Meine letzte Rede als Landesvorsitzender
Auf der 2. Tagung des 14. Landesparteitages der sächsischen LINKEN am 04. und 5. November 2017 in Chemnitz hatte ich die Möglichkeit das letzte Mal als Landesvorsitzender der LINKE Sachsen zu sprechen:
Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Gäste,
Chemnitz ist eine gute Adresse. Hier sind Kraftklub und Karl Marx besonders groß. Beide sind beispielhafte Quellen der Inspiration – auch für einen Parteitag der LINKEN.
Wir haben es selbst in der Hand, ob wir auch eine Quelle der Inspiration sind. Lasst uns von diesem Parteitag das Signal nach ganz Sachsen und darüber hinaus senden:
Wir, DIE LINKE, rufen zum „Wettbewerb um die besten Ideen für die Zukunft der Menschen in Sachsen auf“! Notwendig ist das allemal.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir treffen uns hier sechs Wochen nach der Bundestagswahl, welche ein historisches Wahlergebnis brachte.
Es gibt einen Kraftklub-Song mit dem Titel: „Wenn du mich küsst.“ Darin heißt es: „Und wenn du mich küsst, dann ist die Welt ein bisschen weniger Scheiße!“ Um es klar und deutlich zu sagen: Das sächsische Wahlergebnis wird leider auch durch noch so viel Küssen nicht weniger Scheiße.
Man könnte ja sagen: Noch nie waren wir der CDU so dicht auf den Fersen – uns trennen nur noch gut zehn Prozent! Wenn ich das ernst meinen würde, würdet ihr mich wahrscheinlich fragen:
Was hast du denn genommen? Denn die CDU wurde ja gerade überholt – von einer Partei, die irgendwas zwischen schräger deutschnationaler Truppe und aktualisierter Wiedergängerin der NSDAP ist.
Das ist übrigens keine Wähler*innenbeschimpfung, sondern eine Feststellung mit Blick auf AfD-Funktionäre wie Gauland, Höcke und Maier. Sie sind eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Deutschland – und besonders gefährlich hier bei uns in Sachsen!
Besonders peinlich aber ist Frau Petry. Sie will nach eigenem öffentlichem Bekenntnis völkisches Denken in Deutschland wieder hoffähig machen. Sie findet auch Schüsse auf Flüchtlinge an der Grenze o.k. – und – das muss ich jetzt mal loswerden – sie spielt jetzt zugleich auch mit Hilfe sächsischer Medien die Rolle der heldenhaften AfD-Dissidentin.
Petry hat die AfD verlassen, weil sie ihr angeblich zu rechtslastig geworden ist. Nein, das ist gelogen. Petry hat es erst ermöglicht, dass sich die AfD zu einer rassistischen und fremdenfeindlichen Partei entwickelt hat.
Also, um an die sogenannte „blaue Wende“ der völkischen Petry zu glauben, muss man schon ganz schön besoffen — also blau sein!
Wer nüchtern ist, erkennt an den täglichen ausländerfeindlichen Hass-Pressemitteilungen der „Blauen Gruppe“ im Landtag, unterzeichnet vom Petry-Vertrauten Wurlitzer, dass zwischen diesen Leute und der AfD-Fraktion kein Blatt Papier passt.
Wer von der CDU mit Petrys Truppe gemeinsame Sache machen will und seien es nur Gedankenspiele, der verabschiedet sich selbst von den Grundwerten der Demokratie!
Es ist doch offensichtlich, worum es hier geht: den Aufbau eines Erpressungspotenzials in der Hand einer immer weiter nach Rechtsaußen rutschenden sächsischen CDU. Damit soll der kleine Koalitionspartner SPD noch kleiner gemacht werden als er schon ist. Und was fällt dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der SPD zur aktuellen Lage ein?
Er will der „stabile Faktor“ in diesem ganzen Elend bleiben. Mein Gott, Martin, kriegst du gerade noch mit, was in Sachsen los ist?
Einer, der schon lange nichts mehr mitbekommen hat, ist zurückgetreten. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich.
Nun soll also Michael Kretschmer der Messias der sächsischen CDU werden.
