Rede 13. Landesparteitag in Neukieritzsch
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste,
wir sind wieder hier in der ParkArena Neukieritzsch, nachdem schon der 12. Landesparteitag in dieser Halle stattfand. Wir haben es versprochen: „Wir kommen wieder“ und heute melden wir Vollzug: Wir sind wieder da!
Liebe Genossinnen und Genossen,
als wir das letzte Mal hier zusammenkamen, dachten wir, wir erleben gerade den Höhepunkt des Flüchtlingsdramas. Tausende Menschen warteten vor den Grenzen Europas, Tausende ertranken im Mittelmeer. Ich habe euch damals von dem kleinen Jungen erzählt. Ailan Kurdi aus Syrien. Ailan wurde gerade mal drei Jahre alt. Mit ihm starb seine Mutter. Mit ihm starb sein Bruder. Sein Vater überlebte. Und kehrte zurück nach Syrien, weil er all das, wofür er den beschwerlichen und risikoreichen Weg nach Europa auf sich nahm, verloren hatte: Seine Familie.
Und heute? Was soll ich euch heute berichten?
Nein, das war nicht der Höhepunkt. Noch immer fliehen weltweit Menschen vor Krieg, vor Terror und vor dem sicheren Tod. Sie kommen aber nicht mehr hier an.
Ich habe schon damals gesagt: Der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Grenzen ist nicht, ob Menschen sich auf den Weg nach Europa machen. Der Unterschied ist, ob sie lebend hier ankommen.
Und jetzt, wo die Grenzen dicht sind, ertrinken wieder Tausende vor unseren Küsten. Männer, Frauen, Kinder, Babys.
Mehr als 10.000 seit 2014. 10.000 Mal unterlassene Hilfeleistung Europas. Und liebe Genossinnen und Genossen, das kann uns nicht egal sein. Vor einem Jahr wie heute gilt: Wir brauchen sichere Passagen für Flüchtlinge, wir brauchen Fähren statt Frontex! Diese Aussage war vor einem Jahr richtig und sie ist es auch heute noch!
Dass wir wieder hier sind, hat seine Gründe. Unser letzter Parteitag stand kurz vor dem Abbruch, weil ein feiger, ein letztlich dummer Anschlag mutmaßlich Rechter den Tagungssaal unbenutzbar machte. Die Gemeinde Neukieritzsch hat es damals unbürokratisch ermöglicht, dass wir unsere Tagung fortsetzen konnten, und uns wieder hierher eingeladen.
Ich möchte mich noch einmal herzlich dafür bedanken.
Aber der Anschlag auf unser Tagungsobjekt war nur einer von so vielen feigen, verachtenswerten Anschlägen und Übergriffen auf uns, auf Geflüchtete, auf Helferinnen und Helfer. Es hat in diesem Land und gerade hier im Freistaat Sachsen einen klaren Rechtsruck gegeben.
Rassismus, Gewalt und Terror haben wieder eine Basis. Geistige Brandstifter von rechts vergiften das politische und gesellschaftliche Klima und die echten Brandstifter ziehen davon motiviert los, um Taten folgen zu lassen.
Es ist nicht besser geworden seit letztem Jahr, das haben uns auch die Landtagswahlen im März gezeigt.
Es ist ein europaweites Problem, das zeigen nicht zuletzt auch die Ergebnisse der Bundespräsidentenwahl in Österreich.
Der Neoliberalismus hat die Spaltung der Gesellschaft über Jahre hinweg vorangetrieben. Diese Saat geht gerade auf. Viele machen die AfD für die Situation im Land verantwortlich, aber die Geburtshelfer*innen dieser Partei heißen: CDU/CSU, SPD, FDP und auch die GRÜNEN.
Es ist ihre neoliberale Politik.
Es ist die Agenda 2010, die die Wurzeln des Sozialstaats zerstört hat.
Sie haben die Grundlage für die sozio-ökonomischen Zerstörungen in vielen Regionen des Landes gelegt.
Sie haben Hundertausende zu Flüchtlingen im eigenen Land — gerade aus dem Osten — gemacht und Familien zerrissen und eine Entsolidarisierung der Gesellschaft vorangetrieben.
