Wir schaffen den Neustart für Sachsen nur gemeinsam oder gar nicht/ runde Tische und Asyl-Gipfel der Zivilgesellschaft

Erste Rede in der Son­der­sitzung des Par­la­ments zum The­ma Asyl (Erwiderung auf den Min­is­ter­präsi­den­ten): — Es gilt das gesproch­ene Wort -

Ich danke dem Min­is­ter­präsi­den­ten für seine ehrlichen Worte – wahrschein­lich sind die Aus­sagen heute noch ehrlich­er gemeinte als am 9. Juli, hier im Säch­sis­chen Land­tag  Sie kom­men aus tief­sten Herzen, und ich höre neue Töne an Nach­den­klichkeit in ein­er Zeit, die vor allem von Ver­ant­wor­tungsträgern täglich neue Lageein­schätzun­gen, Schlussfol­gerun­gen und Entschei­dun­gen abver­lan­gen.

Herr Min­is­ter­präsi­dent, das ist eine Grund­lage, die gemein­sames Han­deln ermöglicht. Wahrschein­lich glaubten Sie nach ihrer let­zten Rede nicht, dass es Steigerun­gen gibt. Doch dann kam der Som­mer und die Zelt­stadt in Dres­den, und wir mussten Hei­de­nau erleben. In Dres­den wur­den erst­ma­lig Helferin­nen und Helfer von Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen attack­iert.

Men­schen, die Men­schen in Not helfen, egal welche Haut­farbe sie haben, welch­er Nation­al­ität sie ange­hören, welchem Gott sie sich anver­trauen oder welchen poli­tis­chen Schat­tierung man sich zuge­hörig fühlt, solche Helferin­nen zu attack­ieren ist eine Schande! Dann die frem­den­feindlichen Angriffe der Recht­sex­tremen in Hei­de­nau — erst auf die Unterkun­ft und die Busse und dann die direk­te Auseinan­der­set­zung mit dem Staat, in dem Fall der Polizei.

Deutsch­land und ein Teil der Welt blick­te nach Hei­de­nau und sprach vom „Tal der Anfäl­li­gen“, wie der „Tage­spiegel“.

Für säch­sis­che Ver­hält­nisse hat die Staat­sregierung schnell reagiert. Erst­ma­lig gemein­sam als Regierungskoali­tion. Das nenne ich Fortschritt.

Jedoch, soll­ten wir beim Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus Gren­zen über­schre­it­en.

Ich habe mit der CDU und ins­beson­dere mit der säch­sis­chen CDU ganz viele Mei­n­ungsver­schieden­heit­en, aber bei diesem The­ma müssen wir gemein­sam etwas dage­gen tun.

Herr Min­is­ter­präsi­dent, dann haben Sie wieder so einen Satz gesagt, Zitat: „Das ist nicht unser Sach­sen.“ Herr Min­is­ter­präsi­dent lei­der, das ist auch Sach­sen. Nicht nur, aber eben auch!

Die Mis­chung aus einem organ­isatorischen Nazi-Kern und bürg­er­lichen Mitläufern – mit ganz viel Hang zu ras­sis­tis­chen Äußerun­gen und Denkan­sätzen – haben wir ja nicht erst seit Fre­ital oder Hei­de­nau – das Muster erschüt­terte uns schon vor Jahren u.a. in Schnee­berg.

Und brachte uns – Herr Tillich, Sie wis­sen das – selb­st in Phase des heißen Wahlkampfes zu parteiüber­greifend­er prak­tis­ch­er Gemein­samkeit.

Ich denke, bei Ihnen und auch vie­len Mit­gliedern der Regierung, der CDU Land­tags­frak­tion ist der Wun­sch nach den „lieben, dankbaren“ Lan­de­skindern stark aus­geprägt. Nur so kann ich mir auch erk­lären warum Sie so lange an der Imagekam­pange „So geht säch­sisch…“ fest­ge­hal­ten haben.

Dazu komme ich dann noch ein­mal.

Sie und die Kan­z­lerin haben es am Mittwoch in Hei­de­nau sel­ber erlebt, wie es um die poli­tis­che Kom­mu­nika­tion­skul­tur in unserem Freis­taat bestellt ist.