Dazu schrieb mir eine Fraktionskollegin:
„Ich bin fassungslos! Soviel Schamlosigkeit, fehlende Demut vor allem und gerade auch von Kretschmer selbst, Ich kann das nicht mehr in Worte fassen! Ich ahne Schlimmes: Wie muss sich ein AfD-Wähler in der Lausitz fühlen, der eben den General aus dem Bundestag befördert hat und ihn nun als MP zurückbekommt?
Nicht, dass ich übermäßig auf die Gefühlswelt des AfD-Wählers Rücksicht zu nehmen bereit bin: Aber das ist doch ein politischer Affront und hat mit Wahlergebnisverstehen nichts zu tun oder?“, soweit meine Fraktionskollegin.
Für mich steht fest:
Die sächsische CDU will ein „Weiter so“!
Diese CDU ist nicht mehr zu retten! Und unsere Aufgabe ist es auch nicht, die sächsische CDU vor ihrem eigenem Untergang zu retten, liebe Genossinnen und Genossen.
Nun wird oft gefragt, wer ist dieser Michael Kretschmer? Die Antworten hat er selbst in den letzten Jahren gegeben.
Der Mann war strikt gegen den Mindestlohn und behauptete, damit werden Arbeitsplätze vernichtet, der Mindestlohn führe nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
Wir wissen: Das Gegenteil ist wahr: 300.000 Menschen haben durch die Einführung des Mindestlohns mehr Geld in der Tasche.
Noch ein halbes Jahr nach der Abstimmung im Bundestag brüstete sich Kretschmer in einem Fernsehinterview, er sei – Zitat – „einer derjenigen, der in den vergangenen Jahren am meisten dagegen argumentiert hat.“ Hätte Herr Kretschmer beim Mindestlohn das Sagen gehabt, hätten Hunderttausende Menschen in Sachsen weiter Schaden genommen. So ein Mann gehört nicht in die sächsische Staatskanzlei!
Ich finde auch, dass ein Mann nicht in die sächsische Staatskanzlei gehört, über dessen Auftritt bei „Anne Will“ die Online-Redaktion einer konservativen überregionalen Tageszeitung schrieb:
„Kretschmer (…) trat dabei in manchen Phasen wie der in die CDU verlängerte Arm von Pegida auf.“
Wir vergessen auch nicht, dass Kretschmer den Grenzzaun von Ungarn lobte und schon vor Jahren stolz verkündete:
„Ich habe mich dafür ausgesprochen, dass wir konsequenter abschieben, inzwischen fordern das viele. Was gestern als Unverschämtheit galt, ist heute Gesetz.“
Wer dafür sorgt, dass Unverschämtes zum Gesetz wird, dem darf der sächsische Landtag nicht die Führung des Freistaates anvertrauen!
Ein sächsischer Journalist hat dieser Tage auf seiner Facebook-Seite dokumentiert, wie Kretschmer sein Facebook-Profil offenbar einer umfassenden „Säuberung” unterzogen hat und etliche Beiträge entfernt hat, die den Forderungen der AfD womöglich zu sehr ähneln und ihn bei der Wahl zum Ministerpräsidenten die dringend benötigten Stimmen der SPD kosten könnten.
Für welches Geld der Welt, wird sich die SPD-Fraktion für dumm verkaufen lassen? Wir sind gespannt auf die Antwort am 13. Dezember!
Liebe Genossinnen und Genossen,
schon im Herbst 1989 und im Frühjahr 1990 war diese Stadt hier mein Ziel, als ich mit dem Bus von Aue nach Karl-Marx-Stadt fuhr, um im Bezirksvorstand der SED bzw. SED/PDS mitzuarbeiten.
Vor zehn Jahren wurde hier in Chemnitz die Linkspartei in Sachsen aus der Taufe gehoben. Es war heiß. Wir haben geschwitzt, aber wir haben es gemeinsam geschafft.
Chemnitz erlebte weitere zahlreiche Parteitage mit Wegmarken unserer eigenen Geschichte. Freude und Trauer lagen und liegen häufig eng beieinander und bleiben unvergessen.