Die Folge dieser Spaltung ist eine tiefe Krise der Demokratie. Und auf diese Krise müssen WIR eine Antwort geben. Und deshalb ist es richtig und wichtig, auch Zeichen zu setzen gegen den rechten Mob, gegen den rechten Terror. Und eines dieser Zeichen setzen Wir heute mit der Rückkehr nach Neukieritzsch.
Wir sagen diesen rechten Spinnern:
Wir sind wieder hier.
Wir bleiben hier.
Wir lassen uns nicht einschüchtern!
IHR werdet UNS nicht vertreiben!
Nirgendwo!
Aber, liebe Genossinnen und Genossen, ich muss auch sagen, ich ärgere mich. Manchmal bekommt man den Eindruck, das, was da draußen im Land passiert, interessiert einen Teil unserer Mitglieder nur an zweiter Stelle. Wenn überhaupt.
An erster Stelle kommt die innerparteiliche Auseinandersetzung. Wenn wir uns die Tagesordnung dieses Parteitages anschauen, dann steht dort tatsächlich mit Ausnahme des Leitantrages zum überwiegenden Teil Parteiinternes drauf.
Ja, wir müssen uns unterhalten, wie wir als Partei zu einer Landesliste zur Bundestagswahl kommen. Das ist Pflicht.
Wir reden aber inzwischen im siebten Jahr über die Struktur unserer Partei. Bemerkenswert für eine Partei, die keine zehn Jahre alt ist. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir uns in dieser Frage ein weiteres Mal vertagen.
Ich weiß gar nicht mehr, zum wievielten Mal wir jetzt über die innerparteilichen Finanzen reden. Ohne, dass wir in der Debatte wesentlich vorankommen.
Wenn eine große sächsische Tageszeitung in der Vorberichterstattung titelt „Mitgliederschwund und Flügelkämpfe“, dann ist das nicht das Bild, was ich von unserer Partei habe. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in Teilen der Gesellschaft aktuell offenbar immer noch so wahrgenommen werden. Und ja, wir arbeiten an dem Bild mit:
Früher haben wir miteinander gerungen. Da war die schärfste Waffe auf dem Parteitag der Änderungsantrag. Heute, heute machen wir es nicht mehr unter einem Ersetzungsantrag.
Liebe Genossinnen und Genossen, wie soll uns eigentlich jemand abnehmen, dass wir eine andere, eine solidarischere Gesellschaft gestalten können, wenn wir uns nicht mal gemeinsam auf Parteistrukturen und unsere Parteifinanzen verständigen können?
Ich habe keine Lust mehr darauf, dass wir viel Zeit darauf verschwenden, uns in Gremien und in Arbeitsgruppen mit uns selbst zu beschäftigen und zu beraten welche Gremien wir für unsere Arbeit brauchen. Wir sollten die Zeit dafür verwenden, da draußen für unsere Politik zu werben.
Ich habe keine Lust darauf, dass mancher es wohl für normal hält, mindestens nur das Schlechteste von anderen Genossinnen und Genossen zu denken.
Ich habe keine Lust darauf, dass Debatten eher über, statt mit den Genossinnen und Genossen geführt werden.
Ich habe einfach keine Lust auf Selbstbeschäftigung, während draußen täglich der Mob tobt.
Das alles kostet zu viel Zeit, das kostet Nerven, das kostet zu viel Energie.
Das, liebe Genossinnen und Genossen musste ich heute mal öffentlich loswerden!
Jedoch unsere Partei darauf zu reduzieren, wäre unfair. Das betrifft nicht die breite Masse der Genossinnen und Genossen vor Ort. Der überwiegende Teil unserer Mitglieder ist auf den Beinen – und das nicht erst in den letzten beiden Jahren.
In antifaschistischen und antirassistischen Bündnissen. In Willkommensinitiativen. Engagiert in sozialen Projekten, aktiv in queerfeministischen Strukturen.
Sie arbeiten, sie kämpfen für unsere Ziele, unsere Werte, vermitteln unsere Haltung. Genau deshalb will ich, dass wir dem auch gemeinsam Rechnung tragen.
Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam Flagge gezeigt. Für Menschlichkeit. Gegen die Menschenfeindlichkeit auf der Straße und im Netz. Das war ganz wichtige Arbeit, Fraktion und Partei Hand in Hand. Wir haben unsere Position in einem schwierigen Umfeld verteidigt. Wir haben Haltung gezeigt.
