Lieber Bernd, vie­len Dank für deine Aus­führun­gen.

Der soge­nan­nte Markenkern unser­er Partei — also das, was unsere poten­tiellen Wäh­lerin­nen und Wäh­ler, aber auch alle anderen mit uns verbinden, ist das Soziale, ist die soziale Frage. Alle Unter­suchun­gen, alle Erhe­bun­gen und Befra­gun­gen zeigen, dass dieses Ker­nele­ment unseres Pro­fil im Prinzip unver­rück­bar fest ste­ht.

Wir haben in der Ver­gan­gen­heit in unseren Diskus­sio­nen und Debat­ten her­aus­gear­beit­et, dass diese soziale Frage unter ver­schiede­nen Aspek­ten bear­beit­et wer­den kann und wer­den muss.

Ob dies der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit oder der sozialen Sicher­heit ist, manch­mal auch die Frage des sozialen Zusam­men­halts — wir sind gut berat­en, unsere Antworten konkret zu geben. Weil, das sind die Erwartung­shal­tun­gen von Wäh­lerin­nen und Wäh­lern.

Eine dieser Antworten war und ist der Min­dest­lohn und nach der Debat­te am Don­ner­stag im Land­tag, wo wir einen Antrag zu einem Min­dest­lohn­mon­i­tor­ing gestellt haben und den Hin­weisen die ich bekom­men habe, wie der Min­dest­lohn auch hier konkret in Sach­sen umgan­gen wird, muss das ein The­ma für DIE LINKE bleiben – nicht nur wegen der Höhe.

Ähn­lich wichtig kann und muss in meinen Augen der Kampf um ein Leben in Men­schen­würde für alle geführt wer­den, begin­nend mit der Kinder­grund­sicherung und der sol­i­darischen Min­de­strente.

Vie­len von uns hier im Lan­desver­band scheint das selb­stver­ständlich, aber auf Bun­desparteita­gen waren das hart umkämpfte Entschei­dun­gen und außer den Beschlüssen dazu ist ja noch nicht viel passiert.

Eben­so zählt zu diesen pro­filschär­fend­en Ansätzen die vom Parteivor­stand auf beson­dere Ini­tia­tive der bei­den Vor­sitzen­den ins Leben gerufene Kam­pagne gegen prekäre Arbeit. Wir haben uns im Lan­desvor­stand mehrfach dazu ver­ständigt und hat­ten dazu auch Kat­ja und Caren zu Gast und   Bernd Du hast heute ja auch noch ein­mal die Gele­gen­heit genutzt, uns umfassend zu informieren.

Der Lan­desvor­stand hat ein­stim­mig beschlossen, diese Kam­pagne zu unter­stützen und mitzu­tra­gen. Und auch die Land­tags­frak­tion wird ihren Teil dazu beitra­gen, dass wir mit der Kam­pagne „Das muss drin sein!“ unser Pro­fil als Partei der sozialen Frage aus spez­i­fis­ch­er säch­sis­ch­er Sicht weit­er schär­fen.

Denn eines ist klar: Wir müssen bere­it sein, unsere grund­sät­zliche Hal­tung immer wieder tage­sak­tuell in Vorschläge und Forderun­gen zu über­set­zen, die mit der Lebenswirk­lichkeit der Men­schen zu tun hat.

Nur wenn das gelingt, kön­nen wir mit unserem Pro­fil erfol­gre­ich sein, das passiert eben nicht von allein son­dern durch die beständi­ge Wieder­hol­ung unsere Vorschläge.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

wenn wir uns bis zum Lan­desparteitag im Sep­tem­ber in die Debat­te dazu begeben, was nun die richtige Strate­gie für unsere Partei ist, dann müssen wir fol­gen­des ins Auge fassen.

Wie ist die Bun­despartei aufgestellt? Was sind unsere großen The­men, Kam­pag­nen und unser Pro­fil? Weil für DIE LINKE gilt — in noch deut­lich stärk­erem Maße, als für andere Parteien — dass wir mit den „großen Fra­gen“ iden­ti­fiziert wer­den.

Weil die soziale Frage in all ihren Aspek­ten –ist ja eine glob­ale Men­schheits­frage.

Oder auch die Frage nach Krieg und Frieden, nach einem Leben in Sicher­heit, nach der Garantie der Men­schen­rechte — ja, auch dies ganz klar sehr grund­sät­zliche und tiefge­hende Fra­gen, mit denen uns viele iden­ti­fizieren.

