Ausstellungseröffnung aus Anlass der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz: „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Dr. Preussker-Franke, sehr geehrte Dame und Herren Zeitzeugen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich begrüße Sie alle auf das Herzlichste zur Eröffnung unserer Ausstellung „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“, die wir aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 nun erstmals im Landtag zeigen wollen.
Vorab:
Vielen Dank dem Jüdischen Frauenverein Dresden e.V., der die Ausstellung verantwortet und für 4 Wochen zur Verfügung stellt.
Der 27. Januar 1945, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Das ist notwendig.
Den Soldaten der Roten Armee, ja der ganzen Welt wurde gewahr, was bis dahin nur die Opfer und die Täter des Holocaust wussten – und nur wenige Menschen ahnten: Die ganze Dimension des Grauens, der Barbarei und der Unmenschlichkeit, die mit dem Völkermord im Namen des deutschen Volkes an den europäischen Juden nicht nur in Auschwitz, aber vor allem dort geschah.
Keines der hierfür geprägten Begriffe wie, Genozid, Völkermord, Holocaust, Judenvernichtung u.a. vermögen dieses Ausmaß von Schuld und Entmenschlichung, Gewalt und Erniedrigung, Schmerz und Verlust, Trauer und Leid widerzugeben.
Es sind vor allem die Bilder, die Bilder, die wir nach dem Besuch der KZ-Gedenkstätten oder nach einem Dokumentarfilm in unserem Kopf haben: von Leichenbergen, von Folterkellern, von medizinischen Versuchen, von Verbrennungsöfen, die Berge von Brillen, Schuhen, Haaren…
Bilder, die uns zutiefst erschütterten, die wir nicht wieder loswerden und die immer vor unseren Augen stehen, wenn das Wort Auschwitz fällt.
Es wurde und wird immer mal wieder der drohende Untergang des Abendlandes beschworen, gerade hier in Dresden.
Auschwitz ist für alle Zeiten Mahnmal des absoluten Kollapses aller sogenannter abendländischer Werte, des vollständigen Zusammenbruchs abendländischer Zivilisation.
In den langen historischen Schatten dieses beispiellosen historischen Desasters blicken wir jetzt wieder beinahe im Wochentakt, nachdem sich eine vermeintlich patriotische Bewegung zur Rettung des Abendlandes von Dresden aus aufgemacht hat.
Ihr Gründungsführer gefällt sich in Hitler-Pose und vergiftet – wie viele seiner Mitstreiter – mit schon gewohnheitsmäßig menschenverachtenden Äußerungen über Ausländer das gesellschaftliche Klima.
Wenn Migranten-Familien in Dresden beginnen, montags ihre Kinder aus Angst nicht mehr in den Kindergarten zu bringen, wenn Menschen aus außereuropäischen Kulturkreisen überlegen, vorsichtshalber Sachsen zu verlassen, dann ist es höchste Zeit zur Umkehr.
Bei allem individuellen Verständnis für Menschen, die aus unterschiedlichen sozial und psychisch erklärbaren Gründen zu Mitläufern antihumaner Organisationen oder Bewegungen geworden sind oder werden – das größte Verständnis und das tiefste Mitgefühl müssen wir den Opfern solcher Barbareien zuteilwerden lassen.
Deshalb sage ich hier bewusst ohne jede Relativierung: Das Ausmaß des öffentlichen PEGIDA-Verstehens hat längst die Grenzen des Erträglichen überschritten. Die politische Bildung und der Anstand gebieten es, Rassismus Rassismus zu nennen, das ist im Namen unserer abendländischen Zivilisation und in Anbetracht der jüngeren deutschen Geschichte nun wirklich alternativlos!
Wer heute 70 Jahre nach Auschwitz noch oder schon wieder sagt:
So sei es nicht oder nicht ganz so schlimm gewesen, der verteidigt, was dort an Unmenschlichkeit geschah, und wäre fraglos bereit, zuzusehen oder mitzutun, wenn es wieder geschieht.
Und da ist dieses Volk, seit Jahrhunderten gedemütigt, vertrieben, verfolgt, das um Millionen von Opfern trauert, das hat so einen Satz:
Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte.
Dieser außerordentliche Satz wird sehr oft zitiert. Und wenn derjenige auch nicht immer weiß, dass er dem babylonischen Talmud und so übrigens auch im Koran, (Sure 5:32) steht, so wird mit ihm doch auf einmalige Art die Hoffnung, die Zuversicht und die Gewissheit zum Ausdruck gebracht, dass das Gute im Menschen, die Menschlichkeit obsiegt.
Der Staat Israel hat mit der Gedenkstätte YAD VASHEM dem Holocaust und seinen Opfern ein Denkmal gesetzt, das mit dem „Garten der Gerechten unter den Völkern“ auch an all die mutigen Menschen erinnert, die ihr eigenes Leben riskierten, um ihre jüdischen Nachbarn oder geflohene jüdische Zwangsarbeiter vor dem sicheren Tod zu bewahren.
In Nazi-Deutschland waren es Hertha und Kurt Fuchs aus Dresden-Oberpoyritz, die genauso wie andere nicht scheuten, verfemtes jüdisches Leben zu beschützen, und deren Namen auf den „Tafeln der Gerechten“ mit der Überschrift „Germany“ stehen.
Leider bewiesen viel zu wenige deutsche Frauen und Männer diesen Mut; wir wollen auch ihr Vermächtnis heute ehren.
Mit der Ausstellung „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ werden 10 Menschen portraitiert, die den Nazis ihren bescheidenen Widerstand entgegen setzten und damit die Schutzbehauptung widerlegten, der Einzelne habe nichts gegen die staatliche Judenvernichtung tun können.
Im Gegenteil: Es kommt immer auf jeden Einzelnen an. Er oder Sie muss die Welt retten.