Wenn man der aktuellen Lage etwas Positives abgewinnen will, dann ist es eine Repolitisierung der Gesellschaft. Bisher hat der überwiegende Teil der Gesellschaft im Freistaat die eigene Lage eher positiv bewertet.
Wir dachten, die Leute wollen nicht immer gesagt bekommen, dass es ihnen schlecht geht. Das war eine Fehleinschätzung, auch von mir.
Denn was wir nicht gesehen haben, war der Maßstab, an dem die Leute ihre Situation gemessen haben. Die haben sich nicht verglichen mit den alten Bundesländern, sondern mit den anderen: In Osteuropa. In Afrika. In Krisengebieten. Ja, denen gegenüber geht es den Menschen in Sachsen gut.
Dass sie allerdings diese Menschen, mit denen sie sich vergleichen, als Bedrohung ihres kleinen Wohlstands wahrnehmen könnten, wenn die erst mal an unsere Tür klopfen, das hatten wir nicht auf dem Schirm.
Es kommt dann noch die historische Enttäuschung nach der politischen Wende 1989 dazu, die vom „realexistierenden Sozialismus“ eben nicht zu „blühenden Landschaften“ für alle, Demokratie und Rechtsstaat, sondern zu „Unarten des Regierens“ in Sachsen geführt haben.
Aus der parlamentarischen Arbeit will ich hier nur die Stichworte wie „Sachsensumpf“, Behinderung parlamentarischer Demokratie, also die systematische Antwortverweigerung durch die Staatsregierung oder „Rechtsstaat á la Sachsen“ genannt haben.
Viele haben das Gefühl, dass etwas fundamental falsch läuft und suchen einfach Antworten.
Um es klar zu sagen: Wir brauchen in naher Zukunft nicht über Bündnisse zu sprechen, über unsere Gestaltungsoptionen. Die Debatte steht einfach nicht an.
Wir werben jetzt für Grundsätzlicheres:
Für unsere Werte, für unsere Überzeugungen.
Im Übrigen bleibt das nicht folgenlos.
Wer meint, unsere Partei sieche gerade vor sich hin und finde keinen Tritt mehr, der irrt. Um es frei nach Mark Twain zu sagen: Die Nachrichten über unseren Tod sind stark übertrieben.
Die Gesellschaft ist in Bewegung, die Menschen müssen sich wieder entscheiden, müssen Position beziehen und das schadet uns nicht, sondern das nützt! Nur eine einzige Zahl will ich nennen:
Wir haben zwischen Januar und Mai nicht weniger als 120 Neumitglieder im Landesverband begrüßt. Das sind doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Ich sage zu jedem und jeder Einzelnen:
Herzlich Willkommen. DIE LINKE lebt! Und ihr seid der Beweis dafür!
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben keinen Grund uns zu verstecken!
Im Gegenteil: DIE LINKE gibt die Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Die LINKE ist die einzige Partei, die eine solidarische Rente für alle will. Deswegen wollen wir, dass alle in ein System einzahlen, das ergibt ein höheres Rentenniveau für alle, armutsfest. Das gibt es aber nur mit uns!
Wir sind für eine Bürger*innenversicherung, die endlich die Zweiklassenmedizin abschafft und nicht mehr nur auf Beitragsstabilität abzielt, sondern den solidarischen Grundgedanken neu definiert. Mit unserem Antrag zu diesem Parteitag gehen wir sogar so weit zu sagen, dass diese Versicherung die existenziellen Lebensrisiken aller Bürgerinnen und Bürger absichert. Das gibt es aber nur mit uns!
Wir haben ein Steuerkonzept, mit dem 97 Prozent der Erwerbstätigen am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche hätten. Das gibt es aber nur mit uns!
Wir wollen Kinderarmut beenden und eine Kindergrundsicherung einführen. Das gibt es aber nur mit uns!
Längeres gemeinsames Lernen in Sachsen? Selbst die Wirtschaftsverbände fordern das jetzt, aber die CDU blockiert. Auch das gibt es aber nur mit uns!
Unsere Landtagsfraktion legt seit vielen Jahren jedes Mal einen Gegenentwurf zum Regierungshaushalt vor, in dem wir zeigen, dass man auch innerhalb der Haushaltsvorgaben der Staatsregierung mehr Geld in Soziales stecken könnte. Ein anderes, ein sozialeres Sachsen? Das gibt es tatsächlich nur mit uns, liebe Genossinnen und Genossen.
