Aufklärung zum NSU – zwischen Untersuchungsausschüssen und OLG
Meine Eröffnungsrede zur Veranstaltung der Fraktion zum Thema: „Aufklärung zum NSU – zwischen Untersuchungsausschüssen und OLG“:
Ich darf Sie herzlich zur Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Der Terror der NSU – Die Grenzen der Aufklärung“ im Namen der Landtagsfraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag begrüßen.
Ich bin der Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, unserer Sprecherin für Antifaschistische Politik in der Fraktion dankbar, dass sie gerade für den heutigen Tag diese Veranstaltung konzipiert hatte.
Genau am Tag vor 25 Jahren hatte sich der Sächsische Landtag konstituiert, ich komme gerade von der Festveranstaltung.
Unsere Fraktion wird am Freitag ihren 25jährigen Geburtstag feiern.
Jedoch ist nicht das Feiern Anlass meiner Dankbarkeit, sondern weil das Thema mit dem wir uns heute beschäftigten wollen mit der so oft schon zitierten „sächsischen Demokratie“ zu tun hat, die vor 25 Jahren eigentlich hoffungsvoll begann und heute arg unter die Stiefel geraden ist.
Der Politikwissenschaftler Felix Korsch wird uns zunächst in die NSU-Problematik einführen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wird es dann um die ‘Grenzen der Aufklärung’ gehen.
Dafür haben wir die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau eingeladen. Sie war von 2012 bis 2013 Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund im Deutschen Bundestag.
Als weiteren Gesprächspartner konnten wir Friedrich – ich glaube alle sagen nur Fritz — Burschel von der Rosa-Luxemburg Stiftung Berlin gewinnen. Er ist Referent für Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit und hat eine der Presseakkreditierungen für den NSU-Prozess in München.
Natürlich wird auch Kerstin Köditz, die als Vertreterin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, seit April 2012 Mitglied im sächsischen NSU-Untersuchungsausschusses “Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen” auf dem Podium dabei sein.
Moderiert wird die Diskussion von Lutz Richter, der Demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
Euch allen noch mal ein Herzliches Willkommen.
Es scheint es auf den ersten Blick verwunderlich zu sein, wie drei Jugendliche seit Mitte der 90er Jahre mehrere Morde an MigrantInnen und mehrere Banküberfälle verüben konnten und dabei der Strafverfolgung entgingen.
Die zuständigen Behörden, um Polizeidirektionen, Staatsanwaltschaften, Kriminalämter und Verfassungsschutzämter beobachteten die Täter unabhängig voneinander und in unterschiedlichsten Intensitäten, jedoch war es nur aufgrund einer Zufälligkeit möglich, die Morde zu stoppen.
Erst am 04. November 2011 und damit 13 Jahre nach dem ersten Mord kam die Mordserie und deren Ursprung durch den Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall zum Vorschein.
Dennoch war es Beate Zschäpe in den darauffolgenden Tagen möglich, durch Deutschland zu reisen und das Bekennervideo bei verschiedenen Lokalzeitungen einzuwerfen.
Erst durch das Video wird klar, welches Ausmaß hinter diesem Fall steckt:
Wahrscheinlich 9 Morde an 7 türkischstämmigen, 1 griechisch stämmigen und einer deutschen Polizistin, 2 Sprengstoffanschläge in Kassel und in Köln, 14 Banküberfälle.
Das mediale Interesse und damit auch die Öffentlichkeit schienen in diesem Moment unerschöpflich, gab es doch keine vergleichbare bundesdeutsche – politische motivierte — Mordserie.
Die Medienlandschaft trug allerdings nach ersten Erkenntnissen auch ihren Anteil daran, indem sie Stereotype und Vorurteile vermittelt hatte durch Begrifflichkeiten wie ‚Döner-Morde‘ oder auch ‚Ausländerkriminalität‘.