Vor fünf Jahren starb Lisa-Marie Jatzke am Rande des Parteitags durch eine heimtückische Krankheit.
Lisa-Marie hat den Parteitag selbst noch voller Lebensenergie eröffnet. LMJ, wie sie genannt wurde, sagte damals:
„Wir schaffen es immer wieder, uns viele Fragen zu stellen und diese auch verschieden zu beantworten und bringen uns damit erstaunlicherweise auch weiter.“
Im Gedächtnis an diese leidenschaftliche Mitstreiterin für eine bessere Welt ohne Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie möchte ich uns jetzt und auch mir persönlich die Fragen stellen, die uns weiterbringen können – zu Antworten, die nicht langweilen, sondern erstaunen.
Denn dieses Bundestagswahlergebnis vom 24.September in Sachsen ist der größte Umbruch seit 1989, er hat das gesamte Parteiensystem – besonders auch in Sachsen — in den Grundfesten erschüttert. Das trifft auch auf uns zu.
Ja, die CDU selbst hat den Rechtsruck im Lande zu verantworten. Wenn sich ein Michael Kretschmer nun hinstellt und sagt, die CDU sei „das Original der AfD“, dann lässt das für die weitere sächsische CDU-Politik Schlimmstes befürchten.
Das werden wir als konsequent antifaschistische Partei auch so sagen.
Die Nestbeschmutzer sind ja nicht wir, sondern die sächsische CDU, die in ihrem Namen das „C“ wie christlich in ein „N“ wie national überführt. Wenn die CDU Deutschlands konsequent wäre, würde sie den Landesverband Sachsen ausschließen.
Die größten Probleme, die wir in Sachsen haben, sind ja keine Betriebsunfälle. Sie sind systemimmanent, sie gründen in der Systematik der Politik der sächsischen CDU. Ich habe das schon mal die Unart des Regierens der CDU in Sachsen genannt. Denn die CDU lähmt mit obrigkeitsstaatlichem Gehabe die demokratische Zivilgesellschaft.
Die CDU will keine Chancengleichheit, sondern eine Teilung der Gesellschaft in oben und unten. Deshalb ist die unsinnige und zu frühe Trennung der Kinder nach Klasse 4 auch gewollt.
Kultusminister wird man unter der CDU nur, wenn man diesen Unsinn mitmacht. Der neue Kultusminister — egal ob hemdsärmelig oder nicht — treibt den Unsinn auf die Spitze und diffamiert den Wunsch der überwältigenden Mehrheit der sächsischen Bevölkerung nach längerem gemeinsamem Lernen im Schulwesen als – Zitat – „Schulhausbauprogramm“.
Ich bin froh, dass die Initiative „Gemeinsam länger lernen in Sachsen“ die Weichen für die Vorbereitung in Richtung Volksentscheid für längeres gemeinsames Lernen gestellt hat. Wozu wir als LINKE den notwendigen politischen Druck gemacht haben.
Da steht eine echt harte Aufgabe vor uns allen, also machen wir die nächste Landtagswahl zu einer Volksabstimmung über Chancengleichheit und längeres gemeinsames Lernen in Sachsen!
Auch die Spaltung des Landes insgesamt ist systemimmanent – sie ist die Folge der „Leuchtturm-Politik“ der CDU seit 1990. Deshalb muss das Thema Regionen-Gerechtigkeit ein Schwerpunkt unserer landespolitischen Arbeit sein. Wir kämpfen für eine Infrastruktur-Offensive, und das bedeutet vor allem: flächendeckender angebotsorientierter öffentlicher Nahverkehr, schnelles Internet überall und ärztliche Grundversorgung auch auf dem Land.
Was wir aber im gesamten Land brauchen, ist eine soziale Offensive für alle Menschen die hier leben.
Ja, ich betone es heute noch einmal auch in aller Öffentlichkeit: Uns LINKEN geht es um Umverteilung in der Gesellschaft von oben nach unten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
die LINKE in Sachsen hat immer schon große Kraftzentren — strukturell, territorial aber auch personell — gehabt und nicht selten auch Konflikte zwischen diesen. Die sich mit der Zeit auch immer mal wieder wandelten.