Wir haben also keinen Grund uns zu verstecken. Wir haben die besseren Ideen.
Also gehen wir verdammt noch mal erhobenen Hauptes und mit gradem Rücken raus und werben für Mehrheiten für eine andere Politik. Wir sind nicht Teil des neoliberalen Blocks! Nur mit uns ist eine solidarischere eine gerechtere Gesellschaft möglich!
Genau deshalb werbe ich bei euch für den vorliegenden Leitantrag des Landesvorstandes. Ja, da stehen keine neuen Selbstverpflichtungen drin. Ich denke, wir haben noch genug zu tun, die Arbeitsaufträge vom letzten Landesparteitag abzuarbeiten.
Schließlich haben wir auf dem letzten Landesparteitag nicht weniger als die Erarbeitung eines alternativen Landesentwicklungskonzeptes für Sachsen beschlossen. Daran haben wir begonnen zu arbeiten.
Die Bundestagswahlen stehen vor der Tür, die Kampagne „Das muss drin sein“ will umgesetzt werden. Wir werden auch auf diesem Parteitag eine Reihe von Anträgen beschließen, da bin ich mir sicher, aus denen konkrete Projekte entstehen werden.
An Arbeit mangelt es uns nicht. Woran es uns aber mangelt – und das zeigen die vielen Zuschriften der letzten Monate – ist ein klares Signal in die Öffentlichkeit.
Ich habe unzählige Zuschriften erhalten, die meinen:
Ja, ihr steht gegen den Hass gegen Geflüchtete. Für eine menschliche Asylpolitik. Das ist okay. Aber habt ihr uns vergessen?
Ich kann darauf nur antworten: Das haben wir nicht. Nein, im Gegenteil. Wir stehen weiter auf der Seite all derer, die gesellschaftlich ausgegrenzt werden.
Liebe Genossinnen und Genossen,
der sozialdemokratische Wirtschaftsminister des Freistaates Sachsen, Martin Dulig, hat uns im Landtag „Klassenkampf“ vorgeworfen. Er hat wirklich dieses Wort verwendet: „Klassenkampf“. Und warum hat er sich dazu hinreißen lassen? Weil wir es gewagt haben, uns um die Zukunft der Beschäftigten von Bombardier an den Standorten in Sachsen zu sorgen. Sie dürfen nicht Opfer von verfehlten Managerentscheidungen und von Renditeversprechungen von Anlegern werden, deswegen erheben wir laut unsere Stimme!
Dieses Beispiel zeigt, was wir zukünftig noch intensiver tun müssen:
Eine Neuausrichtung unserer Politik, die darauf hinausläuft radikalere parlamentarische Systemkritik stärker und direkter mit linkem außerparlamentarischem Protest zu verbinden.
Und deshalb sage ich: Ja, natürlich gibt es Klassenkampf: Er wird seit Jahren von „Oben“ gegen „Unten“ geführt, und es ist allerhöchste Zeit, dass wir dem gemeinsam wirkungsvoll entgegentreten! Wenn Du, lieber Martin Dulig, vergessen hast, auf welcher Seite ein Sozialdemokrat zu stehen hat, wir LINKE haben das nicht!
Wenn wir was aus dem Erstarken der AfD lernen können, dann ist es die jedenfalls für viele zu gering ausgeprägte Unterscheidung der LINKEN als Opposition im Verhältnis zur parlamentarischen Mehrheit.
Aber auch: zu anderen Oppositionsparteien einerseits und ein verbreiteter Unmut unter großen Teilen der Bevölkerung, die sich von den politischen Eliten nicht mehr ausreichend wahrgenommen und vertreten fühlen, andererseits.
Wir sind der Meinung, dass die Politik der CDU geführten Staatsregierung für das Schicksal der Menschen mit verantwortlich ist, die in Sachsens Betrieben arbeiten.
Es reicht eben nicht, zum Durchschneiden von Bändchen durchs Land zu reisen! Es reicht auch nicht, täglich von der Pressestelle wohlfeile Absichtserklärungen über die Verbesserung der Beziehungen zu Gott und der Welt auszuwerfen. Die Leute wollen wissen: Was tut der SPD Wirtschaftsminister Martin Dulig dafür, dass ich einen guten Arbeitsplatz behalte oder bekomme?