Deshalb waren wir auch extrem erfol­gre­ich, als die vielle­icht schw­er­wiegend­ste sozialpoli­tis­che Verän­derung des let­zten Viertel­jahrhun­derts — die soge­nan­nten Hartz IV-Refor­men — auf der Tage­sor­d­nung standen.

Im Kern müssen wir uns sog­ar eingeste­hen, dass ohne diese Attacke der Schröder-Fis­ch­er-Admin­is­tra­tion auf die überkomme­nen sozialen Sicherungssys­teme, auf die Rechte und legit­i­men Ansprüche der Arbeit­nehmerin­nen und Arbeit­nehmer unsere Partei in der derzeit­i­gen Form wahrschein­lich nicht existieren würde.

Die Empörung und der Wider­stand aufrechter Sozialdemokrat­en, zahlre­ich­er Gew­erkschafter und Gew­erkschaf­terin­nen und darüber hin­aus aber­tausender Men­schen, die auf der Straße ihrem Unmut Luft macht­en waren damals und sind bis heute einzi­gar­tig geblieben, es ist mit weit­em Abstand der stärk­ste soziale Protest, den wir in der Geschichte der BRD seit 1990 gese­hen haben.

Auch im Ergeb­nis der Analyse der Land­tagswahlen vom August ver­gan­gen Jahres, hat es auf Ini­tia­tive von zwei engagierten Gew­erkschaftern, indem Falle des DGB-Lan­desvize Markus Schlim­bach und von unserem Klaus Tis­chen­dorf eine gemein­same Arbeits­ber­atung mit hochrangi­gen säch­sis­chen Gew­erkschaftern und Genossin­nen und der LINKEN geben.

Dieses 10 zu 10 Tre­f­fen hat uns ermöglicht, alle in der Ver­gan­gen­heit ent­stande­nen Irri­ta­tio­nen auf den Tisch zu pack­en und auszuräu­men. Nicht ver­hehlen möchte ich dabei, dass in diesem Zusam­men­hang deut­lich gewor­den ist, dass im Vor­feld so manche Infor­ma­tion nur — fre­undlich aus­ge­drückt — unvoll­ständig trans­portiert wur­den.

Wichtiger jedoch ist, dass wir die Beibehal­tung und die Fort­set­zung der engen Arbeit­skon­tak­te vere­in­bart haben. Ich denke, dass dies der LINKEN. Sach­sen als der Partei, die die Inter­essen all der Men­schen im Land ver­tritt, die ihr Leben aus eigen­er Arbeit gestal­ten — genau­so wie all der­er, die durch die kap­i­tal­is­tis­chen Ver­w­er­tungslogik an den Rand gedrängt wur­den und wer­den, all der­er, die, egal ob Rent­ner oder Kind, von Armut bedro­ht sind — gut zu Gesicht ste­ht.

Ja klar, ich weiß — jet­zt werde ich sich­er gle­ich kri­tisiert, weil ich nicht ganz voll­ständig war.

Klar sind wir auch die Partei, die dafür kämpft, dass Men­schen unab­hängig von Herkun­ft und Geschlecht ihren Lebensen­twurf gestal­ten kön­nen. Aber ich sage auch eines: Das eine darf das andere nicht auss­chließen!

Liebe Genossin­nen und Genossen,

in Vor­bere­itung auf meine heuti­gen Aus­führun­gen habe ich einen Begriff gefun­den, den ins­beson­dere unsere Vor­sitzende Kat­ja Kip­ping häu­fig zu ver­wen­den gezwun­gen ist, näm­lich den Begriff des „Nüt­zlichkeit­sras­sis­mus“.

Dieser Nüt­zlichkeit­sras­sis­mus ist eines der Resul­tate der neolib­eralen Offen­sive der ver­gan­genen Jahrzehnte im öffentlichen Bewusst­sein.

