Im Landtag: Zur Forderung der LINKEN nach Sofortprogramm für Winzerinnen und Winzer
Meine Rede und die Rede von Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft, zu unserem Antrag der Fraktion DIE LINKE „Finanzielle Soforthilfen für die von Insektizid-Belastungen im Wein betroffenen Winzerinnen und Winzer bereitstellen – Gefährdung für den Fortbestand des Weinbaugebietes Meißen (Elbtal) als sächsische Kulturlandschaft abwenden!“ (Drucksache 6/4780); 32. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 20.04.2016
Meine heutige Rede: - Es gilt das gesprochene Wort! -
Der Weinbau hat eine ähnlich lange Tradition in Sachsen wie der Bergbau. Er prägte also seit vielen Jahrhunderten die Menschen und die Landschaft. Sachsenwein ist zu einem Markenzeichen des Freistaates in den letzten Jahren geworden. Der Freistaat engagiert sich beim Wein sogar mit einem eigenen Staatsbetrieb, wie er das auch beispielsweise beim Porzellan tut. Im Übrigen – was für eine Zufall der Geschichte: Beides in der gleichen Region. Allein das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns heute im Parlament mit der Thematik beschäftigen. Wenn ich über den Weinanbau und der Weinherstellung spreche, dann weniger aus einer Betroffenheitsperspektive als schlichter Konsument. Mir geht es um den Stellenwert des Weins als Kulturgut. Der Weinbau prägt eine ganze Landschaft. Der Weinbau, der Weingenuss gehört zum Rückgrat des Tourismus. Er bringt Menschen nach Sachsen, und er bringt Menschen zusammen.
Natürlich darf und muss ohne Tabus auch über aktuelle Probleme gesprochen werden, die wir mit unserem sächsischen Wein aktuell haben. Unser Antrag verlangt schonungslose Aufklärung über die Anwendung eines im Weinbau verbotenen Insektizids. Dazu wollen wir erstens von der Staatsregierung einen Bericht haben, was sie für „sauberen“ Wein tut. Da hinein gehört auch die lückenlose Darstellung des Behördenhandelns, das nach unserer bisherigen Kenntnis der Dinge einer rechtzeitigen Schadensbegrenzung NICHT zuträglich war – weil hier die typische sächsische Methode der Staatsregierung zur Anwendung kommt: Erst mal nichts wissen wollen, dann negieren, dann verschleiern und zum Schluss einen Schuldigen präsentieren – aber niemals zu einer eigenen Verantwortung zu stehen.
Zweitens drängen wir auf ein Sofort-Hilfen-Programm für Winzerinnen und Winzer, die in ihrer überwältigenden Mehrheit völlig schuldlos an dem eingetretenen Schaden und nun in ihrer Existenz bedroht sind. Wir erwarten von der Staatsregierung einen Plan, wie sie den sächsischen Weinbau gemeinsam mit den Betroffenen durch diese Krise steuern wollen. Davon höre und lesen ich und die Öffentlichkeit bisher – NICHTS! Außer, dass sie jetzt plötzlich in Aktionismus bei der Entnahme von Proben verfallen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorzugaukeln, dass sie Interesse hätten, Sachverhalte aufzuklären.
Wenn ich mir überlege, wer hier eingebunden oder angebunden ist, bin ich doch stark irritiert darüber, warum ein eher kleines Problem solche Auswirkungen hervorruft. Da ist der Agrarminister, die Verbraucherschutzministerin, beide im Übrigen in der CDU. Der stellvertretende Ministerpräsident ist in der Weinregion zuhause, der Landtagspräsident auch. Er ist ja zugleich der Präsident des sächsischen Tourismusverbandes. Einem Landrat gibt es auch, der ebenfalls das Parteibuch der CDU hat. Der Öffentlichkeit wird ja immer gesagt, dass das den kurzen Draht zu den Regierenden in Sachsen sichert. Klar war auch der Ministerpräsident kurz vor den letzten Landtagswahlen vor Ort bei den Winzerinnen und Winzern, um über künftige Förderung zu sprechen. Nicht zu vergessen: Die CDU-Fraktion leistet sich auch einen weinpolitischen Sprecher.