Die Antworten aktuell sehen finster aus:
Globalfoundries, Vattenfall, Bombardier, VW sind nur die größten der aktuellen wirtschaftspolitischen Großbaustellen, auf denen Sachsens sozialdemokratischer Wirtschaftsminister eine denkbar schlechte Figur gemacht hat.
Jede und jeder von euch kann aus der eigenen Region weitere Namen hinzufügen. Natürlich ist uns LINKEN klar, dass der Staat nicht alleine Arbeitsplätze in der Industrie schaffen kann. Darum geht es auch gar nicht.
Es geht um das, was Politiker*innen von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEN uns 25 Jahre lang wie eine Gebetsmühle gepredigt haben:
Der Staat hat sich um die Rahmenbedingungen zu kümmern.
Genau DAS machen sie aber nicht, und in Sachsen schon gleich gar nicht! Man wirft den Konzernen die Steuergelder in den Hals, und wenn sie sich dann wenige Jahre später in die Büsche schlagen, werden ein paar Tränen verdrückt, begleitet von dem gottergebenen Spruch:
Der Weltmarkt will es so.
DAS, liebe Genossinnen und Genossen, ist keine verantwortliche Politik, DAS ist neoliberale Geisterbeschwörung, sonst NICHTS!
Der erste sächsische Wirtschaftsminister nach der Wiedergründung des Freistaates Sachsens war Kajo Schommer.
Der Mann verfocht konsequent das Prinzip der Konzentration auf wirtschaftliche Leuchttürme.
Diese Leuchttürme drohen nun unter Martin Dulig umzufallen. Wir haben manchen Streit mit Kajo Schommer ausgefochten, der bekanntlich ein überzeugter Wirtschaftsliberaler war. Auch weil wir die Leuchtturm-Förderung für zu kurz gedacht hielten. Aber der Mann verstand wenigstens sein Handwerk und hat gute Laune verbreitet. Beides kann man vom amtierenden Wirtschaftsminister nicht behaupten.
Die Menschen spüren: Früher gab es das Primat der Politik. Heute gilt nur noch das Primat des Marktes und dem wird alles, aber auch wirklich alles untergeordnet. Politik entmachtet sich somit selbst, in dem sie sich dem Markt unterwirft. Das, liebe Genossinnen und Genossen, kann niemals die Politik der LINKEN sein.
Liebe Genossinnen und Genossen,
deswegen liegen die Gründe für die massive Verunsicherung unter der Bevölkerung eben NICHT in der Bewältigung der sogenannten Flüchtlingskrise, sondern sie hat was mit der „Unart des Regierens“ besonders hier in Sachsen zu tun.
Was wir stärker brauchen, ist eine Sprache, die uns von den Herrschenden unterscheidet. Eine Sprache, mit der wir Unmut ansprechen und kanalisieren, ohne uns mit den Rechtspopulisten gemein zu machen.
Wir bewegen uns noch immer zu sehr in dem von anderen vorgegebenen Rahmen. Wir schaffen es zu selten eigene Erzählungen zu platzieren. Weil wir uns nicht trauen oder Angst haben, anzuecken.
Die Laizismus-Debatte ist — egal, wie man inhaltlich dazu stehen mag — in der Sache genau der Beweis für meine gerade getroffene Aussage: Selbstgewählte Themen – zum richtigen Zeitpunkt gesetzt‑, die nicht vom Mainstream abgedeckt werden oder diesem auch widersprechen, werden durchaus aufgegriffen und auch wahrgenommen. Wenn man sich traut! Also trauen wir uns!
Das Kernproblem, liebe Genossinnen und Genossen in Sachsen lautet:
Demokratie- und Rechtsstaatsversagen.
Vereinfacht gesprochen kann man die „Unarten des Regierens“ in Sachsen als eine Form von autokratischem und notdürftig demokratie-verbrämtem Regieren bezeichnen.
Deswegen passt die vom mir mehrfach verwendete Formulierung von der Staatspartei CDU perfekt, auf die sächsische CDU.