Bere­its vor sieben Jahren hat Kat­ja dazu fol­gen­des gesagt:

„Het­ze gegen Erwerb­slose ist nur zu oft die Begleit­musik zur Kürzung von Sozialleis­tun­gen. Hel­mut Kohl, Ger­hard Schröder und viele andere vor ihnen haben die Faul­heits­de­bat­ten immer dann ins Spiel gebracht, wenn soziale Ein­schnitte anstanden.“ (Zitat Ende)

Liebe Genossin­nen und Genossen, ger­ade mit Blick auf das, was ger­ade in Sach­sen passiert, ob nun mit Pegi­da in Dres­den oder in der beson­ders extremen und wider­lichen Form mit Legid in Leipzig:

Wir LINKEN ste­hen in der Pflicht, jeglichem men­schen­ver­ach­t­en­den Denken und Han­deln entsch­ieden ent­ge­gen­zutreten!

Es gibt kein Ver­ständ­nis für Ras­sis­mus und Men­schen­ver­ach­tung, wed­er gegen Flüchtlinge und Migranten noch gegen Erwerb­slose.

Hier müssen wir klar STOP sagen, auch wenn uns das Stim­men kostet, weil es gibt den Markenkern, den ich am Anfang beschrieben habe und das Soziale hat was mit der Würde des Men­schen zu tun und die ist nicht ver­han­del­bar, sie gilt für die allein­erziehende Mut­ter aus Schnee­berg, genau­so wie für die syrische Fam­i­lie die vor dem Bürg­erkrieg in ihrem Land fliehen musste.

Wer ver­meint, hier im Trüben fis­chen zu wollen, wird wenig gewin­nen und viel ver­lieren.

 

Liebe Genossin­nen und Genossen,

dass wir mit den Ergeb­nis­sen zur Land­tagswahl im ver­gan­genen Herb­st nicht zufrieden sind, hat sich ja mit­tler­weile herumge­sprochen.

In zahlre­ichen Diskus­sio­nen in den Gremien, mit Kan­di­dieren­den, mit Wahlver­ant­wortlichen und natür­lich in den Organ­i­sa­tio­nen der Basis disku­tierten wir das ziem­lich inten­siv.

Ins­beson­dere Antje und Ste­fan möchte ich an dieser Stelle danken, die sehr, sehr viele dieser Gespräche in den Orts — und Kreisver­bän­den mit den Genossin­nen vor Ort führen. Genau das ist oft­mals wichtiger, als dieser oder jen­er Gremienbeschluss oder Zeitungsar­tikel.

Uns ist es in Sach­sen nicht gelun­gen, den seit ca. 2009 zu beobach­t­en­den Trend sink­ender Wahlergeb­nisse in nahezu allen Bun­deslän­dern, bei Bun­destagswahlen und Europawahlen zu durch­brechen. Für Ost­deutsch­land ist ja sog­ar schon seit 2005 zu beobacht­en, dass wir — in absoluten Zahlen gese­hen, seit damals, von immer weniger Men­schen gewählt wer­den.

Ins­beson­dere Horst Kahrs hat dazu weg­weisendes aufgeschrieben.

Nun ist deut­lich zu sehen, dass die Ver­luste der LINKEN in den ver­gan­genen fünf Jahren nicht ein­heitlich sind. Nehmen wir vorneweg Thürin­gen: die dort ver­lore­nen 20Tausend Stim­men fall­en erst mal gar nicht auf wegen der gerin­geren Wahlbeteili­gung — rel­a­tiv sind wir ja dort gestiegen.

In diesem Zusam­men­hang will ich nochmal auf ein über­raschen­des Phänomen aufmerk­sam machen:

Eine größere Zus­pitzung als sie der thüringis­che Wahlkampf geboten hat, habe ich bei Land­tagswahlen sel­ten, im Osten noch nie erlebt.

Und den­noch sinkt die Wahlbeteili­gung.

Warum rede ich über die Land­tagswahlen in Thürin­gen?

Ich sage das deshalb, weil ich darauf aufmerk­sam machen möchte, dass wir hier im Osten ein sehr tief gehen­des Prob­lem haben. Wenn wir uns dafür keine Lösung, keinen gemein­samen Ansatz erar­beit­en, wer­den wir von ein­er Partei, die Ergeb­nisse um die 20–25% mit Aus­reißern nach oben oder unten erringt zu ein­er Partei, die 15–20% mit Aus­reißern erringt.

Unsere Ergeb­nisse bei den Jün­geren ver­weisen genau auf diesen Kor­ri­dor.

Nun ein­fach zu hof­fen, dass die Leute mit zunehmen­dem Alter klüger wer­den und links wählen, wäre sich­er auch nicht rat­sam, auch wenn das aktuell in den Wahlergeb­nis­sen so ist. .

