Studien zur Schrumpfung der Gesellschaft schreddern / Warnung vor „Bachmannismus“ und „Patzeltismus“ in Sachsen

Meine Rede am Fre­itagabend im Fest­saal des Dres­d­ner Stadt­mu­se­ums bei der Festver­anstal­tung der Links­frak­tion zu 25 Jahren link­er Oppo­si­tion im Freis­taat Sach­sen:

Sehr geehrte Damen und Her­ren,

liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

liebe Genossin­nen und Genossen,

lieber Herr Schurig, lieber Volk­mar Zschocke, die ich hier als säch­sis­chen Daten­schutzbeauf­tragten und Vor­sitzen­den der Frak­tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und damit gewis­ser­maßen unsere unmit­tel­baren Nach­barn im Land­tag begrüßen möchte.

Da wir die „Sil­ber­hochzeit in Oppo­si­tion“ feiern, wie das „Neue Deutsch­land“ aus unser­er Festschrift zitierte, möchte ich hier noch diejeni­gen beson­ders willkom­men heißen, denen es bere­its vergön­nt ist zu regieren – zumin­d­est auf kom­mu­naler Ebene:

Anneka­trin Klep­sch, die neue Kul­tur­bürg­er­meis­terin der Stadt Dres­den Simone Lüdtke, Ober­bürg­er­meis­terin von Bor­na und Roland Dantz, Ober­bürg­er­meis­ter von Kamenz .

Und natür­lich freue ich mich beson­ders, dass Dr. Diet­mar Bartsch die sitzungs­freie Zeit im Bun­destag nicht zu einem entspan­nten Fre­itagabend zuhause nutzt, son­dern unser­er Ein­ladung nach Dres­den gefol­gt ist.

Diet­mar her­zlich willkom­men!

Diet­mar und die säch­sis­che Linke verbindet eine lange wech­selvolle gemein­same Geschichte, die Du, lieber Diet­mar, sich­er nur in guter Erin­nerung hast, weil du nicht nach­tra­gend bist und alles andere gnädig vergessen hast.

Du hast als ein­er der bei­den neu gewählten Vor­sitzen­den der Links­frak­tion im Bun­destag und damit unmit­tel­bar­er Nach­fol­ger von Gre­gor Gysi sich­er genug um die Ohren.

Umso schön­er ist es, dass du mit uns zusam­men zeitweilig diesen Abend im Dres­d­ner Stadt­mu­se­um ver­bringst.

Vor 25 Jahren bestand die Vorhut unser­er ersten Frak­tion im Land­tags­ge­bäude, das der Vorgänger­partei ein­mal kom­plett gehörte, aus ganzen zwei kleinen Büroräu­men.

Die hat­ten eine Verbindungstür. Im kleineren Zim­mer saß meine heutige Bürolei­t­erin mit ein­er elek­tro­n­is­chen Robot­ron-Schreib­mas­chine mit Spe­ich­er – das war das Mod­ern­ste, was man sich damals hierzu­lande über­haupt vorstellen kon­nte.

Im anderen Zim­mer saß Andreas Graff mit einem eige­nen Schreibtisch, davor stand noch ein weit­er­er Tisch, dort saßen zwei Juris­ten, was schon ein Omen für die enorme Bedeu­tung der Rechts­gelehrten im neuen Sys­tem war und sich bis heute auch für die Frak­tion­sar­beit als notwendig erweist.

Es gab wohl noch eine weit­ere Schreib­mas­chine — für alle. Com­put­er? Fehlanzeige !

Als tech­nis­che Rev­o­lu­tion kam irgend­wann noch ein Motorol­la – Mobil­tele­fon mit Tra­griemen in der Größe ein­er Akten­tasche zum Umhän­gen und Hör­er mit Strippe oben drauf.

Auch räum­lich entwick­elte sich das linke Par­la­mentswe­sen: Es kam ein weit­er­er klein­er Raum dazu, der den Abge­ord­neten als Aufen­thalt­sraum diente, aber – so wurde mir erzählt — bitte nicht für alle gle­ichzeit­ig.

Später gab es dann sog­ar noch ein Eckz­im­mer in der 1. Etage, und der Frak­tion­sraum wurde die jet­zige A 100 – Par­la­mentskundi­ge wis­sen, dass ist der Beratungsraum, über den heute auss­chließlich der Land­tagspräsi­dent ver­fügt.

