Meine Rede in der Aktuellen Debatte „Asyl und Integration in Sachsen – unsere Verantwortung im Rahmen der europäischen und bundesdeutschen Flüchtlings- und Asylpolitik“
– Es gilt das gesprochene Wort! –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Tillich, Sie sind im Landkreis Bautzen zu Hause. Wahrscheinlich kennen Sie folgende Aussage: „Deutschland ist kein Schlaraffenland, das jedem, der meint, hier ohne Arbeit und ohne Integrationswillen finanziell durchgefüttert zu werden, ein für ihn angenehmes Leben ermöglicht.“ Es handelt sich um einen Satz aus einer Verlautbarung des CDU-Kreisvorstandes.
Natürlich und Gott sei dank ist diese Position in der CDU nicht die Norm, und ich bin dem Kollegen Marko Schiemann ausdrücklich dankbar, dass er sich als Bautzener CDU-Landtagsabgeordneter von dieser Aussage des CDU-Kreisvorstandes Bautzen zur Asylpolitik distanziert hat. Leider war der Satz aber kein Ausrutscher. Wie sollen wir es denn bewerten, wenn der Landrat Michael Harig von der Landesdirektion eine – ich zitiere – „Atempause“ bis zum Jahresende verlangt, weil sich die Verwaltung eines Kreises mit 300.000 Einwohnern außerstande sehe, weitere 30 Flüchtlinge unterzubringen?
Zuvor hat Herr Harig die Notunterkunft für Flüchtlinge in Großröhrsdorf unter Berufung auf Vorkommnisse geräumt, zu denen auch der vermeintliche Überfall eines Asylsuchenden auf einen jungen Mann aus der Nachbarschaft gehörte. Inzwischen hat die Polizei bekanntgegeben, dass die scheinbare Straftat vom angeblichen Opfer frei erfunden war – aus ausländerfeindlicher Gesinnung heraus. Die Kapitulation des Landratsamtes Bautzen in Großröhrsdorf diente gleichwohl als rhetorischer Brandbeschleuniger bei PEGIDA in Dresden.
Ja, es gibt Probleme vor Ort. Wir haben ein offenes Ohr für Menschen, die sich an uns wenden: Für den Arzt auf dem Land, der wegen des Ärztemangels auch ohne Flüchtlingsheim in der Nähe nur mit Mühe alle Patientinnen und Patienten versorgen konnte und sich nun überfordert sieht. Für die Kindergärtnerinnen, denen in ohnehin schon übergroße Gruppen Woche für Woche zusätzlich Flüchtlingskinder hineingegeben werden, denen sie kaum gerecht werden können. In beiden Fällen treten langjährige landespolitische Defizite zutage, die auch bestehen würden, wenn kein einziger Flüchtling Sachsen betreten würde.
Im laufenden Jahr haben bisher 158.000 Menschen in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt. Daraus ergeben sich auch in Sachsen Herausforderungen, aber keine unlösbaren Probleme. In Sachsen wird bis Jahresende mit 11.000 Flüchtlingen gerechnet. Zum Vergleich: Im letzten Jahr sind aus anderen EU-Staaten, vor allem aus Südeuropa, insgesamt 300.000 mehr Menschen nach Deutschland eingewandert als in diese Länder zurückgekehrt. Darüber hat sich niemand aufgeregt, und das ist auch gut so. Im Gegenteil, es wurden viele schöne Artikel über junge griechische und spanische Fachkräfte geschrieben und manche Landarztpraxis besetzt.
Wenn wir Asyl und Integration in Sachsen wollen, müssen wir auch die Probleme lösen, die die Politik selbst geschaffen hat. Da ist die Teilung in gute und böse Ausländer. Die müssen wir überwinden. Da ist der Sprachgebrauch, der Flüchtlinge wie eine Heimsuchung durch Naturgewalten darstellt. Dagegen müssen wir das Wort erheben.
Zu unserer Verantwortung im Rahmen der europäischen Asylpolitik gehört auch Wahrhaftigkeit: Norwegen nimmt gemessen an der Einwohnerzahl fünf Mal so viele Flüchtlinge auf wie die Bundesrepublik Deutschland. In Sachsen beträgt der Anteil der 2014 hierher Geflüchteten kaum 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Angesichts der vielen Kriege und Krisen in der Welt, an denen Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur der Welt seinen Anteil hat, dürfen wir uns der humanitären Verantwortung nicht entziehen. Und wer sich auf Schnäppchenjagd bei Primark begibt und damit von sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in anderen Weltgegenden profitiert, sollte aufhören, sich moralisch über sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge zu erheben.
Es gibt nur eine Welt und eine Sehnsucht nach einem Leben in Frieden und sozialer Sicherheit. Deshalb gilt für uns LINKE in der Asylpolitik auch in Sachsen: Wir hören auf den Papst und nicht auf PEGIDA!