Begrüßungsrede bei der Veranstaltung „Kirchen und Kassen“ der Landtagsfraktion der LINKEN
Bei einem meiner Gespräche mit einem der Bischöfe der Kirchen in Sachsen habe ich gesagt:
Ich glaube, dass jeder von uns einen Gott hat. Also etwas, was für mich absolut wichtig und irgendwie Richtschnur meines Lebens ist. Etwas, das ich für das Gute halte. Das sage ich als Atheist oder Agnostiker. So genau weiß ich nicht, welcher Religionstyp ich nach klassischer Definition überhaupt bin. Aber egal.
Die Trennung von Staat und Religion, die wir als LINKE konsequent vertreten, hat nichts mit einer Meinung zur Religion zu tun. Das unterscheidet uns von anderen Parteien. Die CDU findet das Christentum toll, die AfD den Islam missraten.
In programmatischen Dokumenten der LINKEN werden Sie dagegen kein einziges wertendes Wort zu welcher Form von Religiosität auch immer finden.
Der Grund dafür ist denkbar einfach: Als politische Partei oder als deren Fraktion sind wir für die Verhältnisse auf Erden zuständig und nicht für die im Himmel.
Und mag es auch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde geben, als unser Verstand nachvollziehen kann – sie liegen außerhalb praktisch-politischer-Kompetenz.
Das Feld des öffentlichen Redens über Religion und Politik ist allerdings vermint. Man löst oft schon mit einer Anmerkung zu laizistischen Selbstverständlichkeiten mittlere politische Erdbeben aus. Ich durfte das in diesem Jahr schon persönlich erleben.
Mit unheimlichem Grollen ertönt der Vorwurf der Feindschaft gegen Religion. Und wenn sich die Anschuldigung nicht aus der Gegenwart herleiten lässt, dann muss bei meiner Partei eben die Vergangenheit herhalten: Weil es in der LINKEN auch Menschen gibt, die schon Mitglied der SED waren und weil die SED kirchenfeindlich gewesen sei, muss dann eben auch Kritik aus unserem Mund am aktuellen Staat-Kirche-Verhältnis angeblich antichristlich sein.
Ja, der staatliche Umgang mit Christinnen und Christen in der DDR war leider oft genug von Herabsetzung und Ausgrenzung, ja schlicht von Unrecht gekennzeichnet. Das ist für mich unbestritten.
Ich halte es für einen Fortschritt, dass heute niemand, weil er zur Konfirmation oder Firmung und nicht zur Jugendweihe geht, Nachteile in Bildung und Beruf befürchten muss.
Und ich bin froh, dass ich heute Redner bei Jugendweihe-Veranstaltungen sein darf, wo alle Mädchen und Jungen aus freien Stücken mit dabei sind und kein Bekenntnis auf was oder wem auch immer ablegen müssen.
In Sachsen haben wir aber inzwischen ein ganz anderes Problem.
Während im Freistaat ansonsten Minderheitenschutz kleingeschrieben wird, ist es beim Thema Religion andersherum.
Menschen, die der großen konfessionslosen Mehrheit der Bevölkerung angehören, sehen sich verstärkt Vorhaltungen ausgesetzt, zum sogenannten Wertefundament der Gesellschaft nur mangelhaft beizutragen.
Natürlich geschieht das nicht mehr wie im Mittelalter in der Form, dass man als „Gottloser“ beschimpft und verfolgt wird. Nein, das läuft heute nach einem anderen und von Politikern von Tillich bis Dulig gepflegten Schema: Da wird die öffentliche Rolle der Religion als so herausragend unverzichtbar beschrieben, dass die klare Botschaft lautet: Wer sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlt, ist irgendwie geistig und moralisch defizitär.
Die praktische Konsequenz: Wer noch nicht bekehrt ist, soll wenigstens für die Missionierung des Landes zahlen. Zur Veranschaulichung der Methode greife ich mal ein noch ziemlich aktuelles Beispiel heraus, den Katholikentag in Leipzig.
Ich habe wie viele andere LINKE selbst an Terminen dieses Katholikentages teilgenommen. Übrigens gerne und gut gelaunt.