Dort standen ein Kopier­er und sog­ar ein Faxgerät.

Für dieses Faxgerät wurde vom ersten Par­la­men­tarischen Geschäfts­führer eine Fax­ord­nung erlassen, die fes­tlegte, wer wann und wie zur Benutzung dieses zen­tralen Kom­mu­nika­tion­sin­stru­mentes berechtigt war.

Gestern, bei ein­er anderen Ver­anstal­tung aus Anlass des 25jährigen Beste­hens der Frak­tion, gab der Frak­tionsvor­sitzende Peter Porsch zum Besten, dass er mal ein „Fax-Ver­bot“ erlassen habe!

Ein schönes Beispiel für den sei­ther einge­trete­nen Kon­trol­lver­lust, dem sich meine Partei stellen musste.

Heute, wo kein ver­traulich­es Doku­ment vor der Weit­er­leit­en-Funk­tion im indi­vidu­ellen E‑Mail-Verkehr mit Gott und der Welt sich­er ist.

Die poli­tis­che Kom­mu­nika­tion­skul­tur hat sich radikal geän­dert.

Leg­endär gewe­sen sein müssen auch die ersten Live-Über­tra­gun­gen der Land­tagssitzun­gen, wo die Frak­tion ihr Frak­tions­fahrzeug (Golf II) auf die Straße der Befreiung (heute Haupt­straße) vor die Dreikönigskirche gestellt hat, Laut­sprecher­box­en davor und über Autoradio/Langwellenfrequenz die Öffentlichkeit informiert hat.

Heute sagt man dazu „Ver­anstal­tungs­man­age­ment“, auf die Idee, kom­plette Land­tagssitzun­gen als Werbe­mit­tel in ein­er Fußgänger­zone auszus­trahlen, käme heute nie­mand mehr. Schade eigentlich!

So, aber gear­beit­et wurde bis heute irgend­wie auch:

Sage und schreibe 25.150 par­la­men­tarische Aktiv­itäten zwis­chen 1990 und April 2015 hat der Poli­tologe Gero Neuge­bauer gezählt.

Davon waren 144 Geset­zen­twürfe und 20.749 Kleine Anfra­gen.

Der Rest sind Große Anfra­gen und Anträge.

Alles wie viele andere inter­es­sante Dinge aus der Fed­er ander­er Autorin­nen und Autoren nachzule­sen in der Festschrift „Oppo­si­tion im Wan­del – 25 Jahre Links­frak­tion im Säch­sis­chen Land­tag“. Sie wurde gestern erst­mals der Öffentlichkeit vorgestellt und liegt auch für alle Gäste des heuti­gen Abends zur Mit­nahme bere­it.

Was wir tun, ist gewichtig, und die Summe des Nach­denkens darüber fällt auch ins Gewicht. Deshalb empfehle ich Ihnen und Euch, mit dem Herum­tra­gen dieses wun­der­schö­nen roten Buch­es erst am Ende der Ver­anstal­tung zu begin­nen.

Also erst nach der Fes­tansprache von Diet­mar Bartsch, den Kul­tur-Beiträ­gen von Breschke und Schuch sowie der Salon Swing Band, dem Büfett und dem Tanz in allen Sälen.

Damit habe ich auch bere­its kurz das Pro­gramm umris­sen, das Sie hier und heute erwartet.

Um 22 Uhr wird es übri­gens in jedem Fall zu Ende sein, egal ob dieser Umstand dann mehrheitlich mit Bedauern oder Erle­ichterung zur Ken­nt­nis genom­men wird. Denn eine Stunde später set­zt ob der in diesem Gebäude ver­sam­melten nichtleben­den Kost­barkeit­en die Alarm­sicherung ein, weshalb die Leben­den ein­schließlich unseres Ver­anstal­tungs­man­age­ments bis zu diesem Zeit­punkt ihr Tag­w­erk ver­richtet haben müssen.

Wir waren in den 25 Jahren oft lästig – vor allem für die Regieren­den. Nicht nur mit dieser schi­er ufer­losen Fragerei, deren Nicht­beant­wor­tung wiederum zu diversen erfol­gre­ichen Ver­fas­sungskla­gen wegen ver­let­zter Abge­ord­neten­rechte führte.