Also, Herr Tillich, Martin Dulig, Herr Schmidt, Frau Klepsch, Herr Rößler, Herr Steinbach, Herr Fischer, wo sind ihre Taten? Die Hälfte der Anbaufläche wird von anderthalb tausend Winzerinnen und Winzern bewirtschaftet, die Mitglied der Winzergenossenschaft sind. Diese Menschen, die oft unter großen persönlichen Anstrengungen mit viel Idealismus und wenig Geld zugleich Weinbau und Landschaftspflege betreiben, brauchen ebenso wie die anderen Weinbaubetriebe ein klares Signal, dass die sächsische Landespolitik an ihrer Seite steht!
Es reicht nicht, wenn sich der sogenannte weinpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Fischer, Ende Januar hinstellt und ruft: „Unser Goldriesling ist sicher“, und dazu noch eine inzwischen zumindest teilweise widerlegte Theorie über die Verunreinigung verbreitet. Herr Fischer, Sie sind für den sächsischen Wein bisher ein Totalausfall! Der sächsische Wein hat einen guten Ruf verdient, für seine Wiederherstellung muss aber mehr getan werden als billige Beschwörungsrituale, eines weinpolitischen Sprechers namens Fischer! Die Weinpolitik dieser Koalition ist gerade jetzt, wo sie gefragt wäre, so ernüchternd, dass man sich sorgenvoll fragen muss: Trinken Sie selbst aus Angst gar nichts mehr?
Wir verwahren uns dagegen, dass nun Verbraucherschutz und Winzer-Hilfe gegeneinander ausgespielt werden. Die verantwortlichen Koalitionspolitiker schweigen, und die Kontrollbehörden schaffen mit ihrem Reden Verwirrung, nicht zuletzt mit widersprüchlichen Grenzwerten. So geht sächsisch auf keinen Fall, meine Damen und Herren von CDU und SPD! Wir haben Sie mit unserem Antrag zum Jagen tragen müssen – nun aber ist es höchste Zeit für das Handlungsprogramm der Regierung für den sächsischen Wein. Noch ist Zeit. Verraten Sie es uns!
Rede von Dr. Jana Pinka
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wie heißt es doch so treffend? „In vino veritas“ – „Im Wein liegt die Wahrheit“. Oder noch treffender im Chinesischen? „Nach dem Wein folgt die wahre Rede“.
Sicher gab es auch früher Schwierigkeiten im sächsischen Weinbau – aber was uns aktuell in der Meißener Weinbauregion ereilt hat und wie die Staatsregierung damit hantiert, sucht schon seines Gleichen. Umso mehr wünscht sich meine Fraktion eine sachliche Debatte zu Ursachen, Verantwortlichkeiten, möglichem behördlichen Versagen und zu den Folgen der Kontamination von Weinen mit Spuren von Pflanzenschutzmitteln. Denn nicht nur eine wichtige Kulturlandschaft und eine Tourismusregion sind gefährdet, sondern auch ein für die Meißner Region wichtiger Wirtschaftszweig und damit Arbeitsplätze
Am 10. September letzten Jahres wurde das im Weinbau nicht zugelassene Insektizid Dimethoat bei einer eher zufälligen Beprobung des Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramtes des Landkreises Meißen analysiert, wie der Landwirtschaftsminister mir heute früh mit der Übergabe der Antwort auf meine Kleine Anfrage Drs 6/4595 bestätigte. Die Analyse der Traubenproben dauerte offenbar länger, denn die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) wurde erst am 21. Oktober 2015 über den Nachweis von Rückständen von im Weinbau nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln informiert. Der Landwirtschaftsminister, dem die Kontrolle deren Anwendung obliegt, weiß um die Problematik offenbar erst seit dem 28. Januar 2016!
Seit Wochen gehen Nachrichten über diese Schwierigkeiten im sächsischen Weinbau durch die Medien. Und nicht etwa durch eine offensive und transparente Informationspolitik der Staatsregierung, sondern ausschließlich durch parlamentarische Anfragen von Abgeordneten unserer und der Grünenfraktion wissen wir mittlerweile, dass im Jahr 2014 ca. 165.000 Liter in acht Weinsorten und im Jahre 2015 ca. 380.000 Liter in 15 Weinsorten von einer Kontamination mit Dimethoat betroffen sind. Diese Erkenntnisse erlangten wir nicht etwa über Landtagsausschüsse, die sich mit Umweltpolitik oder Verbraucherschutz beschäftigen. Wir, und damit meine ich nicht nur wir Abgeordnete, sondern auch betroffene Winzerinnen und Winzer oder Verbraucherinnen und Verbraucher, werden seit einem halben Jahr nicht durch die verantwortlichen Landesbehörden informiert und aufgeklärt. Nur das Nachfragen aus den Reihen der Opposition und der Medien veranlassten die Regierung zum Handeln!
