Sachsen in tiefer Krise – ohne Wende geht es nicht / Tillich, Dulig müssen im Landtag liefern – Worte gab’s zu viele
Zur Krisensitzung des Kabinetts und angekündigten Verkündigung zu Integration, politischer Bildung und „starkem Staat“:
Ich glaube Ihnen kein Wort mehr, Herr Tillich. Diese Feststellung auf der Sonderlandtagssitzung trifft auch die heute Sonderkabinettssitzung. Seit Oktober wird ein Wendepunkt beim Polizei-Personalabbau angekündigt, ein Mehr an Polizei-Nachwuchs. Stattdessen hat der Finanzminister 2015 insgesamt 122 Polizei-Stellen wegfallen lassen, 2016 sollen es – so seine Auskunft im Haushalts- und Finanzausschuss – nochmal 148 Polizistinnen und Polizisten weniger werden. Der Freistaat Sachsen befindet sich in einer tiefen Krise. Die bisherige Regierungspolitik hat zu dieser Situation geführt, deshalb brauchen wir wirkliche politische Korrekturen und nicht nur Reparaturen. Es geht nicht um verspätete Anpassungen wegen äußerten Drucks, sondern die Bereitschaft zu einem tatsächlichen Wendepunkt. Begreift die Regierung das nicht, droht eine rechtspopulistische Revolte mit unabsehbaren Folgen – und ohne demokratische Lösungen. Von einem Wendepunkt bei der Integrationspolitik kann ebenfalls keine Rede sein. Die SPD weicht angesichts der Erfolglosigkeit am Kabinettstisch in ein Pressegespräch aus, auf dem 34 Punkte vorgestellt werden, von denen man den Finanzminister überzeugen müsse. Was das bedeutet: siehe Polizei. CDU-Fraktionschef Kupfer gibt via TV den Blockierer und weist die Aufgabe der Integration allein den „Fremden“ zu, womit das Thema gestorben wäre: „Integration“ ist definiert als wechselseitiger Prozess des „Erneuerns, Ergänzens, geistig Auffrischens“, dem sich die Spitze der CDU im Landtag, wo die Gesetze gemacht werden, hartnäckig verweigert. Zur peinlichen Lachnummer wird die Sache mit der politischen Bildung: Erst werden Schülerinnen und Schüler vom Geschichtsunterricht „befreit“, Schulen zu scheinbar politikfreien Zonen erklärt, wo sich nur Minister präsentieren dürfen, andere wie die Polizei durch jahrelange Dauer-Überlastung an einschlägiger Fortbildung gehindert, und nun soll dem Volk politische Bildung verordnet werden. Was für viele nach Wiederauferstehung der alten Staatsbürgerkunde riecht. Also, Herr Tillich, Martin Dulig: Sparen Sie sich weitere Worte, denen niemand Glauben schenken kann, nutzen Sie die Fastenzeit für verbale Zurückhaltung und konzentrieren sich bitte auf die parlamentarischen Anträge und Gesetzentwürfe – im Landtagsplenum vor Ostern und im Haushalts- und Finanzausschuss im April –, mit denen tatsächlich die Polizei gestärkt, Geflüchtete besser integriert und mehr Demokratie-Bildung ermöglicht werden. Einen vermeintlich „starken Staat“ hatten wir 40 Jahre – was Sachsen nach 25 Jahren obrigkeitsstaatlicher CDU-Verwaltung braucht, ist eine Zivilgesellschaft, die vom Staat geschützt und unterstützt wird.