wissenschaftliche Einrichtungen angehören sollen.“
Die Zielrichtung stimmt.
Nur, diesen Beirat gab es schon zu Zeiten der Wirtschaftsminister Gillo und Jurk. Bis ihn der unter Gewerkschaftsphobie leidende FDP-Minister abschaffte.
Gleiches gilt für die Wiederbelebung der Außenwirtschaftsstrategie, der Messeförderung sowie der Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Man sieht:
Es wird eine Zeit dauern, bis der von der sächsischen FDP in der Wirtschaftspolitik angerichtete Flurschaden behoben sein wird.
Dabei wünsche ich der SPD von Herzen, im Interesse der Beschäftigten im Land, viel Erfolg!
Mit Interesse und Genugtuung nehmen wir den im Koalitionsvertrag erfolgten Rückgriff auf Erfahrungen anderer Länder zu Kenntnis.
So zum Beispiel auf Brandenburger Regierungserfahrung hinsichtlich der gezielten Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe sowie der Aufnahme sozialer und tariflicher Standards in dafür geeignete Förderprogramme.
Auch den von uns geforderten Fusionsfonds finden wir als Ankündigung vor – Danke!
Also ein Dank, Herr Ministerpräsident, an die demokratischen Oppositionsfraktionen wäre schon angebracht gewesen, da wir einen großen Anteil daran haben, dass wir Sie nun zumindest in einigen Bereichen auf einen richtigeren Kurs gebracht haben
In den letzten 25 Jahren sind viele größere und kleinere Betriebe für immer von der Bildfläche in Sachsen verschwunden. Einher ging damit der Verlust von zigtausenden Arbeitsplätzen, vor allem im industriellen Bereich.
Ein aktuelles Beispiel beschäftigt derzeit die Menschen in Zwickau. Dort soll der Standort der Deutschen Bahn zur Fahrzeuginstandhaltung Ende 2015 geschlossen werden. Damit wird eine über hundertjährige Zwickauer Tradition eines Eisenbahninstandsetzungswerkes beendet. Zu DDR-Zeiten waren hier einmal über 3.000 Menschen beschäftigt. 2001 gab es einen Kampf um den Erhalt von rund 300 verbliebenen Arbeitsplätzen, und nun sollen die letzten 80 weg fallen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
was hat Ihre Regierung in den all den Jahren getan, um Standortschließungen zu verhindern?
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie endlich Ihre Verantwortung für bestehende Arbeitsplätze in diesem Land wahrzunehmen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was die über hunderttausend Langzeitarbeitslosen in Sachsen angeht, löst ein Blick in den Koalitionsvertrag Ernüchterung aus. Dort ist nichts Verbindliches zu finden.
Es ist die Rede davon, den Bund zu bestärken, (Zitat) „ein angemessen großes Programm zur Förderung langzeitarbeitsloser Menschen aufzulegen und zu finanzieren“.
Jedoch hat die Bundesarbeitsministerin Nahles gerade letzte Woche klargestellt, dass sie kein ordentliches Programm für mehr gute öffentlich geförderte Beschäftigung auf den Weg bringen will.
Es gibt also demzufolge zusätzlichen Mittel. Sie müssen also selbst handeln – Hoffen auf Berlin bringt nichts!
Die Bereiche der Gleichstellung und Antidiskriminierung sowie der Geschlechter‑, Lebensweisen- und Inklusionspolitik haben mit dem Ausscheiden der FDP allein schon rein rhetorisch einen spürbaren Aufschwung genommen.
Allerdings gilt auch hier: Bisher mehr Ankündigungen und Prüfaufträge als kalkulierbare Ergebnisse.
Natürlich begrüßen wir den höheren Stellenwert für Gleichstellung und Integration durch die Installation einer Ministerin in diesen Bereichen.
Eigentlich wäre ein eigenständiges kleines, aber feines Vollministerium vonnöten, denn es darf im Freistaat nicht so weitergehen wie bisher.
Als Beispiel nehme ich mal uns, den Sächsischen Landtag in punkto Frauen-Präsenz.
Wenn im bisherigen Schnecken-Tempo weitergemacht würde, gäbe es in 150 Jahren einen geschlechterparitätisch besetzten Landtag.