Angesichts dieser Auswirkungen begann im Anschluss an die zufällige Aufdeckung eine Welle des politischen Aktionismus. Schnell wurden ein NPD-Verbotsverfahrens, die Vorratsdatenspeicherung und die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses auf Bundesebene auf die politische Agenda gesetzt.
Trotz des strukturellen Versagens bei Justiz, polizeilichen Ermittlungen und vor allem bei der Kooperation einzelner Behörden, gab es von Beginn der ersten Ausschusstagungen im Januar 2013, sowohl in den Landesparlamenten als auch im Bundestags-Untersuchungsausschuss, kein klares Signal, institutionelle Veränderungen vorzunehmen zu wollen als auch personelle Veränderungen in Betracht zu ziehen. Von der Übernahme der Verantwortung ist gänzlich zu schweigen.
Aber auch durch die Betrachtung eines in sich geschlossenen „Terror-Trios“ ohne jeglichen Bezug zu gesellschaftlichen Strukturen entstand ein neues Problem. Die Aufarbeitung und Aufklärung konnte mit dieser Betrachtungsweise auf ein in sich geschlossenes Trio nie wirklich durchgeführt werden.
Das tief liegende gesellschaftliche Problem, der Rassismus, scheint so im Alltag verwurzelt zu sein, dass er als alltäglich akzeptiert angesehen werden kann. In den 90ern waren Hoyerswerda, Lichtenhagen, Sollingen nur einige Orte, welche für die rassistischen und nazistischen Hochburgen der Bundesrepublik angesehen wurden.
Eingereiht haben sich mit dem NSU Orte wie Nürnberg, Köln, München, Kassel, aber auch Jena, Zwickau und auch Chemnitz.
Aber nicht erst seit dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist bekannt, dass Sachsen zu den braunsten Regionen Deutschlands gehört.
Morde durch Nazis hat es auch außerhalb des NSU gegeben und in ländlichen Regionen Sachsens herrscht seit 20 Jahren eine rechte Hegemonie.
Initiativen und Projekte versuchen mit viel Mühe eine Gegenkultur zu Nazis zu bilden. Die Reichweite ihres Erfolges musste oft deprimieren, besonders weil die sächsische Staatsregierung entschlossenen Antifaschismus verunmöglicht und kriminalisiert.
Durch die Anwendung der Extremismusklausel verdeutlicht die Politik der CDU in Sachsen ihre Verharmlosung der extremen Rechte und die Dämonisierung der Linken.
Auch die aktuellen Entwicklungen in ganz Deutschland, aber vor allem in Sachsen verdeutlichen den alltäglichen Rassismus.
Durch Pegida – die CDU hat diese Bewegung zu Beginn gern als außerparlamentarischen Arm ihrer Politik verstanden — wurde unter einem rassistischen Deckmantel zum Verteilungskampf zwischen Leistungsträgern und Leistungsempfängern aufgerufen – und wir stellen fest, mit Erfolg.
Wir haben einen massiven Anstieg fremdenfeindlicher Übergriffe, so waren es allein bis jetzt 490 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte für das Jahr 2015. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2014 wurden 198 Straftaten gegen Asylunterkünfte gemeldet.
Und was macht die sächsische Landesregierung? Mit ihren Chaos-Innenminister und dem populistischen Gebrüll aus den eigenen Reihen wird versucht sich aus der politischen Verantwortung zu ziehen.
Ganz im Gegenteil, das gesellschaftliche Klima kippt immer mehr, dank der sächsischen CDU. So war es auch nicht verwunderlich, dass die Landesregierung nach Aufdeckung der NSU-Mordserie immer vom „Thüringer – Trio“ gesprochen hat und es Wochen gedauert hat bis sich der Ministerpräsident zu dem Thema zu Wort gemeldet hat.
Der Frage, inwieweit die Aufklärung und gewollte Aufarbeitung an ihre Grenzen stößt und wie es dabei um und mit Sachsen steht, werden wir uns heute widmen.
Glück Auf!