Politik-Verbot für Buchlesung in Meißen – wie CDU-Diktat in Sachsen die Demokratie deformiert
Zum neuerlichen Höhepunkt („Sächsische Zeitung“ von heute) im bizarren Tauziehen um die Lesung des Sammelbandes „Unter Sachsen“, die im Rahmen des Meißner Literaturfestes im historischen Ratssaal der Stadt stattfinden soll, erkläre ich:
Wie das CDU-Diktat in Sachsen die Demokratie deformiert, lässt sich gerade besonders anschaulich im Zusammenhang mit dem über die Stadtgrenzen hinaus hoch geschätzten Meißner Literaturfest besichtigen. Da veranstalten örtliche CDU-Größen ein Trommelfeuer gegen die Lesung eines missliebigen Buches. Ergebnis: Sie darf nun doch stattfinden, aber ohne Diskussion hinterher. Sind wir im Erdoğan-Land? Nein, wir sind in Sachsen.
Das Buch zweier renommierter, überregional anerkannter Journalisten, die über 40 Autorinnen und Autoren zusammengebracht haben, ihre Sicht auf Sachsen „zwischen Wut und Willkommen“ zu Papier zu bringen, wird offenbar als Majestätsbeleidigung empfunden. Während bei unabhängigen Geistern mit Werdegang in der DDR wie Stefan Heym völlig unstrittig ist, dass jede Lesung auch eine politische Note hat, herrscht im CDU-Land Sachsen der Zwang zum Unpolitischen. Er bewirkt das Gegenteil von Demokratie.
Dass es inzwischen schon als Teilerfolg gilt, dass in einem historischen Ratssaal eine Buchlesung überhaupt stattfinden darf, ist ein Armutszeugnis für Sachsens demokratische Kultur unter CDU-Regie. Es bewahrheitet sich einmal mehr: Die CDU Sachsen hat politisch-kulturell die Nachfolge der SED als Staatspartei angetreten.