“Zum Fortschrittsbericht Aufbau Ost“: Investitionen in Beton bringen noch lange keine Gerechtigkeit für den Osten
Anlässlich der Vorstellung des aktuellen „Fortschrittsberichts Aufbau Ost“ erkläre ich:
Die Solidarpaktmittel haben entscheidende Investitionen im Osten ermöglicht. Es ist vieles erreicht worden. Doch herausgeputzte Städte und sanierte Straßen bedeuten noch lange keine gleichwertigen Lebensverhältnisse. Auch die Ost-Beauftragte der Bundesregierung weist darauf hin: Der Osten liegt in wichtigen Bereichen nach wie vor abgeschlagen hinter dem Westen, und das fast 30 Jahre nach dem Beitritt zur Bundesrepublik. Ostdeutsche arbeiten länger, verdienen weniger, sind stärker von Arbeitslosigkeit und Armut bedroht. Dass ein Rentner der Wendezeit wohl mindestens 100 Jahre alt werden muss, um die Renteneinheit zu erleben, sagt alles.
Zur sozioökonomischen Ungleichheit kommen „mannigfaltige Erfahrungen der Zweitklassigkeit“ vieler Ostdeutscher. Ostdeutsche besetzen noch heute viel zu selten die Spitzenpositionen unserer Gesellschaft, Bundesbehörden sind im Osten zu wenig präsent. Gute ostdeutsche Erfahrungen wurden beiseite gewischt, den Menschen in den neuen Ländern stattdessen Brüche zugemutet, deren Wirkungen die Politik im Großen wie im Kleinen viel zu oft ignoriert hat. Viele fühlen sich geringgeschätzt, abgehängt, geprellt, nicht ernst genommen. Gegen all das helfen alle Investitionen in die Infrastruktur kein bisschen.
Es gilt, im Sinne einer wirklichen Integration Antworten für alle Generationen zu finden: Für die Älteren, die den Großteil ihres Arbeitslebens in der DDR verbracht haben und zum Teil heute mit einer geringen Rente bestraft werden. Für diejenigen, deren Arbeitsleben an der Wende zerbrach und die sich nicht wieder aufrappeln konnten. Aber auch für diejenigen, die in der neuen Gesellschaft angekommen sind und sich zu den Erfolgreichen zählen. Und für diejenigen, die seit den 1980er Jahren geboren und ebenfalls ostdeutsch sozialisiert worden sind. Sachsen ist das bevölkerungsreichste ostdeutsche Bundesland – von hier kann ein Aufbruch aus den erstarrten Verhältnissen des „Merkel-Biedermeier“ ausgehen.
Deshalb wird meine Fraktion die Benachteiligung des Ostens noch stärker zum Ausgangspunkt ihrer Politik machen und im Landtag entsprechende Initiativen starten. Dazu werden wir in Kürze zum Beispiel mit dem Soziologen Raj Kollmorgen beraten, der sich an der Hochschule Zittau/Görlitz schwerpunktmäßig mit dem Thema sozialer Wandel beschäftigt. Der Osten muss ein Land für alle sein, die hier bleiben wollen!