Im Vordergrund steht nicht mehr die demokratische inhaltliche Gestaltung. Vielmehr sind demokratische Formen zu reinen Machterhaltungstechniken verkommen.
Auf den Punkt gebracht sind das:
- der Mangel an demokratischer Kommunikationsbeteiligung –
wie der Mangel an Volksabstimmung und direkter Demokratie zeigt
- die politische Instrumentalisierung von Justiz und Staatsanwaltschaft — wenn heute Leute wie Norbert Blüm kritische Bücher zum Rechtsstaatsversagen der Justiz schreiben, ist das eigentlich Beleg genug
- Machterhaltung- und Versorgungsnetzwerke –
Zu diesem Thema passt die neue Studie über die Beherrschung des Ostens durch eine aus dem Westen kommende Elite, die dort wenige oder keine nennenswerten Karrierechancen hatten
- Asyl und Migration stellen zwar reale Gestaltungsprobleme dar, werden jedoch zu einem Bedrohungsszenario stilisiert
Eine wahrnehmbare linke Alternative ist meines Erachtens nur dann möglich, wenn sich linke Politikziele in der jetzigen Krisensituation als radikaler Protest auch in entsprechender sprachlicher Weise darstellen lassen.
Es geht eben nicht um Protest um des Protests Willen.
Ja, das heißt auch, bestimmte Risiken einzugehen, und auch neue Dinge auszuprobieren wie bei der Laizismus Debatte.
Ja, das heißt auch, mal zu scheitern.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich bin ja nicht als der überragende Polemiker bekannt.
Das erste Markenzeichen, das mir eine Zeitung verpasste, war der „Schlichter aus Schlema“.
Also ich habe durchaus Sinn für den Nutzen von Diplomatie. WENN diese Diplomatie mit Selbstbewusstsein betrieben wird und nicht in Ergebenheitsadressen abgleitet.
Wenn aber eine Wirtschaftsdelegation in den Iran fährt und führenden Frauen des sächsischen Wirtschaftsministeriums in der Begleit-Broschüre ohne Not vorsichtshalber ein Kopftuch verpasst wird, ist das nur noch peinlich.
Es wird noch peinlicher, wenn man erfährt, dass allein im letzten Jahr binnen neun Monaten über 40.000 Frauen im Iran das Auto von der Polizei weggenommen wurde, weil sie OHNE Kopftuch gefahren sind.
Die Wirtschaftspolitik eines fortschrittlichen Landes muss auf Seiten der Emanzipation stehen – und nicht auf der Seite der Unterdrückung!
Was sich Martin Dulig auch im Zusammenhang mit TTIP bisher geleistet hat, spottet dagegen jeder Beschreibung: Ein peinliches Herumeiern zwischen voller Zustimmung einerseits und – nach einer Welle des Protestes – andererseits „ach ja, da gibt’s noch ein paar Probleme, über die wir reden werden“. Da scheint sein größtes Vorbild der Parteivorsitzende der SPD Sigmar Gabriel zu sein.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wenn diese CDU/SPD-Koalition in Sachsen die sozioökonomischen Rahmenbedingungen weiter so an die Wand fährt, ist bald wirklich — Ende Gelände!
Damit sind wir bei der Großbaustelle Energiewende / Strukturwandel / Braunkohle / Lausitz.
Ich will hier nicht den ganzen rhetorischen Unrat zitieren, den die CDU-Redner in der von der CDU/SPD-Koalition angezettelten Aktuellen Debatte zum Thema über uns LINKE ausgekippt haben:
Krawallbrüder – gemeint waren auch Kathrin Kagelmann und Anja Klotzbücher -, Partisanen, Terroristen usw. usf.
Das war alles jenseits von Gut und Böse. Es war die verzweifelte Flucht nach vorn, um einen Sündenbock für die eigene gescheiterte Strukturpolitik in der Lausitz zu finden.
Bei diesem Scheitern sitzen CDU und SPD in einem Boot, schließlich regierte die SPD schon mal von 2004 bis 2009 mit, stellte damals auch den Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten – übrigens mit Thomas Jurk einen Sozialdemokraten, der im Lausitzer Braunkohlerevier zu Hause ist. Geholfen hat das der Lausitz nicht.
