»Trauer um die Opfer in Paris — kein Zurückweichen vor dem Terror – unsere Freiheit und Werte verteidigen«
Meine Rede in der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktionen CDU und SPD “Trauer um die Opfer in Paris — kein Zurückweichen vor dem Terror — unsere Freiheit und Werte verteidigen”
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Herr Ministerpräsident, ich habe Ihre Worte vernommen. Ihr Satz „Wir lieben unser Leben in Freiheit“ ist ein guter Satz. „Denjenigen, die mit brutaler Gewalt unsere Art zu leben in Frage stellen, stellen wir unseren gemeinsamen Willen, die Freiheit zu bewahren, entgegnen“, hat der Ministerpräsident aus Thüringen dieser Tage gesagt. Klare und deutliche Worte, wie ich finde, wie es sich für einen Ministerpräsenten gehört.
Die Töne aus Berlin und Paris der letzten Tage sich nicht nur Trauer geprägt, es ist auch von „Krieg“ die Rede. Der Krieg gegen den Terror dauert jetzt fast anderthalb Jahrzehnte. Die Antwort auf den 11. September 2001 in New York hat mehr als hundert Mal so viele Menschen das Leben gekostet wie die Terrorangriffe von Al Kaida.
Nun haben wir den „Islamischen Staat“ am Hals, eine neue Terror-Formation, die übrigens rein zahlenmäßig vor allem Moslems ermordet. Bevor wir am vergangenen Freitag das Grauen von Paris erlebten, erlebten wir in derselben Woche ein entsetzliches Blutbad in Beirut mit mehr als 40 Toten und das verehrende Attentat in Ankara vor wenigen Wochen ist uns auch noch allen in aktueller Erinnerung. Was lehrt uns das? Krieg ist offenbar die falsche Antwort auf Terror.
Wir sollten doch nun endlich gelernt haben: Wer mit noch mehr Krieg den Terror bekämpft will, wird noch mehr Terror ernten. Es gibt jedenfalls keinen vernünftigen Grund, dass diese „Logik“, die seit 2001 nicht funktioniert hat, nun plötzlich klappen sollte. Herr Tillich, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass wir in Sachsen nicht der Nabel der Welt sind — auch wenn das einige in der CDU Sachsen denken — und dass sich aus einer relativ zentralen geographischen Lage in Europa kein politischer Mittelpunkt ergibt. Deshalb empfehle ich auch etwas weniger Hochmut.
Herr Tillich, Sie haben gewissermaßen in Ihrer Parteitags-Antwort auf die Terroranschläge in Paris die „rechtsfreien Räume“ in westdeutschen Großstädten gebrandmarkt. Das finde ich für einen sächsischen Bundesratspräsidenten ziemlich verwegen, abgesehen davon, dass diese Anschuldigung mit nichts konkret belegt wird. Das ist ganz schlechter politischer Stil! Nur sitzen wir bei dem Thema im Glashaus, da sollte man nicht mit Steinen um sich werfen!
Herr Ministerpräsident, nennen Sie mir doch mal den Tag im Kalender der letzten Monate, an dem es in Sachsen keinen Brandanschlag, keine Steinwürfe, keine Nazi-Schmierereien, keine Böller-Angriffe auf Asyl-Unterkünfte gegeben hat. Wo es keine Beleidigungen von oder Übergriffe auf Ausländer_innen, keine illegalen Blockaden gegen Asyl-Heime, keine Hasstiraden per Facebock und/oder Flugblätter gegen Flüchtlinge und so weiter und so fort gegeben hat. Ich glaube nicht, dass es diesen einen Tag gibt.
Herr Ministerpräsident, Sachsen ist eine Hass-Hochburg, und Sie gehörten zu den ersten, die den Terror von Paris mit dem Thema Grenzsicherung gegen Flüchtlinge verbinden. Der „Islamische Staat“ hinterlässt uns einen syrischen Pass, und die sächsische Staatskanzlei nimmt das als Argument. Geht’s noch? Was wir bisher wissen, es waren in der Mehrzahl französische Staatsbürger, die an den Terroranschlägen beteiligt waren.
Ja, der selbsternannte „Islamische Staat“ versucht, mit Terror und psychologischer Kriegsführung unsere Gesellschaft zu spalten. Er will Misstrauen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft säen und verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufbringen. Wir müssen gerade auch in Sachsen alles tun, damit dieses Kalkül nicht aufgeht.
Ich war neulich beim neuen Oberbürgermeister von Bautzen. Er schätzt, dass ungefähr fünf Prozent der Asylsuchenden, die in der Stadt leben, nach ihrer Anerkennung als Flüchtlinge dort wohnen bleiben. Unser Thema in Sachsen ist nicht, wie wir uns vermeintlich gefährliche Massen vom Hals halten, sondern wie wir ein paar mehr der Geflüchteten dazu bewegen, hier zu bleiben!
Solange zum Beispiel ein großer Teil der Gemeinden des Landkreises Bautzen offiziell noch keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben, kann ich ihre ganze „Das-Boot-ist-voll“-Rhetorik überhaupt nicht akzeptieren. Führen Sie also bitte keine Scheindebatten! Sachsen braucht eine unerschrockene und sensible Zivilgesellschaft. Mancherorts gibt es sie schon, vielerorts hat sie großen Nachholbedarf. Solidarität mit den vor dem IS Geflüchteten ist die beste Antwort auf den Wahnsinn des IS.
Nicht vor dem Terror einknicken bedeutet vor allem, von der Demokratie, den Bürger_innenrechten, der Freiheit und der Menschlichkeit kein Stück freiwillig herzugeben. Gerade die Politik ist jetzt gefragt, Stärke statt Angst zu zeigen und einen demokratischen, rechtsstaatliehen und friedlichen Gegenentwurf zum Terror zu erarbeiten und die Werte der Verfassung, tatsächlich selbstbewusst zu leben, statt sie täglich in Frage zu stellen.