Ich glaube, dass es mir in den acht Jahren als Landesvorsitzender gelungen ist, diese Kraftzentren unserer Partei zusammenzuhalten bzw. zwischen diesen einen Ausgleich hinzubekommen, also interne Reibereien so zu moderieren, dass daraus produktive Energie entsteht. Mein Ziel war es immer, Pluralismus und produktiven Meinungsstreit zu unterstützen.
Das kostet Zeit, Ausdauer und auch Kraft. Ich sage trotzdem, ich habe es gerne gemacht. Niemand musste mich zwingen, mich für das Amt mehrfach zu bewerben, auch wenn das Amt eines Landesvorsitzenden der LINKEN in Sachsen echt kein „Ponyhof“ ist.
Nun sind 8 Jahre vorbei und ich habe für mich entschieden, in diesem Amt Schluss zu machen. Obwohl mich Genossinnen und Genossen in den letzten Wochen gebeten haben, ich solle doch noch einmal kandidieren. Danke für das Vertrauen und bitte nicht sauer sein, dass ich mich anders entschieden habe.
Am Ende so einer Amtszeit stelle ich mir schon im Sinne von Lisa-Marie Jatzke die Frage:
Warum schaffen wir es eigentlich nicht, mehr Menschen davon zu überzeugen, dass die Alternative zur CDU nicht Rechtsaußen in der Grauzone zwischen Zivilisation und Barbarei liegt?
Sondern links und damit in der Mitte einer solidarischen, humanistischen und aufgeklärten Gesellschaft?
Ich denke, das liegt daran, weil wir viel zu oft zu langsam, zu harmlos, zu technokratisch, zu bürokratisch, zu einfallslos, zu angepasst, kurzum: zu langweilig sind. Manche werden jetzt sofort behaupten: langweilig geworden sind.
Zugegeben:
Der Parlamentarismus ist ein gnadenloses Geschäft. Das ewige Einbringen von Drucksachen, die im Geschäftsgang der todsicheren Ablehnung entgegenberaten werden, führt zwangsläufig zu zynischer Routine und emotionalem Verschleiß. Auch das ist – systemimmanent.
Man kann sich daran gewöhnen, sorgt doch das Diätensystem für ein solides Schmerzensgeld.
Aber wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, liebe Genossinnen und Genossen.
Deswegen sind die, die das aus den eigenen Reihen oder von außen kritisieren, keine Nestbeschmutzer, sondern Mahner in eigener Sache.
Die Rolle linker Abgeordneter war immer eine andere als die ihrer konservativen oder liberalen Kolleginnen und Kollegen. Wir sind nicht der verlängerte Arm eines Establishments, sondern Menschen, die die Botschaft der Veränderung von unten auf die Bühne des sogenannten Hohen Hauses zu tragen haben. Das ist unser Job, und den müssen wir verdammt noch mal besser machen!
Damit uns dies wieder besser gelingt, bedarf es einer großen Kraftanstrengung. Und deshalb möchte ich gerade jetzt, da uns der Zerfall der Staatspartei CDU vor neue Herausforderungen stellt, alle meine Kraft als Fraktionsvorsitzender auf die stärkere Profilierung unserer Aufgabe als Oppositionsführerin konzentrieren.
Wer, wenn nicht wir, soll denn Sachsen von den falschen Dogmen der CDU-Finanzpolitik befreien?
Die SPD? Die Grünen? Etwa die AfD?
Wir waren es doch, die seit vielen Jahren vor der falschen, oft nicht notwendigen Finanzpolitik in diesem Land gewarnt haben.
Wir waren es doch, die immer und immer wieder erklärt haben, wir müssen in die Köpfe investieren und nicht ausschließlich in Beton.
Was uns dabei nicht gelungen ist, ist klar zu machen, dass diese Finanzideologie der sächsischen CDU keine Marotte eines etwas knurrigen Professors auf dem Stuhl des Finanzministers ist, sondern eine besonders ausgeprägte Form des Neoliberalismus.