Das Wort „Strukturwandel“ wird von den meisten Menschen inzwischen nur noch als Bedrohung empfunden. Tatsächlich haben sie seit 1990 einen Strukturabbruch erlebt – die meisten Arbeitsplätze in der Braunkohle und in anderen Industriezweigen sind weggefallen, andere nur in wesentlich geringerem Umfang entstanden. Dass zum Beispiel Weißwasser einst 38.000 Einwohner*innen hatte und heute 17.000, hat etwas mit dieser Entwicklung zu tun.
Deshalb verstehe ich die Menschen, die nun keine Lust auf kohlekritische Aktionen haben, weil sie fürchten, ihnen werde nun noch das weggenommen, was an Rest von Struktur übriggeblieben ist. Dem, liebe Genossinnen und Genossen müssen wir Rechnung tragen.
In einer gemeinsamen Erklärung des Gesamtbetriebsrats der in Cottbus ansässigen Vattenfall-Tochtergesellschaft für den Bergbau und der sächsischen Landtags-Linksfraktion vom März steht: (Zitat)
„Wir sind uns einig: Es darf keinen weiteren Strukturabbruch für die Industrie in der Lausitz geben. (…) Für uns steht der Staat in einer industriepolitischen Mitverantwortung für die mittel- und langfristige Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in den heute noch von Braunkohle-Tagebauen und Kraftwerken geprägten Gegenden. (…) Wir haben eine Verantwortung für künftige Generationen.“ Zitat Ende.
Nach den Protesten in der Lausitz und dem Aufschrei innerhalb der CDU Sachsen und Brandenburg, hat der Betriebsrat nach einem Briefwechsel, der nicht nur freundliche Worte enthielt, sowie nach einer Veranstaltung in Hoyerswerda, die von den örtlichen LINKEN organisiert wurde, Gesprächsbedarf angemeldet. Und mir geschrieben (Zitat):
„So wie ich es dem Stadtverband der Linken in Hoyerswerda zugesichert habe, würde ich gerne mit interessierten Vertretern Ihrer Fraktion ins Gespräch kommen. Jede Idee und Unterstützung zur Sicherung von industriellen Arbeitsplätzen und guter Arbeit im Revier ist willkommen.“ Zitat Ende
Das aktuelle Beispiel macht deutlich, dass es möglich ist, dass die DIE LINKE ihre Kritik an bestehenden politischen und ökonomischen Erscheinungen grundsätzlich vorträgt. In dem Fall war es friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest vor Ort in der Lausitz.
Dieser Protest wurde dann ins Parlament getragen und schließlich kommt man mit den Betroffen vor Ort über unsere und ihre eigenen Vorstellungen ins Gespräch.
Denn es steht doch wohl fest: Das, was Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig mit Blick auf die Braunkohle abliefert, ist das Gegenteil von aktiver industriepolitischer Mitverantwortung des Staates!
Er habe mit den Verkaufsverhandlungen von Vattenfall nichts zu tun gehabt, sagt Dulig. Ich frage mich nur, wieso Sachsens Ministerpräsident Tillich und sein Stellvertreter Dulig vor anderthalb Jahren eine Bittprozession nach Schweden tätigten. Selbstbewusste Politik für die Menschen in Sachsen sieht anders aus!
Für diejenigen, die sich bei ihrem Protest gegen alle Absprachen strafbar gemacht haben, ist die Justiz zuständig, und nicht ein geifernder CDU-Landtagsabgeordneter, der schon mit seinem Kampf für die Wiedereinführung der Todesstrafe aufgefallen ist.
Von solchen Leuten nehmen wir keine Belehrungen über den Rechtsstaat entgegen!
Liebe Genossinnen und Genossen, das längere gemeinsame Lernen habe ich schon erwähntangesprochen – ich glaube, wir müssen auch bei diesem zentralen landespolitischen Thema den Druck erhöhen. Sonst ist bei der Bildung ebenfalls bald Ende Gelände!
Die Einführung des längeren gemeinsamen Lernens, das von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung gewünscht wird, ist – neben dem Einstellen einer ausreichenden Zahl an Lehrkräften — ein wichtiger Baustein für einen Kurswechsel in der Schulpolitik. Alle Argumente sind bekannt und weitgehend anerkannt, doch die Betonköpfe in der sächsischen CDU halten sich nur die Ohren zu.