Ich habe hier wie auch sonst im ganzen Land Christinnen und Christen kennengelernt, die auf der Seite der Schwächeren stehen, die sich in der täglichen Arbeit mit Geflüchteten engagieren, die bei einer unbeschreiblichen Fülle sozialer Projekte zu finden sind. Wie viele andere Menschen, die sich ohne religiöse Motivation, aber genauso überzeugend um ihre Mitmenschen kümmern.
Wir haben den katholischen Bischof in der Fraktion als Gast gehabt, der für den Katholikentag geworben hat. Wir haben mit den Spitzen der Laienorganisation gesprochen, die den Katholikentag organisiert. Dennoch haben wir dagegen gestimmt, dass der Freistaat Sachsen dieses Ereignis aus Steuermitteln mit drei Millionen Euro bezuschusst.
Warum? Der Katholikentag hat diese drei Millionen Euro ohne jede Zweckbindung und ohne Nachweispflicht erhalten. Eigentlich handelte es sich um eine schlichte Schenkung. Jeder Jugendverein würde sich glücklich schätzen, wenn er die ihm zugeteilten ungleich spärlicheren Gelder auf diese Weise erhielte.
Nun sind wir ja sehr für Entbürokratisierung der staatlichen Förderpraxis generell. Aber die Übertragung der derzeitigen Förderpraxis insbesondere bei religiösen Großveranstaltungen auf alle Empfängerinnen und Empfängern von Steuergeldern würde gewiss zu einem sofortigen Aufschrei vom Rechnungshof bis Steuerzahlerbund führen. Zu Recht.
Ähnlich abseits des Üblichen, abseits der guten Sitten der normalen Haushaltsgesetzgebung befinden sich die sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen, mit denen sich mein Kollege André Schollbach seit Jahren kritisch beschäftigt.
Das Thema des heutigen Abends „Die Kirche und die Kassen“ ist noch breiter angelegt, es widmet sich insgesamt der Kirchenfinanzierung durch den Staat, die nach unserer Auffassung eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Trennung von Staat und Religion darstellt.
Dabei ist es uns egal, um welche Religion es sich handelt. Selbstverständlich können christlich, jüdisch, muslimisch oder anders religiös geprägte Vereine und Verbände wie alle anderen freien Träger auch staatliche Finanzierung in Anspruch nehmen, wenn sie etwa soziale Dienste erbringen oder Bildung vermitteln.
Allerdings sollte dann bitte nicht hinterher von Repräsentanten des Staates so getan werden, als hätten hier nur die Kirchen eine besondere Leistung erbracht.
Und noch etwas aus linker Sicht: Wer mit Geldern aller Steuerzahler arbeitet, muss auch dem allgemeinen Arbeitsrecht unterworfen sein. Dass dieses Recht im 21. Jahrhundert in staatlich finanzierten kirchlichen Einrichtungen immer noch nicht gilt, ist ein empörender Missstand!
Der Referent des heutigen Abends Dr. Carsten Frerk ist es sicher gewohnt, dass seine Veröffentlichungen und Auftritte Empörung auslösen. Das eint ihn mit unserem Abgeordneten André Schollbach, der das aus anderen Gründen auch gewohnt ist.
Herr Frerk ist kein gelernter Kirchenkritiker, wie manche meinen, sondern promovierter Politologe.
Er beschäftigte sich u.a. mit dem Parteiensystemen Westeuropas und vergleichender Politikwissenschaft. Allerdings auch als Postkarten- und Kalenderverkäufer in Dresden, Görlitz, Zittau, Bautzen und Riesa, wie er uns auf seiner Homepage verrät. Also, ich habe es zwar als Koch zum Berufspolitiker gebracht, aber vor dieser beruflichen Bandbreite ziehe ich den Hut!
Sein jüngstes großes Rechercheprojekt als freier Autor ist dem christlichen Lobbyismus in Deutschland gewidmet.
Seit 1993 ist er freier Autor, Journalist und Texter. Seine kirchenkritischen Werke finden große Beachtung, seine Erkenntnisse werden auch von führenden Medien in der Berichterstattung gern genutzt.
Wir freuen uns, Herr Frerk, dass wir Sie heute Abend hier begrüßen dürfen!
Doch bevor Sie das Podium bekommen, hat der schon genannte André Schollbach das Wort. André, das ist jetzt dein Mikrophon.