Ich und meine Kol­legin­nen und Kol­le­gen erleben dies seit vie­len Monat­en – einige schon seit Jahren.

Eine Kol­le­gin aus mein­er Frak­tion, die im März einen Tag auf dem The­ater­platz stand – bei dem von vie­len hier im hohen Haus kri­tisierten Flüchtlingscamp — schick­te mir am frühen Nach­mit­tag eine SMS in der stand: „Mir bluten die Ohren. Hol mich hier raus.“

Ich bleibe dabei:

Wir schaf­fen den Neustart für Sach­sen nur gemein­sam oder gar nicht.

Sach­sen ist immer noch eine starke Marke für tech­nol­o­gis­che Inno­va­tion, Umso bedauer­lich­er ist, dass wir beim sozialen Zukun­ftsmod­ell als Freis­taat so kläglich ver­sagen!

Im Moment erweckt Sach­sen den fatal­en Ein­druck, es steuere auf einen Bürg­erkrieg im Kampf der Kul­turen zu und das nicht erst in den let­zten Tagen und Wochen. An dessen Ende wer­den alle Men­schen in Sach­sen Ver­lier­er sein. Suchen wir stattdessen gemein­sam einen Weg, der alle zu Gewin­nern macht!

Dazu gehört als Basis strik­te Gewalt­frei­heit. Logisch!

Übri­gens auch ver­bal. Dieses hys­ter­ische Nieder­schreien von Gesprächspartner_innen, deren ver­meintlich fehlende Gesprächs­bere­itschaft vorher beklagt wor­den ist, kann keine Basis von Kom­mu­nika­tion sein.

Egal ob gegenüber der Kan­z­lerin, dem Min­is­ter­präsi­den­ten, einem Min­is­ter, den Abge­ord­neten, ein­er Bürg­er­meis­terin oder einem Kreis‑, Stadt- oder Gemein­der­at und auch nicht gegenüber Men­schen, die sich für Geflüchtete ein­set­zen.

Was wir auch nicht brauchen sind Bran­dan­schläge und Sachbeschädi­gun­gen gegenüber Flüchtling­sun­terkün­ften oder Zer­störungswut an poli­tis­chen Büros, egal welch­er poli­tis­ch­er Couleur.

Was wir auch nicht brauchen, sind die ungezügel­ten Has­sti­raden in Sozialen Net­zw­erken, in Blo­gein­trä­gen bei den Medi­en auch sie vergiften das Kli­ma ins unerträgliche.

Wir bieten Ihnen an:

Lassen Sie uns gemein­sam einen Asyl­gipfel der Zivilge­sellschaft machen!

Lassen Sie uns gemein­sam vor Ort Runde Tis­che zum The­ma Inte­gra­tion der Flüchtlinge organ­isieren!

Wir brauchen einen Krisen­stab in der Staatskan­zlei, der bürokratis­che Hin­dernisse aus dem Weg schafft, an dem auch viele ehre­namtliche Helferin­nen und Helfer zu verzweifeln dro­hen.

Ich sage Ihnen hier­bei nochmals öffentlich zu: Wir wer­den nicht kleinkari­ert nach irgendwelchen Ver­wal­tungs­fehlern suchen.

Jedoch ist das kein Per­silschein oder Freib­rief für Poli­tik- oder Behör­den­ver­sagen.

Ich habe ich im aktuellen „Spiegel“ gele­sen:

„Die Ankun­ft der Flüchtlinge wird prag­ma­tis­che, unkon­ven­tionelle, schnelle Lösun­gen unauswe­ich­lich machen.“

Bish­er gilt ja: Es muss alles seine deutsche Ord­nung und Regel haben. Das ist vor­bei! Der Spiegel titelt dann weit­er: „Sie – gemeint sind die Geflüchtete – zwin­gen das Land, weltof­fen­er zu wer­den, großzügiger – und ein biss­chen chao­tis­ch­er.“

Und ich sage: Egal ob das Elfriede und Paul und Mandy und Maik gefällt.