Zunächst berichteten Ende Januar die DNN über den Nachweis von Dimethoat in einer Traubenprobe einer Kellerei. Seitdem gibt es ein Auf und Ab im unkoordinierten Informationsgebaren der Landesregierung. Ein verantwortungsvolles Krisenmanagement sieht anders aus! Die für uns vorerst letzte Botschaft durften wir Ende letzter Woche erfahren. Der Chef des Pflanzenschutzkontrolldienstes im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Jörg Müller von Berneck, will mehr Druck auf Weinbaubetriebe ausüben und kündigt ausgedehntere Pflanzenschutzkontrollen an. Das Verbraucherschutzministerium wird ein Sonderüberwachungsprogramm auflegen und Weinproben untersuchen.
Diese Proben sind nach den mir vorliegenden Informationen bereits seit Ende März 2016 (!) genommen worden – zum Zeitpunkt der o.g. Information der oberen Landesbehörde über weitere Weinproben waren Weingüter schon längst beprobt. Also weiter wie gehabt – Halbwahrheiten und „Mauern“ der Staatsregierung, um Zeit zu gewinnen für eigene Erklärungsversuche. Zeit, die die betroffenen Winzerinnen und Winzer, Weinkellereien und die Winzergenossenschaft nicht haben. Da klingt es schon wie Hohn, wenn verkündet wird, dass die Ergebnisse zu den Proben erst Ende September vorliegen werden, eine verdammt lange Zeit für die schnelle Klärung, ob ein Weinbauer seinen Wein nun weiterverarbeiten, abfüllen und vermarkten kann oder nicht.
Hinzu kommen ungeklärte Probleme, deren Ursachen behördlicherseits hausgemacht sind und die sich thesenhaft zusammenfassen lassen: Die zuständigen Behörden waren lange untätig und haben danach zumindest mit erheblichem Zeitverzug gehandelt. Die zuständigen Behörden sind teil- und zeitweise nicht in der Lage, ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden ist äußerst mangelhaft. Allein schon deshalb ist es ein starkes Stück, wenn die Staatsregierung immer wieder versucht, die Schuld alleine auf die betroffene Winzergenossenschaft abzuwälzen.
Zur These 1 zum zeitverzögerten behördlichen Handeln. Da verweise ich auf den Anfang meiner Rede: Wir haben die Analyse auf eine Dimethoat-Belastung in einer Weinprobe durch eine untere Kontrollbehörde im September 2015, eine Erkenntnis über das Ergebnis im Oktober, aber keine ansatzweise schnelle Aufklärung einer sensiblen Problematik: Wir reden im Moment von einer möglichen Aufklärung bis Ende September 2016, da beginnt bereits die nächste Weinernte!
Zu These 2: Die unterlassene Information der unteren Behörde über die Pestizid-Kontamination des Weines an die betroffenen Weinbauern, insbesondere an die Meissner Winzergenossenschaft war ebenso folgenschwer wie der offenkundig nicht funktionierende Informationsaustausch und das gestörte Zusammenwirken zwischen der unteren und oberen Verbraucherschutz- bzw. Umwelt-Behörde. Der Großteil kontaminierter Trauben gelangte ohne jede behördliche Intervention in die Verarbeitung, obwohl die ersten Analysenergebnisse den zuständigen Behörden bereits vorlagen. Damit wurde der wirtschaftliche Schaden für die Winzerinnen und Winzer sowie deren Winzergenossenschaft erst möglich, verursacht, zumindest jedoch in erheblicher Weise noch verstärkt. Eine schnelle Information hätte die Ernte von 2368 sächsischen Kleinwinzern geschützt und nicht zu einem Millionenschaden geführt! Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, Frau Staatsministerin Klepsch, Herr Staatsminister Schmidt!