Die Frak­tion wiederum obsiegte, mal allein, mal zusam­men mit anderen, mehr als ein Dutzend Mal mit Kla­gen gegen ver­fas­sungswidrige Geset­ze.

Damit hat keine Frak­tion so sehr die Ver­fas­sung geschützt wie unsere, die sein­erzeit selb­st der Ver­fas­sung nicht zus­tim­men kon­nte, wie der Land­tagspräsi­dent Erich Ilt­gen bedauernd uns in unser „Geschichts­buch“ schrieb.

Wir waren an der Ini­ti­ierung von 14 Unter­suchungsauss­chüssen aktiv beteiligt, und das vorzeit­ige Ende der Amt­szeit zweier Min­is­ter­präsi­den­ten hat auch etwas mit dem Druck unser­er behar­rlichen Aufk­lärung und Kri­tik zu tun, ohne hier die beson­deren Ver­di­en­ste des hoch geschätzten Kol­le­gen Karl Nolle von der SPD zu schmälern.

Doch uns ging es nie darum, nur der Regierung am Zeug zu flick­en, son­dern auch grund­sät­zliche real­is­tis­che Alter­na­tiv-Konzepte zu erar­beit­en und öffentlich zur Diskus­sion zu stellen.

Das ist bis heute unser Alter­na­tiv­er Haushalt­sansatz, der im Jahr 2000 unter dem Schlag­wort vom „schulden­freien Sozial­is­mus“ erst­mals das Licht der Welt erblick­te und danach bish­er weit­ere sieben Mal in einem müh­samen frak­tion­sin­ter­nen Abstim­mung­spro­cedere zusam­menge­bastelt wor­den ist.

Gemeint ist mit diesem Mot­to nicht, dass wir Kred­ite für Teufel­szeug hal­ten. Alle, die nicht reich geerbt haben, wer­den ihr Häuschen auf Pump bauen, und auch der Staat kann nicht nur aus gold­e­nen Ver­gan­gen­heit­en schöpfen, um die Zukun­ft zu bauen.

Gemeint ist vielmehr, dass wir auf dem Weg zu einem sozialen Sach­sen mit guter Bil­dung, Arbeit und Kul­tur für alle ein gutes Stück­es vorankom­men, wenn wir das vorhan­dene Geld intel­li­gen­ter aus­geben wür­den als es die von der CDU dominierten Mehrheit­en tun bzw. getan hat.

Ich will auch erin­nern an das Alter­na­tive Lan­desen­twick­lungskonzept für den Freis­taat Sach­sen, kurz und knack­ig Alek­sa. Auch damit haben wir nach­haltig als kon­struk­tive Oppo­si­tion gepunk­tet, was zu einiger Nachah­mung auch in anderen linken Land­tags­frak­tio­nen führte.

Nicht vergessen möchte ich all die Volksini­tia­tiv­en, die es vor allem in der ersten Hälfte dieses Viertel­jahrhun­derts gegeben hat und an denen wir beteiligt gewe­sen sind.

Dass dieses Instru­ment in Sach­sen schein­bar eingeschlafen ist, das ist ein Fakt, den Andrea Roth gestern Abend ange­sprochen hat. Darüber nachzu­denken bleibt uns nicht erspart.

Liebe Anwe­sende,

kür­zlich druck­te die Ham­burg­er „Mor­gen­post“ eine Sam­stagsaus­gabe mit 14 Seit­en auf Plattdeutsch.

Diese für mich zwar nicht ver­ständliche, aber wohlk­lin­gende Sprache gehört zur Heimat in vie­len deutschen Regio­nen.

Ihre Weit­er­gabe an die näch­ste Gen­er­a­tion ist aber oft­mals ver­nach­läs­sigt wor­den. Geschrieben hat alle plattdeutschen Texte Yared Diba­ba, der einst als Bürg­erkriegs­flüchtling mit seinen Eltern aus Äthiopi­en nach Deutsch­land kam.

Vielle­icht befind­en sich in unseren Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen für Asyl­suchende auch schon die Ret­ter unser­er säch­sis­chen Mundarten.

