„Mindestlohn: Update 2.0? Mindestlohn zwischen Bürokratismus und Lebenswirklichkeit
Eröffnungsstatement zur Mindestlohnveranstaltung der Fraktion am 20. Mai 2015:
Kein Thema hat DIE LINKE so lang und so intensiv beschäftigt wie der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn. Es sieht nicht so aus, dass die Diskussion über den Mindestlohn mit seiner Einführung nachlässt – im Gegenteil: Nun wird in einer breiten Öffentlichkeit mit großer Heftigkeit über die Folgen und den Umgang damit gestritten. Das ist durchaus positiv, nimmt es doch den Mindestlohn als gesellschaftspolitisches Schlüsselthema ernst. Nun ist aber bekannt, dass DIE LINKE bzw. ihre hiesige Vorgängerpartei PDS auch eine Partei der Selbstständigen und der kleinen Unternehmerinnen und Unternehmer ist. Das hatte einmal historische Gründe, die ich hier gar nicht weiter ausführen möchte. Diese linke Kleinunternehmerschaft hat sich auch seit den neunziger Jahren innerhalb der Partei organisiert und zu Wort gemeldet. Es gehört zur wirtschaftlichen Realität Sachsens der letzten 25 Jahre, dass auch in diesem linken Unternehmermilieu Selbstausbeutung und untertarifliche Bezahlung von Beschäftigten keine Ausnahme war. Willkommen in der Wirklichkeit zu sagen heißt aber bekanntlich, diese Realität nicht nur unterschiedlich zu interpretieren, sondern sie auch nach Kräften zu verändern. Auf Dauer darf es nach unserer Meinung keine Geschäftsmodelle geben, die vollzeitarbeitende Menschen zu Sozialfällen machen. Insofern sehen wir den nunmehr geltenden flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn als ersten Schritt in die richtige Richtung. Das Ja zu der Frage nach dem Ob ist aber keine bedingungslose Verbeugung vor dem Wie. Und ich gebe gern zu, dass ich – als bekennender demokratischer Sozialist – schon in den letzten Wochen manchmal beim Thema Mindestlohn mit dem Kopf geschüttelt habe. Ja, ich bin für eine Dokumentationspflicht. Ja, ich bin auch für Kontrollen. Ob aber jede Reglung des Gesetzes richtig sind, da habe ich leichte Zweifel. Der Rückgang der Mini-Jobs, mit dem nun der von manchen befürchtete Arbeitsplatzverlust gewissermaßen statistisch bestätigt werden soll, zählt für mich ausdrücklich nicht zum Problematischen. Wir LINKE haben zwar nichts dagegen, wenn sich Leute aus freien Stücken und ohne Not etwas hinzuverdienen wollen. Wir haben aber etwas gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die seit einigen Jahren immer mehr um sich greifen. Aus unserer Sicht muss die reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, deren Entlohnung ein Leben ohne Armut ermöglicht, im Mittelpunkt des Arbeitsmarktes stehen.
Nirgendwo sonst in Deutschland profitieren so viele Menschen unmittelbar vom Mindestlohn wie in Sachsen. Das verweist zugleich auf das fatale Erbe von zweieinhalb Jahrzehnten Niedriglohn-Politik unter der Regie der CDU. Es zeigt aber neben sozialpolitischen auch enormen wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf. Denn viele Unternehmen zahlen ja nicht nur deshalb schlecht, weil die Gewerkschaften in Sachsen zu schwach sind oder weil sie ihrer Belegschaft vorsätzlich eine angemessene Bezahlung vorenthalten.
Sondern weil sie sich durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dazu genötigt sehen. Das habe ich bei mehreren Touren durch Sachsen und seine klein- und mittelständische Wirtschaft vielerorts anschaulich erfahren.
Den realexistierenden gesetzlichen Mindestlohn von links zu kritisieren ist richtig und notwendig, weil er in derzeitiger Form weder vor Altersarmut schützt noch etwas an der erniedrigenden und entmündigenden Sozialbürokratie ändert, die nicht dadurch besser wird, dass sie ihre Opfer „Kunden“ nennt.
Da es aber auch Stimmen gibt, die nunmehr Existenzängste von Unternehmerinnen und Unternehmer durch den Mindestlohn artikulieren, haben wir uns bewusst für eine bunte Zusammensetzung der heute hier Diskutierenden entschieden: Über den Mindestlohn als notwendiges Instrument zur Existenzsicherung aus Sicht der Bundestagsfraktion DIE LINKE sprechen die zwei stellv. Fraktionsvorsitzenden der LINKEN Sabine Zimmermann und Klaus Ernst.
Zu den Auswirkungen des Mindestlohns aus Sicht der sächsischen Wirtschaft wird Frank Gliemann von der DEHOGA Sachsen das Wort ergreifen.
Von Seiten unserer Fraktion wird die Diskussion moderiert von unserem gewerkschaftspolitischen Sprecher Klaus Tischendorf, Zusammenfassung und Ausblick am Schluss liegen in den Händen von Nico Brünler, Sprecher für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Landtags-Linksfraktion.
Gerade wir LINKE haben eine Verpflichtung, die weitere praktische Entwicklung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns nicht allein denen zu überlassen, die ihn eigentlich nicht wollten.
Da meine Aufgabe heute die Begrüßung ist, werde ich nicht der Versuchung erliegen, ein einführendes Koreferat zu halten, sondern freue mich nun auf einen interessanten, kontroversen und fairen Abend mit Euch und Ihnen. Wenn wir hinterher sagen können „Es hat sich mindestens gelohnt, einander zuzuhören“, dann hat auch diese Mindestlohn-Debatte ihren Sinn gehabt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!