Im Klartext hieße das, der 36. Sächsische Landtag im Jahre 2.164 wäre dann soweit, wie die Fraktion DIE LINKE heute schon ist. So lange wollen wir nicht an der Spitze stehen. J
Die Vorlage eines Inklusionsgesetzes, d. h. die grundsätzliche Überarbeitung des bestehenden Integrationsgesetzes, wird von der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes und der Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes abhängig gemacht. Für uns bedeutet dies: In dieser 6. Legislaturperiode wird es wahrscheinlich kein Inklusionsgesetz geben.
In einem hatte die untergegangene FDP zweifelsfrei Recht:
Sachsen ist nicht Berlin.
Deshalb sollten Sie, werte Koalitionäre, auch bei diesem Thema den Mut zu mehr selbstständiger Politik aufbringen – gerade bei einer so wichtigen gesellschaftspolitischen Frage wie der Inklusion!
In der Asyl‑, Flüchtlings- und Migrationspolitik fehlen konkrete Aussagen dazu, mit welchen Mitteln (Zitat) „ein Klima der Akzeptanz, der Empathie und des gemeinsamen Miteinanders“ (S. 69) hergestellt werden soll.
Ein aufgeschlosseneres Klima kann nicht herbei beschworen werden, dazu brauchen wir das öffentliche Engagement aller Mitglieder der Staatsregierung – und nicht nur der neuen Ministerin oder des Ausländerbeauftragten.
Wir müssen uns alle aktiv, sichtbar und hörbar für dieses Klima einzusetzen.
Zum gesellschaftlichen Klima tragen Medien nicht unmaßgeblich mit bei. Das Bekenntnis zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der mehr leistet als nur eine Mindestversorgung, unterscheidet sich erfreulich deutlich von den öffentlichen Äußerungen des bisherigen Rundfunkministers Beermann. Auf unsere Zustimmung trifft auch, dass künftig neben privaten lokalen Fernsehstationen nichtkommerzielle Lokalradios eine Förderung erhalten sollen.
Eine frohe Botschaft des Koalitionsvertrages zu Europa lautet: (Zitat)
„Die sächsischen Interessen müssen auf EU-Ebene besser vertreten werden.“
Wir wollen „Europa in Sachsen“ und zum anderen „Sachsen in Europa“, d.h. die aktive Vertretung sächsischer Interessen in der EU.
Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass entsprechende strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden sollen, mit der Einrichtung eines Europaausschusses, der Verstärkung der Verbindungsbüros in Brüssel, Prag und Wrocław sowie der Wiedereinführung des Personalpools Europa in der Staatskanzlei. Wir wünschen uns aber, dass wie in Brandenburg eine Mitwirkung des Landes an der sozialen Dimension der EU stattfindet, dort haben SPD und LINKE u.a. vereinbart:
„In besonderer Weise sehen wir uns in der Verantwortung für die Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Union, vor allem der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und Armut. Soziale, ökologische, rechtsstaatliche und demokratische Standards sollen gestärkt und nicht ausgehebelt werden.“
So, lesen sich Aussagen in Koalitionsverträgen, wenn die LINKE mitregiert
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dass im Koalitionsvertrag keine einzige Silbe zur weiteren Modernisierung der Landesverfassung enthalten ist, enttäuscht uns.
Es gab am Ende der Legislaturperiode Einigkeit zwischen den Fraktionsvorsitzenden, weitere Vorhaben zur Änderung der Sächsischen Verfassung voranzubringen.
Wir müssen um die Fortschreibung einer einst mal modernen Verfassung ringen, wenn wir nicht den Zug der Zeit verpassen wollen. Dazu laden wir Sie ausdrücklich ein!
Zu den Problemen, die die Menschen bewegen, gehören drohende und zum Teil schon eingetretene Mietsteigerungen, entweder durch Wohnungsmangel in Dresden und Leipzig oder durch Sanierungsmaßnahmen.
Den Vorschlag der LINKEN aus der vergangenen Legislaturperiode, Baukostenzuschüsse mit Mietpreisbindung als erstrangiges Instrument aufzunehmen, haben Sie leider nur halbherzig, also ohne Mietpreisbindung, und eben nachrangig aufgenommen.
Damit werden Sie die Refinanzierungslücke aus Baukosten und entsprechendem Nettokaltmietpreis einerseits und Einkommensentwicklung andererseits bei der Schaffung von günstigem und barrierefreiem sowie energetisch saniertem Wohnraum nicht schließen können.
Sie fangen zwar im Koalitionsvertrag mit der Kultur an, aber:
Die Theater und Opernhäuser sind chronisch unterfinanziert und die Beschäftigten arbeiten zum großen Teil in Haustarifverträgen, was meist weniger Lohn und mehr Freizeit bedeutet.