Deshalb sollte das Prinzip „Wer nicht hören will, muss fühlen“ auf sie angewandt werden. Ich werbe daher dafür, dass wir gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Akteur*innen insbesondere aus der Eltern‑, Schüler- und Lehrerschaft ein entsprechendes Volksbegehren auf den Weg bringen, wenn alle aktuellen Versuche parlamentarischer Veränderungen am Schulgesetz scheitern sollten.
Erst dieser Tage sagte Ministerpräsident Tillich: „Demokratie kann auch weh tun.“ Bringen wir also der sächsischen CDU die Schmerzen bei, die sie sich redlich verdient hat!
Ich bin übrigens gespannt, ob die SPD Sachsen bei einem solchen Volksantrag mitmacht.
Das wird ein weiterer Prüfstein dafür, ob die SPD nur noch der Wurmfortsatz der CDU oder eine eigenständige Kraft ist. Am Kabinettstisch hat Martin Dulig nicht den Mund aufgekriegt, um dem unsäglichen Schulgesetzentwurf der CDU-Kultusministerin Einhalt zu gebieten. Dafür hat er hinterher einen Brief geschrieben und lässt in den Medien Widerstand simulieren. Selbstbewusste Politik, lieber Martin Dulig, sieht anders aus!
Liebe Genossinnen und Genossen,
viele Mitglieder auch unserer Partei fordern aktuell, Fluchtursachen zu bekämpfen. Und dann wird aufgezählt was alles getan werden muss. Das meiste davon stimmt wahrscheinlich und sollte auf die eine oder andere Weise angegangen werden, aber dennoch muss ich leider auch sagen:
Die meisten Fluchtursachen können erst bekämpft werden, wenn der entfesselte Turbo-Kapitalismus überwunden ist.
Deshalb ist es gut, dass es auch eine Europäische Linke mit weltweiter Vernetzung gibt – diese Netzwerke für eine andere, bessere Welt müssen wir stärken – es gibt kein Zurück in die nationalen Nischen!
Auch in Sachsen muss es uns gelingen, die systemisch betriebene Demokratie-Blockade als Ergebnis der strukturell organisierten „Unart des Regierens“ darzustellen.
Die parlamentarische Regierungskontrolle müssen wir mit einem links-alternativen Gegenentwurf verbinden. Wir brauchen also einen Plan für die Menschen in diesem Land.
In diesem müssen sich die Wahrnehmungen und Gefühle der Abgehängten widerspiegeln. Wir müssen aber auch Antworten geben für die, die Angst vor einem sozialen Abstieg haben, egal in welcher Lebenssituation sie sich gerade befinden. Wir müssen Antworten geben für die, die scheinbar gerade erfolgreich sind.
Auf jeden Fall müssen wir aufzeigen, dass die massenhaften Unsicherheiten eine Folge dieser „Unart des sächsischen Regierens“ sind.
Nicht Merkel oder Tillich müssen weg, sondern dem Allmachtsanspruch des herrschenden Wirtschaftssystems muss Einhalt geboten werden.
Merkel und Tillich machen das Gegenteil, sie gehen vor der Wirtschaft in die Knie. Bekämpfen wir also das Spiel, und nicht alleine die Spieler!
Es braucht eine wirkliche Alternative zum System und das ist nicht die Alternative für Deutschland.
Wenn es eine Alternative gibt, dann ist es DIE LINKE.
Denn im Ansatz verbinden wir bereits Systemkritik mit dem Protest der Straße. Aber wir brauchen mehr davon! Um somit entsprechenden politischen Druck zu erzeugen, der dann auch Veränderungen, im Sinne von mehr Demokratie, von mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr sozialer Sicherheit, von mehr Teilhabemöglichkeit für alle möglich macht.
Wir sind die Lobby der Schwächsten in dieser Gesellschaft.
Wir kämpfen für die Interessen der Mehrheit in diesem Land.
Wir ergreifen Partei für sie!
Aber viel wichtiger: Wir wollen, dass sie Partei ergreifen.
Wir wollen, dass sie mit uns gemeinsam ihr eigenes Schicksal in die Hände nehmen und für ihre Interessen kämpfen. Wir sind dafür eine starke Partnerin.
Entscheidet euch: Kämpft mit uns für eine solidarische, demokratische, weltoffene und friedliche Politik! Ergreift für euch Partei!
Glück Auf!