Man sieht daran: Das Ein­reißen der sozialen Mauern – nicht nur in Deutsch­land und Sach­sen, son­dern auch zwis­chen Deutsch­land und der Welt – kommt allen zugute, ger­ade auch unseren Werten und unser­er Kul­tur.

Ich glaube, dass die vie­len Men­schen, die vor nicht funk­tion­stüchti­gen Rechts- und Sozial­sys­te­men zu uns geflüchtet sind und daher die Werte von Rechtsstaatlichkeit und sozialer Sicher­heit umso mehr zu schätzen wis­sen, uns helfen wer­den, für eine Renais­sance der Sol­i­dar­ität in unser­er Gesellschaft zu sor­gen.

Nun mag es ja sein, dass

Leute, die selb­st die Steuer­erk­lärung mit Steuer­hin­terziehung ver­wech­seln, Leute, die gern ein kleines Miss­geschick für den großen Ver­sicherungs­be­trug nutzen, Leute, die selb­st Tag und Nacht auf Schnäp­pchen­jagd gehen, Leute, die jedes Fla­trate-Trinken oder –Essen an exo­tis­chen All-inclu­sive-Plätzen mit­nehmen müssen, dass eben diese Leute davon aus­ge­hen, nun dem fremdländis­chen Ansturm auf die soziale Hänge­mat­te aus­ge­set­zt zu sein.

Das ist die Lehre des Bach­man­nis­mus, die schw­er­punk­t­mäßig in Sach­sen in den Glauben­srich­tun­gen „Pegi­da“ und „Nein zum Heim“ zurzeit Kon­junk­tur hat.

Was zurzeit Sach­sens Ruf außer­halb der Lan­des­gren­zen so nach­haltig ruiniert, dass wir uns in ein­er Gen­er­a­tion davon noch nicht erholt haben wer­den, ist der ver­spätete Rohrkrepier­er des von der CDU ab 1990 überzüchteten Sach­sen-Mythos.

Ein biss­chen Leg­ende brauchen wir ja alle, und auch ein Teil mein­er Kinder haben mit­te­lal­ter­liche Rit­ter gern. Aber was sich hier seit „König“ Kurt Hans Biedenkopf als ver­meintlich­er Sach­sen-Stolz aufge­plus­tert hat, ist in Wahrheit eine Form des religiösen Extrem­is­mus.

Es fing mit kollek­tiv­en Wah­nge­bilden an, die ein früher­er CDU-Frak­tionsvor­sitzen­der aus einem Stad­trand-Wohnort, der inzwis­chen nach Chem­nitz einge­mein­det wor­den ist, so for­muliert:

„Wir sind keine Ossis“, weil Sach­sen!

Das ist selb­st 26 Jahre nach dem Mauer­fall noch Blödsinn, wie ein Blick auf alle Wirtschafts- und Sozial­sta­tis­tiken, nicht zulet­zt auf demografis­che Struk­turen beweist, der Sach­sen viel näher an den anderen neuen Bun­deslän­dern als bei den West­län­dern sieht.

Bernd Rump hat diesen säch­sis­chen CDU-Spa­gat gestern Abend im Land­tag auf den Punkt gebracht:

Ja zur Prov­inz, Nein zur Welt!

Diese haus­gemachte Bie­der­meier-Philoso­phie implodiert nun unter der Ankun­ft der Welt in Sach­sen.

Sach­sen nimmt im Ver­gle­ich zu sein­er Bevölkerung weit weniger Flüchtlinge auf als west­deutsche Län­der – weil hier schon weniger ankom­men, als nach König­stein­er Schlüs­sel vorge­se­hen und von denen, die kom­men, viele so schnell wie möglich wieder nach West­deutsch­land oder Berlin wegziehen.

Trotz­dem befind­et sich der Freis­taat Sach­sen im poli­tis­chen, rechtlichen und gesellschaftlichen Aus­nah­mezu­s­tand: Weit vorn bei Anschlä­gen auf Asy­lun­terkün­fte, weit hin­ten bei ein­er plan­vollen Erstauf­nahme.