Meine Kollegin Kathrin Kagelmann ist in der Drs 6/2289 dem Thema „Schäden im sächsischen Obst- und Weinbau durch die Kirschessigfliege“ nachgegangen. Nach den Fallenfängen im Jahr 2014 wurde die Erkenntnis erlangt, dass in allen Wein- und Obstbauregionen im Freistaat dieses Insekt vorkommt und auf notwendige Informationsveranstaltungen zur Problematik hingewiesen. Ich habe geschaut, was den Weinbauern an Chemikalien zur Bekämpfung der Kirschessigfliege durch das LfULG empfohlen wird. Sie werden es nicht glauben, aber dort wird in der Präsentation vom 12.02.2014 auf phosphororganische Insektizide verwiesen – BI 58 mit dem Wirkstoff Dimethoat ist ein phosphororganisches Insektizid. Vielleicht hätte ein Weinberater die Weinbauern noch darüber aufklären können. Aber neben der Offizialberatung bei den Landwirten hatte der Ex-Umweltminister Tillich auch die Weinbauberatung und den Weinberater abgeschafft!
Ich persönlich gehe im Übrigen weiter davon aus, dass durch das vermehrte Auftreten der Kirschessigfliege auch der Einsatz von Insektiziden im Obstbau und damit die Gefahr einer möglichen Abdrift zugenommen hat. Denn immerhin befinden sich 670 Hektar Landwirtschafts- bzw. Dauerkulturen in der Weinbauregion in unmittelbarer Nachbarschaft von 460 Hektar Rebflächen (Drs 6/4169).
Zu These 3 — Der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden muss äußerst mangelhaft sein. Ich habe es heute schriftlich bekommen – die Zeitspanne zwischen dem Vorliegen des ersten Untersuchungsergebnisses bei der Kontrollbehörde und dem zuständigen Verbraucherschutzministerium und der Information an die zu zuständige Kontrollbehörde für Pflanzenschutz im Umweltministerium betrug sage und schreibe drei Monate! Dies in aller Öffentlichkeit und ohne Rückzieher aufzuklären, erwarten wir und alle betroffenen Winzerinnen und Winzer hier und heute von Verbraucherschutz-Ressortchefin wie vom Landwirtschafts-Ressortchef!
Wir wissen bisher, dass es möglicherweise mehrere Ursachen für die Kontamination von Wein mit Insektiziden gibt. Es gibt einmal die wahrscheinlich kriminelle Energie eines Einzelnen. Aber es gibt nach wie vor die Wege der Verunreinigung von Rebflächen durch Abdrift von Pflanzenschutzmitteln, die – immer noch ganz legal – auf benachbarten landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt werden dürfen. Untersuchungen zur Kontamination durch bereits mit Pflanzenschutzmitteln verunreinigtes Grundwasser sind mir nicht bekannt.
Es sind bisher ganze drei Kellereien identifiziert, in denen es Probleme mit Dimethoat gibt. Aber durch die Landesbehörde wird jetzt zum Teil Aktionismus betrieben – angekündigt sind 120 Proben in 40 Betrieben –, nachdem jahrelang keine ordentliche Kontrolle stattgefunden hat. Verschärfend kommt dazu, dass auf Initiative des Verbraucherschutzministeriums die Nachweisgrenze für Dimethoat auf 0,01 Milligramm pro Kilogramm Trauben verschärft wurde.
Winzer berichten darüber, dass die Behörden ihnen nunmehr mitgeteilt hätten, dass ihre – kostenaufwendigen – Eigenkontrollen auf Dimethoat keine Gültigkeit mehr besäßen. Damit wird der Schaden durch einzelne, wenige Zustandsstörer zum Skandal für alle Winzer Sachsens ausgeweitet und weiterer möglicher materieller und immaterieller Schaden verursacht.
Daher fordern wir von der Staatsregierung auch ein Sofort- oder Sonderprogramm für alle von der Verunreinigung von Trauben und Weinen mit Dimethoat betroffenen Winzerinnen und Winzer, Weingüter sowie der Sächsischen Winzergenossenschaft Meissen eG mit angemessenen Finanzhilfen. Finanzhilfen haben auf Grund der kleinwirtschaftlichen Struktur nur dann Sinn, wenn sie als verlorene Zuschüsse in unbürokratischer Weise gewährt werden.
Handeln Sie, Frau Staatsministerin Klepsch und Herr Staatsminister Schmidt, hier ist akut Gefahr im Verzug für einen Wirtschaftszweig, eine Kulturlandschaft und eine für den Landkreis und die Stadt Meißen wichtige und prägende Tourismusregion. Schenken Sie uns, den betroffenen Weinbauern und der Öffentlichkeit reinen Wein ein. Mauern Sie weiter, muss die Opposition möglicherweise zu anderen Mitteln greifen, um ihrer Aufgabe der Kontrolle der Regierung – auch im Interesse der Weinregion Meißen – nachzukommen.