Rede zum Sommerfest der Linksfraktion
Der jährliche Empfang der Linksfraktion findet zumeist in der Landeshauptstadt statt. Einfach aus praktischen Gründen, denn die meisten Vertreter*innen der Institutionen, die beruflich mit dem Landtag zu tun haben, haben ihren Arbeitsplatz in Dresden. Dieses Jahr gehört zu den Ausnahmen – wir haben uns für Meißen entschieden.
Nun liegt Meißen ja in der Nähe von Dresden bzw. Dresden nahe bei Meißen. Wie rum man das sieht, ist Ansichtssache. Immerhin residierten die Bischöfe früher hier. Man könnte also aus diesem und anderen Gründen Meißen für historisch bedeutsamer halten als Dresden. Damit ich nicht später von aufgebrachten Dresdnern an der Rückkehr zu meinem Wohnort in Dresden gehindert werden möchte, vertiefe ich die Vergangenheit nicht und springe lieber schnell in die Gegenwart.
Wir haben den heutigen Abend unter das Motto gestellt: „Regen lässt das Gras wachsen, Wein das Gespräch.“ Das Gras wachsen zu hören ist ja eine Kernkompetenz von Menschen, die mit Politik oder Publizistik darüber befasst sind. Wie könnten wir sonst gemeinsam tagtäglich Zeitungen, Sendungen und das Internet voll machen mit Nachrichten über all das Großartige und Schreckliche, was passieren könnte und sollte? Der fromme Wunsch für den heutigen Abend ist tatsächlich, dass nicht dieses Gras wächst, sondern das Gespräch, also der wahre Gedankenaustausch.
Dabei kann der Wein helfen. Besonders der gute sächsische.
Nun lasse ich mich vom Standort „Wein-Erlebnis-Welt“ nicht zu einer Werberede für Wein verführen.
Nicht weil das politisch unkorrekt wäre. Wein ist schließlich ein Kulturgut, das die Konsument*innen dem Himmel näher bringt.
Dabei vergessen die Konsument*innen welch unendlichen irdischen Mühen, denen sich vor allem die Hobbywinzer*innen an den Steilhängen unterziehen. Für ganz wenig Geld und umso mehr Schweiß sind sie das entscheidende Glied in der Kette der Entstehung kostbarer Tropfen.
Wenn es nach meinem privater Alkoholkonsum ginge, wären alle Produzent*innen alkoholischer Getränke längst pleite.
Gottseidank trinken die meisten Menschen in Deutschland mehr Alkoholisches als ich, und laut aktuellem „Focus“ macht der Konsum des täglichen Schoppens Wein langlebiger als die völlige Abstinenz. Darüber sollte ich mal nachdenken!
Damit ist auch klar, dass wir hier nicht nur des Weines hier hergekommen sind. Mir ist natürlich als LINKER aufgefallen, dass es eine weit größere Übereinstimmung gibt, welches das Hiersein rechtfertigt:
Die Tatsache, dass in der Winzergenossenschaft ganz viele Genossinnen und Genossen organisiert sind und mir die Anrede heute ausgesprochen leicht fällt:
Also, liebe Genossinnen und Genossen,
wir danken für die Gastfreundschaft.
Gerade in Zeiten wie diesen, da der sächsische Wein infolge von Behördenversagen und Fehlverhalten einiger weniger völlig unverdient an den Pranger geriet, wollen wir hier ein tatkräftiges Bekenntnis ablegen: Das wir Patrioten des sächsischen Weinanbaues sind!
Ich habe eine schlechte und eine gute Nachricht:
Die Festrede fällt aus – manche werden sagen: Selbst schuld, wenn sich Sachsen auf einen Redner aus Berlin verlassen. Aber es ist höhere Gewalt, die da lautet: „Krankhaftes Versagen des Leitmediums der LINKEN – des Neuen Deutschlands“
Die andere Nachricht lautet: es gibt zeitiger was zu Essen und die Kellerei kann vorzeitige besichtigt werden.
Im Wein soll ja auch Wahrheit sein. Da ich heute noch keinen zu mir genommen habe, könnte die Glaubwürdigkeit meiner Ausführungen angezweifelt werden. Deshalb will ich nicht zu lange Ihre Geduld mit mutmaßlichen Nichtigkeiten strapazieren.
Fürs Protokoll: Selbstverständlich distanziere ich mich von jeglicher Diskriminierung der Bier‑, Bionade und anderen-Trinkern. Lasst uns die interkulturelle Gemeinsamkeit suchen – das genießerische Leben in all seiner flüssigen Vielfalt.
So, nun könnte ich Ihnen noch all die Gedanken und Überlegungen vortragen, die ich am Sonnabend in meiner Rede auf dem Landesparteitag der LINKEN aus Zeitgründen nicht mehr untergebracht habe, aber da wir als Fraktion eingeladen haben würde ich mich wie eine Parlamentarier zu vorgerückter Stunde im Landtag verhalten: Ich gebe meine Rede zu Protokoll. Da liest sie zwar niemand nach, aber der Redner hat seine Schuldigkeit getan.
Ich gebe also meine weitere Rede in die Fraktions-Rundablage und überlasse einem Mann das Mikrofon, der mehr Ahnung von Wein hat als ich: Lutz Krüger, Geschäftsführer der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen eG.