Während man rund um den 13. Feb­ru­ar in Dres­den beim Wider­stand gegen den europaweit größten Nazi­auf­marsch schon am Pranger stand, wenn man sich ger­ade mal auf die Straße geset­zt hat­te, sind aggres­sive – oft mehrtägige Block­aden mit men­schen­ver­ach­t­en­den Begleit­gesän­gen gegen ank­om­mende Flüchtlinge und ihre Notquartiere in der „säch­sis­chen Demokratie“ nicht ein­mal ein Kava­liers­de­likt.

Wer vorsät­zlich Recht bricht und Grun­drechte mit Füßen tritt, von Min­de­stregeln des zwis­chen­men­schlichen Anstands ganz zu schweigen, wird als „besorgter Bürg­er“ gead­elt bzw. „Asylkri­tik­er“ in rhetorische Wat­te gewick­elt.

Ich habe zwar von ein­er großen Region­alzeitung in Sach­sen ein­mal den Titel „Der Schlichter aus Schle­ma“ ver­liehen bekom­men, was wohl meinen tat­säch­lich oder ver­meintlich aus­gle­ichen­den oder gar selb­st aus­geglich­enen Charak­ter beto­nen soll.

Gle­ich­wohl bin ich Anhänger ein­er 1:1‑Kommunikation, in der die Leute nicht mit all­ge­meinen Phrasen bom­bardiert wer­den, son­dern von unser­er Poli­tik per­sön­lich dort abge­holt wer­den, wo sie leben.

Die Glaub­würdigkeit auch link­er Poli­tik ist in unser­er Zeit bei vie­len Men­schen beschädigt, weil sie unser Sprech als sch­ablo­nen­haft und unsere Denke als entrückt empfind­en.

Ich habe ja ganz bewusst als säch­sis­ch­er Frak­tions- und Lan­desvor­sitzen­der let­zte Woche ein Inte­gra­tionspa­pi­er als Diskus­sion­sange­bot vorgelegt, weil dort, wo die asylpoli­tis­che Not am größten ist – in Sach­sen –, auch das Ret­tende schneller und kon­se­quenter als ander­swo wach­sen muss.

Das ist unsere linke säch­sis­che Her­aus­forderung Asyl.

Uns muss doch mit­tler­weile klar sein:

Den offiziell gülti­gen Lan­desen­twick­lungs­plan Sach­sen kön­nen wir get­rost in die Tonne klop­pen.

Alle Stu­di­en zur Schrump­fung des Lan­des soll­ten wir Schred­dern.

Wir erleben einen gesellschaftlichen Umbruch wie vor 25 Jahren, nur dass der Aus­gang heute tat­säch­lich ungewiss­er ist als damals.

Damals stand im Kern eine Maschiner­ie der Anpas­sung an die alte Bun­desre­pub­lik auf der Tage­sor­d­nung – und da, wo es schief gegan­gen ist und teuer wurde, kon­nte das gesamte große Deutsch­land dafür in Haf­tung genom­men wer­den.

Das ist heute anders.

Zu den Wahrheit­en der Fremdbes­tim­mung, über die bei Pegi­da geschwiegen wird, gehört, dass Sach­sen nur die Hälfte seines Staat­shaushalts selb­st erwirtschaftet, also am Tropf jen­er Län­der hängt, die nun mit wach­sen­dem Befrem­den Woche für Woche den Anti-Aus­län­der-Abwehrkampf der Sach­sen via TV und Zeitung frei Haus geliefert bekom­men.

Dass nun Repräsen­tan­ten des west­deutschen Bürg­er­tums via „Zeit“ ern­sthaft den Aus­tritt Sach­sen aus der Bun­desre­pub­lik empfehlen, ist da die logis­che Kon­se­quenz.

Ein „Säx­it“ wäre allerd­ings für Sach­sen ruinös­er als ein „Grex­it“ für Griechen­land.

Wir kön­nten nicht ein­mal die Zahlung der Renten auf unserem Ter­ri­to­ri­um sich­er­stellen und hät­ten mit einem enor­men Flüchtlingsstrom aus Sach­sen zu tun.

Neben dem Bach­mann-ismus ist es auch höch­ste Zeit, die vornehme Zurück­hal­tung gegenüber dem Patzelt-ismus aufzugeben, ein schein­bar weichge­spül­ter Kon­ser­vatismus.