Deshalb beste­ht tat­säch­lich die Auf­gabe, neue Wäh­ler­schicht­en anzus­prechen.

Diese Wäh­ler­schicht­en find­en wir ins­beson­dere in jenen Alters­grup­pen, die grob gesagt unter 50 sind, denn dort sind unsere Ergeb­nisse seit sehr langer Zeit, nahezu seit 25 Jahren deut­lich unter­durch­schnit­tlich.

Aber selb­stver­ständlich ist dies nicht zuerst als Gen­er­a­tio­nen­prob­lem zu definieren. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, in welchen Leben­szusam­men­hän­gen ste­hen die Men­schen in diesen Alters­grup­pen, was sind ihre her­aus­ra­gen­den sozialen Prob­leme — aber auch:

Was sind ihre Werte und Ein­stel­lun­gen. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, häu­fig schauen wir LINKE ja nur auf diese oder jene sozial-ökonomis­chen Dat­en und ver­meinen dann sagen zu kön­nen, dass die Leute dieses oder jenes Prob­lem haben.

So funk­tion­iert das aber nicht. Wir müssen sog­ar kon­sta­tieren, dies ist im übri­gen eines der span­nen­den Ergeb­nisse ein­er jährlich wieder­holten Studie der Rosa-Lux­em­burg-Stiftung, dass es zu einem sehr grund­sät­zliche Werte­wan­del gekom­men ist, der ins­beson­dere in diesen jün­geren Alters­grup­pen zu verze­ich­nen ist. Auch wenn die Kol­le­gen Wis­senschaftler da in der Inter­pre­ta­tion angemessen vor­sichtig sind, halte ich die Arbeit­s­these, dass das neolib­erale, allum­fassende ide­ol­o­gis­che Trom­melfeuer Wirkung zeigt, für angemessen.

Ein Beispiel, dass zunächst banal klingt: Die in der Studie befragten Men­schen beurteilen die all­ge­meine wirtschaftliche Lage sehr stark aus­ge­hend von ihrer eige­nen wirtschaftlichen Lage. Das klingt erst mal wenig aufre­gend. Inter­es­sant wird es aber dann, wenn man fest­stellt, dass dies vor Jahren anders war, da war näm­lich die eigene wirtschaftliche Lage nur ein Kri­teri­um, die von Fam­i­lie, Fre­un­den oder Bekan­nten jedoch spielte deut­lich stärk­er in die Beurteilung hinein.

Ich will an dieser Stelle nun nicht zu weit greifen, ich denke, dass wir die Autoren dieser Studie dem­nächst mal ein­laden soll­ten. Inter­es­sant für uns ist jedoch, dass wir auf diesen Ein­stel­lungswan­del reagieren müssen.

Und ehe nun die weniger gutwilli­gen begin­nen zu speck­ern: da geht es nicht um Anpas­sung oder Oppor­tunis­mus. Son­dern darum, dass wir die Men­schen in diesem Land ernst nehmen, dass wir ihre Inter­essen wahrnehmen und uns nicht als Ober­lehrer auf­führen, die am Ende doch bess­er wis­sen, was für die Leute gut ist.

Und eines noch: DIE LINKE ist in den ver­gan­genen 25 Jahren niemals eine Partei gewe­sen, die auch nur ansatzweise in die Ver­legen­heit kam, eine Mehrheit der Stim­men auf sich zu ver­sam­meln. Im Osten haben uns im Ver­lauf der let­zten Jahrzehnte so zwis­chen 8 und 15% der Wahlberechtigten ihre Stimme gegeben, und im Bun­dess­chnitt so zwis­chen 2,5 und 7%. Wir soll­ten uns also nicht so auf­führen, als ob wir es allen recht machen müssten, als ob wir jed­er Sau, die durchs Dorf getrieben wird, hin­ter­her ren­nen müssen und als ob wir qua­si nur noch die richtige Losung erfind­en müssten und die Mehrheit würde uns sich­er sein.

Das Rin­gen um neue Wäh­ler­schicht­en ist ein müh­sames Geschäft und sich­er kein ein­fach­er, großer Wurf. Die Kam­pagne gegen prekäre Arbeit und prekäres Leben kann dabei ein wichtiger Baustein sein!

Also es gibt gemein­sam viel zu tun! Pack­en wir‘s an!