Von der erheblich größeren Selbstausbeutung bei den vielen kleineren Kultureinrichtungen ganz zu schweigen.
Wenn man von den drei Seiten Kultur im Koalitionsvertrag die Grundsatzerklärungen und ‑bekenntnisse abzieht, dann bleibt an kulturpolitischer Substanz leider nicht viel übrig.
Die stagnierenden Kulturraummittel müssen in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt ist in den letzten Jahren stetig gesunken und beträgt noch rund zwei Prozent.
Es ist genau dieser Umstand, der den früheren Präsidenten des Sächsischen Kultursenats Dr. Ohlau im Vorwort des Fünften Berichts des Kultursenats zu einer eindringlichen Warnung bewog: (Zitat) „Damit wird einer Beschleunigung der negativen demografischen Entwicklung für viele Regionen Sachsens zusätzlich Vorschub geleistet.“
In der Hochschulpolitik hat sich die CDU mit ihren Forderungen gegen die SPD durchgesetzt. Das Kapitel „Hochschule und Wissenschaft“ im Koalitionsvertrag trägt die Handschrift der CDU. Das Beispiel Leipzig zeigt, wie in Sachsen die Profilbildung an den Hochschulen erfolgt: unkoordiniert und zu Lasten der Geistes- u. Sozialwissenschaften.
Es darf nicht sein, dass die Staatsregierung, unter Berufung auf die Autonomie der Hochschulen, diesen den Schwarzen Peter zuschiebt und von ihnen nur fordert, die Stellenkürzungen vorzunehmen – dort, wo sie es für richtig halten.
Die von Ihnen, Herr Ministerpräsident, als Träger der Richtlinienkompetenz letztlich zu verantwortenden konzeptlosen Kürzungen lassen langsam den humanistischen Geist aus der sächsischen Hochschullandschaft weichen!
Mit den 85 Mio. Euro, die Sachsen durch die Bundesfinanzierung des Bafög ab 2015 zusätzlich für die Bildungsfinanzierung zur Verfügung hat, wäre es aber zum Beispiel möglich, die vielfältigen Geisteswissenschaften einschließlich der Theaterwissenschaft an der Universität Leipzig als Studiengänge zu erhalten. Im Namen der Wissenschaft: Gehen Sie bitte diesen Weg!
Es gibt eine Reihe von weiteren Baustellen, bei denen Sie den Pfusch der Vorgängerregierungen beheben müssen:
Dass Sachsen Schlusslicht bei den Krankenhaus-Investitionen ist und hier sogar der auf Sparsamkeit getrimmte Rechnungshof dramatische Defizite sieht.
Dass die Verkehrspolitik unter Morlok den öffentlichen Nachverkehr und den Zugverkehr benachteiligt hat und vielen Menschen gerade auf dem Land die notwendige Mobilität vorenthält.
Dass die Kommunen zu wenig Spielraum bei Investitionen in Eigenregie haben. –
Die zu diesen und anderen Baustellen Reparaturmaßnahmen sind unzureichend, darüber werden wir in den nächsten Jahren noch oft zu sprechen haben. Heute will ich mich zum Schluss auf einen aktuellen Brennpunkt konzentrieren:
das heiße Eisen Braunkohle :
Sehr geehrter Herr Tillich, lieber Martin Dulig,
mit Bitt-Prozessionen nach Schweden lassen sich langfristig Tausende von Industriearbeitsplätzen in der Lausitz nicht sichern.
Wenn im vergangenen Jahr in Sachsen 37 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut wurden – so viel wie seit 1995 nicht mehr – zeigt das auch, dass Sie, meine Herren, die Braunkohle zurzeit nicht als Brücke in die Zukunft der erneuerbaren Energien, sondern in die Vergangenheit des fossilen Zeitalters nutzen. Das ist eine Sackgasse!
Folgen Sie bitte der Intention unseres letzten Antrages hier im Landtag vor der Sommerpause, in dem wir ein staatliches Forschungsprogramm als Inspiration eines langfristigen Strukturwandels gefordert haben.
Bisher zeigt Ihr kopfloser Umgang mit dem angekündigten Abschied von Vattenfall stellvertretend für den ganzen Start dieser Regierung:
Viel Kontinuität, wenig Dynamik. Schade eigentlich.
Ich verspreche Ihnen, dass wir Ihnen ordentlich einheizen werden, damit es noch was wird mit der Dynamik.
Glück auf!