Der mit gewis­sem Unter­hal­tungswert alle Klis­chees füt­tert, die die säch­sis­che Union für ihre geistige Hege­monie in Sach­sen so braucht.

Das Neueste ist seine kri­tis­che Erörterung der­er, die als Flüchtlinge – Zitat „auf dem Weg der Selb­ster­mäch­ti­gung“ ins Land kom­men.

Er bezieht dies zwar nur auf diejeni­gen mit dem an sich legit­i­men – Zitat – „Erwerb­strieb“ als Motiv.

Aber von Patzelt – von der säch­sis­chen CDU hoch geschätzt – bis Orbán – von der säch­sis­chen CDU eben­falls hoch geschätzt – ist es nur ein klitzek­lein­er Schritt.

Für den ungarischen recht­sna­tionalen Regierungschef sind ja aller Syr­er Wirtschafts­flüchtlinge, weil sie doch bitteschön in den Flüchtlingslagern der Nach­barstaat­en vor sich hin veg­etieren soll­ten und uns bitte nicht mit ein­er gefährlichen Reli­gion belästi­gen soll­ten.

Wollte ich jet­zt alle islam­o­phoben Aus­las­sun­gen säch­sis­ch­er CDU-Land­tags- und Bun­destagsab­ge­ord­neter sowie führen­der CDU-Kom­mu­nalpoli­tik­er der let­zten Monate zitieren, wäre ich um Mit­ter­nacht nicht fer­tig. Ganz zu schweigen von Brand­briefen, die zeit­gle­ich mit Bran­dan­schlä­gen geschrieben wer­den.

Ich danke der Bun­deskan­z­lerin Angela Merkel dafür, dass sie sich in ihrer Weigerung, Deutsch­land zur Flüchtlingsab­wehr einzuzäunen, bish­er von nie­man­dem hat erwe­ichen lassen.

Natür­lich stimme ich als Link­er mit vielem nicht übere­in, was Frau Merkel getan hat und tut. Aber ich habe Respekt für eine Frau, die sich von besser­wis­serischen Män­nern ohne eigenes Konzept nicht beir­ren lässt.

Ich glaube wie Angela Merkel, dass wir das schaf­fen.

Nicht weil es sein muss, weil wir uns nun mal nicht abschot­ten kön­nen. Son­dern weil es für Sach­sen, wo heute 1,6 Mil­lio­nen weniger Men­schen leben als Anfang der fün­fziger Jahre des let­zten Jahrhun­derts, eine große Chance ist, wenn über­wiegend junge Men­schen große Hoff­nun­gen in unser Land set­zen.

Mein Wun­sch anlässlich des heuti­gen Tages ist, dass wir es schaf­fen, dass diese Men­schen wirk­lich nach Sach­sen wollen – und dass sie nicht nur deshalb hier lan­den, weil sie nach Deutsch­land woll­ten und dum­mer­weise nach Sach­sen umverteilt wor­den sind.

Schon jet­zt verän­dern die Neuankömm­linge unsere säch­sis­che Gesellschaft drama­tisch:

Noch nie beka­men wir so viele Wort­mel­dun­gen von Men­schen zu hören, die vor Homo­pho­bie und Geschlech­ter­diskri­m­inierung war­nen.

Schwule und les­bis­che Lebenspart­ner­schaften sowie die voll­ständi­ge Gle­ich­berech­ti­gung der Frauen in allen Gesellschafts­bere­ichen sind offen­bar seit Men­schenge­denken unver­rück­bar ver­ankert­er Kernbe­stand der christlich-abendländis­chen Kul­tur.

Wehe dem aus der CDU Sach­sen, der hierzu je wieder eine abwe­ichende Mei­n­ung ver­suchen sollte: Ich werde ihn an den näch­sten erre­ich­baren Imam ver­mit­teln, sind es doch die Mus­lime, die kon­ser­v­a­tiv­en CDU-Leuten zufolge diesen Kern abendländis­ch­er Zivil­i­sa­tion ablehnen.

Ihr merkt, Sie merken, wir haben noch viel vor uns.

Damit bin ich beim Großen und Ganzen – dafür haben wir uns aber Diet­mar Bartsch ein­ge­laden, dem ich nun mit großer Freude das Feld über­lasse.