Vorstellung von Vorschlägen der Linksfraktion zum Thema Asyl in Sachsen – was jetzt vor allem zu tun ist

Mein State­ment zur heuti­gen Pressekon­ferenz über die aktuelle Asylpoli­tik im Freis­taat:

_DSC5469 Eigentlich woll­ten wir heute den Entwurf eines eige­nen Hand­lungskonzepts Asyl in Sach­sen vorstellen. Wir glauben aber, dass wir den üblichen Wet­tbe­werb zwis­chen Regierung und Oppo­si­tion an Tagen wie diesen bei­seit­e­lassen müssen. An Tagen wie diesen, an denen Sach­sen durch die Hei­de­nauer Krawalle, mit denen vorüberge­hend sog­ar die Ankun­ft von Kriegs­flüchtlin­gen block­iert wird, weltweit zum Zeichen von Unmen­schlichkeit wird. An Tagen wie diesen, an denen ein Bürg­er­meis­ter im Erzge­birge die Bevölkerung zum Protest gegen eine Asyl-Unterkun­ft aufruft. Ein Tief­punkt bun­des­deutsch­er Kom­mu­nalpoli­tik. An Tagen wie diesen, an denen eine renom­mierte deutsche Wochen­zeitung den Freis­taat Sach­sen wegen grassieren­der Frem­den­feindlichkeit zum Aus­tritt aus der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land auf­fordert. An solchen Tagen brauchen wir einen parteiüber­greifend organ­isierten Neustart für die Gesellschaft in Sach­sen. Die zus­tim­menden Reak­tio­nen von CDU und SPD auf die von LINKEN und GRÜNEN vorgeschla­gene Son­der­sitzung des Land­tages zu Asyl in Sach­sen stim­men mich zuver­sichtlich, dass dies möglich ist. Ich wün­sche mir diese vier Frak­tio­nen bzw. Parteien in einem Boot bei diesem Schlüs­selthe­ma.

Die AfD hat sich mit dem parteipoli­tis­chen Miss­brauch der aktuellen Her­aus­forderun­gen für Demon­stra­tionszwecke endgültig ins Abseits manövri­ert. Kein vernün­ftiger Men­sch kann beim The­ma Asyl eine Ini­tia­tive unter­schreiben, bei der die AfD mit­mis­cht.

Natür­lich wer­den wir uns nicht zulet­zt mit der CDU nie asylpoli­tisch eini­gen. Auf Lan­desebene muss es derzeit­ig in erster Lin­ie um die human­itäre Umset­zung von vorhan­de­nen Geset­zes­la­gen gehen.

Deshalb glaube ich, dass selb­st demokratis­che Sozial­is­ten und Christ-Demokrat­en hier ein Stück des Weges zur Über­win­dung der derzeit­i­gen untrag­baren Asyl-Ver­hält­nisse in Sach­sen gemein­sam gehen kön­nen, ja sollen, ja eigentlich sog­ar müssen, wenn sie ihre Ver­ant­wor­tung gegenüber allen Men­schen im Land ernst nehmen. Und zu dieser Ver­ant­wor­tung hat sich jed­er Abge­ord­nete und jedes Regierungsmit­glied in der Verei­di­gung bekan­nt.

Auf der Grund­lage der Aus­sagen des Min­is­ter­präsi­den­ten bei sein­er let­zten Regierungserk­lärung am 9. Juli 2015, als er gesagt hat: „Ganz klar und deut­lich: Ras­sis­mus ist eine Schande. Ras­sis­mus ist der Nährbo­den für

Ver­brechen. Diesen Nährbo­den darf es nicht geben. Wir müssen uns immer wieder bemühen, ras­sis­tis­che und men­schen­ver­ach­t­ende Hal­tun­gen aus den Köpfen zu bekom­men.“,

biete ich der Koali­tion Fol­gen­des als mögliche Basis eines prak­tis­chen Kon­sens­es an:

  • Wir verzicht­en gemein­sam darauf, darüber zu stre­it­en, welche Zahl von Flüchtlin­gen an welchem Ort zumut­bar ist oder nicht. Geflüchtete sind keine Belas­tung, son­dern eine Her­aus­forderung. Als gebür­tiger Erzge­birg­er sage ich auch den Men­schen in Schnee­berg: Wenn wir in Sach­sen bis zum Jahre­sende weit­ere 25.000 Men­schen aufzunehmen haben, kön­nen wir keine Debat­ten darüber führen, ob auf dem Kaser­nen­gelände ein­er 14.000-Einwohner-Stadt nun 300 oder 800 Geflüchtete unterkom­men dür­fen. Ich will kein einziges Zelt für Geflüchtete in Sach­sen mehr sehen, weil das max­i­mal sozial unverträglich ist. Diesem Ziel ist alles unterzuord­nen.
  •  Wir helfen uns gegen­seit­ig bei der Organ­i­sa­tion der asylpoli­tis­chen Kom­mu­nika­tion vor Ort. So kön­nten Bürg­er­meis­ter prinzip­iell im Ver­bund mit diesen vier demokratis­chen Parteien zu Bürg­er­foren ein­laden, sodass die Parteien ihre ja region­al sehr unter­schiedliche Organ­i­sa­tion­sstruk­tur im Sinne von Syn­ergieef­fek­ten mit ein­brin­gen kön­nen. Das heißt dann auch, dass die Parteien die Bürg­er­meis­ter nir­gend­wo allein lassen, son­dern grund­sät­zlich immer Vertreter_innen zu solchen Foren schick­en. Ziel sollte es sein, vor Ort Runde Tis­che zum The­ma Asyl ins Leben zu rufen.
  •  Wir laden gemein­sam zu einem Asyl­gipfel der Zivilge­sellschaft ein. Die Land­tags­frak­tio­nen von CDU, LINKE, SPD und GRÜNE soll­ten mit logis­tis­ch­er Unter­stützung der Staatskan­zlei so schnell wie möglich einen solchen Gipfel mit Repräsen­tan­ten von Behör­den, Kom­munen und Willkom­mensini­tia­tiv­en durch­führen. Dieser Gipfel wäre auch ein Sig­nal an die Welt, dass Sach­sen ver­standen hat, daraus sollte sich eine ständi­ge Flüchtlingskon­ferenz entwick­eln.
  •  Wir ver­ständi­gen uns auf die max­i­male Auss­chöp­fung aller Aus­nah­meregelun­gen im Sinne ein­er men­schen­würdi­gen Auf­nahme von Flüchtlin­gen in Sach­sen. Wir brauchen einen zen­tralen Krisen­stab in der Staatskan­zlei für Flüchtlinge auf Lan­desebene, dessen einziges Ziel es ist, die ger­ade noch irgend­wie legale Umge­hung beste­hen­der bürokratis­ch­er Inte­gra­tionshür­den zu organ­isieren. Zurzeit geht die Inte­gra­tion der Geflüchteten in Arbeit und Aus­bil­dung gegen Null, was nicht an ihnen, son­dern vor allem unseren Geset­zen und der Bun­de­sagen­tur für Arbeit liegt. Ich will nicht, dass auch nur ein einziges Mal in Sach­sen einem Unternehmer ver­boten wird, einen Flüchtling zu beschäfti­gen.
  • Der fün­fte Punk­te ist auss­chließlich mein per­sön­lich­er – Rico Geb­hardt, mit keinem Gremi­um der Welt abges­timmt. Ich bin überzeugt, dass wir die in lang­wieri­gen glob­alen Krisen­her­den grün­dende Migra­tions­be­we­gung nicht auss­chließlich mit unserem beste­hen­den Sys­tem von staatlichen För­der­maß­nah­men sozial beherrschen kön­nen. Denn diese gehen alle­samt von ein­er recht sta­tis­chen Gesellschaft aus. Unsere gesamte Bürokratie ste­ht schon durch die Ankun­ft einiger Hun­dert­tausend am Rande des Kol­laps­es. Es kön­nten aber schließlich Mil­lio­nen sein. Am Ende wird die Inklu­sion ein­er bunter wer­den­den Gesellschaft nur gelin­gen, wenn ganz viele Men­schen ein­fach ganz per­sön­lich mit­machen. Viele von ihnen wollen keine Förder­anträge aus­füllen, son­dern ein­fach unge­hin­dert helfen dür­fen. Ob in ein­er Asyl-Unterkun­ft oder in der eige­nen Woh­nung. Die Frak­tionsvor­sitzen­den und der Min­is­ter­präsi­dent soll­ten es sich gemein­sam zur Chef­sache machen, dass wir alles tun, damit diesen Men­schen keine Steine mehr in den Weg gelegt wer­den.Natür­lich wollen wir LINKE mehr, das sind unsere konkreten aktuellen Forderun­gen:
  • Sich­er­stel­lung ein­er engen indi­vidu­ellen Begleitung jedes ank­om­menden Flüchtlings mit bei Bedarf sozial-psy­chol­o­gis­ch­er Betreu­ung.
  • Unge­hin­dert­er Zugang aller Geflüchteten zu unab­hängiger Asylver­fahrens­ber­atung.
  • Zen­tral ges­teuerte Unter­bringungs- und Wohn­rau­makquise zwecks rasch­er Unter­bringung außer­halb von Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen und Notun­terkün­ften.
  • Begren­zung des Aufen­thalts in Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen auf max­i­mal drei Wochen für Men­schen, die aus Kriegs­ge­bi­eten zu uns kom­men.
  • Sprach- und Ori­en­tierungskurse sowie Qual­i­fika­tion­schecks für alle Asyl­suchen­den vom ersten Tag.
  • Vol­lkosten­er­stat­tung des Lan­des für Land­kreise und kre­is­freie Städte für Flüchtlinge und Leis­tungsempfänger nach § 25, Abs. 5 Aufen­thalts­ge­setz.
  • Arbeit an einem Säch­sis­chen Flüchtlingsauf­nah­mege­setz, das den Rah­men des lan­despoli­tis­chen Han­delns für die näch­sten Jahre absteckt.

Diese Forderun­gen wer­den wir im Inter­esse von Geflüchteten und ein­heimis­ch­er Bevölkerung offen­siv vertreten.

Der Freis­taat Sach­sen ste­ht vor der größten poli­tis­chen Her­aus­forderung der näch­sten Jahre. Diese Her­aus­forderung stellt sich nicht nur, aber beson­ders beim abse­hbar wichtig­sten The­ma der näch­sten Jahre: dem Gesellschaftswan­del, der durch Über­al­terung, regionale Entvölkerung und Zuwan­derung ein­tritt. Im Ver­bund führen diese drei Prozesse in vie­len Köpfen zu Zukun­ft­sangst, weil nicht klar ist, wie es mit der indi­vidu­ellen „heimis­chen Welt“ weit­erge­hen wird – und mit wem man kün­ftig zusam­men­leben wird.

Nur langsam wächst – wenn über­haupt – die Ein­sicht, dass die Zeit­en, in denen die säch­sis­che Gesellschaft weit­ge­hend homogen war, vor­bei sind.

Zudem wird das The­ma Asyl Schw­er­punk­t­the­ma unser­er Frak­tion­sklausur diese Woche. Nie­mand hat den Stein der Weisen in der Hand, wir richt­en uns daher auf Monate inten­siv­er Gespräche ein.