 

1990 wurde die Bun­desre­pub­lik um das Ter­ri­to­ri­um der DDR größer. Für die Men­schen im Ost­teil des Lan­d­est änderte sich von einem auf dem anderen Tag alles. Das Erfol­gsmod­ell Bun­desre­pub­lik wurde über­nom­men. Die Men­schen in den alten Län­dern fremdeln bis zum heuti­gen Tag mit der für sie drama­tis­chen Verän­derung der Ein­führung des Grü­nen Pfeiles an weni­gen Ampeln.

Jet­zt, mit der wach­senden Zahl bei uns Zuflucht und Zukun­ft Suchen­der wird sich die gesamte Bun­desre­pub­lik verän­dern und kein­er hat dafür ein fer­tiges Konzept oder einen fer­ti­gen Plan.

Wir müssen aus­pro­bieren. Wer­den Erfolge und Mis­ser­folge haben.

Die Geflüchteten sind keine Belas­tung, son­dern eine Her­aus­forderung.

Sie sind in erster Lin­ie eine Anfrage an unsere Men­schlichkeit. Aber auch an unseren Mut.

Wir haben jet­zt die Chance, uns als Sach­sen an die Spitze dieser Bewe­gung zu set­zen.

Leis­ten wir uns die Kühn­heit, ganz in der Tra­di­tion eines Jahrtausends säch­sis­chen Pio­niergeists beim Umgang und der Inte­gra­tion mit Geflüchteten bun­des- und europaweit die Unbürokratis­chsten und Prag­ma­tis­chsten zu sein!

Ich habe die Hoff­nung, dass wir das gemein­sam hin­bekom­men.

Set­zen wir ein­fach mal unsere eige­nen Rit­uale eine Weile außer Kraft.

Ich habe Ihnen ange­boten, in mein­er alten Heimat dafür zu wer­ben, dass in Schnee­berg mehr Men­schen in der Erstauf­nah­meein­rich­tung unterge­bracht bleiben, als ver­sprochen wurde oder nun im neunen Unter­bringungskonzept ste­hen. Damit diese Men­schen nicht in Zel­ten hausen müssen. Es nützt nichts, dass wir uns an jedem Stan­dort wech­sel­seit­ig vor­rech­nen, welche Zahl verkraft­bar sei oder nicht.

Aber ein was muss klar sein, liebe Staat­sregierung und liebe CDU Frak­tion: Ich, wir als Frak­tion sind nur bere­it, mit Profis zusam­men­zuar­beit­en!

Ein irrsin­niges dre­itägiges Total-Ver­bot aller Ver­samm­lun­gen, dem beina­he ein Willkom­mensfest für die Flüchtlinge in Hei­de­nau zum Opfer gefall­en wäre gehört da nicht dazu!

Es bescherte Sach­sen eine fürchter­liche Bla­m­age, wie eine Zeitungskom­men­ta­torin zutr­e­f­fend fest­stellte. Die Gerichte ein­schließlich Bun­desver­fas­sungs­gericht haben Schadens­be­gren­zung betrieben, die wir aus­drück­lich begrüßen.

Ich per­sön­lich weiß, dass sich der Innen­min­is­ter im Vor­feld der Ver­wal­tungs­gericht­sentschei­dung am Fre­itag per­sön­lich darum bemüht hat, dass das Willkom­mensfest doch stat­tfind­en kann.

Ich finde es per­sön­lich auch nicht richtig, wie einige wenige Demon­stran­ten mit Her­rn Ulbig umge­gan­gen sind.

Wir wollen Inte­gra­tion in alle Rich­tun­gen, und das ist in erster Lin­ie eine Frage der Kul­tur des Umgangs miteinan­der.

Herr Min­is­ter­präsi­dent, es war wichtig und richtig dass sie heute bei der Son­der­sitzung des Land­tages als erster das Wort ergrif­f­en haben.

Sie, Herr Min­is­ter­präsi­dent, müssen die lauteste und deut­lich­ste Stimme sein, wenn es um die Würde der Men­schen in unserem Land geht. Dafür haben Sie meine volle Unter­stützung!

Glück Auf!