Wenn die SPD Sachsen um den Vizeministerpräsidenten Dulig nun denkt, sie muss nur die Schatulle des Finanzministers öffnen, um rechtzeitig vor den nächsten Wahlen irgendwie Geld übers Land zu schütten, dann kann ich nur sagen:
Ohne einen radikalen Wechsel in der Art, wie Politik – auch Finanzpolitik – in diesem Land gemacht wird, ist das echt rausgeworfenes Geld!
Oder um Albert Einstein zu zitieren: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Die Strategie der sächsischen CDU offenbart sich nun als Bumerang.
Die CDU-geführte Staatsregierung hat das Land sehenden Auges in einen dramatischen Lehrer*innenmangel geführt, der sich auch in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. In höchster Not hat sie ein Maßnahmenpaket losgeeist, für 213 Millionen Euro in zwei Jahren. Aber allein in diesem Jahr steckt der CDU-Finanzminister trotz Niedrigzinsen 231 Millionen Euro in die Schuldentilgung. Wie irre ist das denn?
Die CDU-geführte Staatsregierung wollte ein Viertel der Polizei-Stellen streichen. Die Zahl der Straftaten stieg und Sachsen rutschte im Ländervergleich bei der öffentlichen Sicherheit vom vierten auf den elften Platz.
Auch hier wurde viel zu spät, zu zögerlich und zu wenig umgesteuert. Statt für Polizei vor Ort zu sorgen, vergreift sich die CDU lieber an Grundrechten und setzt auf technische Überwachung. Das ist ein Irrweg, der nicht beruhigt, sondern noch mehr verunsichert!
Von dem immensen, vor allem personellen Problem in der Justiz, im Strafvollzug, an den Hochschulen, im öffentlichen Dienst im Allgemeinen habe ich noch gar nicht gesprochen.
Zu diesen nur angerissen Versäumnissen der CDU –Politik der letzten Jahrzehnte kommt auch eine unsägliche Extremismus-Debatte:
Jahrelang hat die CDU und ihre willfährigen Helfer*innen nicht nur in einigen Behörden der Öffentlichkeit einzureden versucht, dass der Demokratie in Sachsen gleichermaßen Gefahr von rechts und links drohe.
Ergebnis ist eine Verharmlosung der extremen Rechten und eine damit einhergehende offene Ausländerfeindlichkeit. Diese Toleranz von Rassismus trägt gerade in Sachsen ihre Früchte.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich behaupte, diese Extremismus-Debatte verfängt auch in Teilen der eigenen Partei und bei manchen Wähler*innen der LINKEN.
Was ich mir zum Beispiel seit vielen Jahren für Vorwürfe zur politischen Arbeit von Jule Nagel anhören muss, geht schon lange nicht mehr auf die so oft zitierte Kuhhaut.
Wenn wir also nicht aufhören, dem neoliberalen Zeitgeist in unseren eigenen Reihen Tür und Tor zu öffnen, dann brauchen wir uns über unsere öffentliche Wahrnehmung nicht zu wundern, liebe Genossinnen und Genossen.
Ich finde es toll, wenn Genoss*innen wie Jule Nagel eine ganz starke Grundüberzeugung haben von ihrer eigenen politischen Agenda und zugleich immer bereit sind, andere Argumente anzuhören und sie – wenn notwendig zu berücksichtigen in ihren eigenen Überlegungen.
Wir LINKE sind keine geklonten Parteisoldaten, ehrlich und offen ausgetragener Meinungsstreit sollte unser politisches Grundnahrungsmittel sein!
Wenn wir in diesem Herbst an hundert Jahre Oktoberrevolution denken, dann gehen uns neben allen historischen Irrtümern im Namen des Sozialismus auch die großen sozialen Probleme jener Zeit durch den Kopf.
Wenn Unrecht nicht rechtzeitig vernünftig beseitigt wird, entlädt es sich in Verwerfungen.
Wir haben es gerade hier im Osten mit einer massiven Enttäuschung seit der Wende zu tun, die viele 1989/1990 als Aufbruch verstanden haben. Diese Enttäuschung wird durch ein massives Demokratie- und Rechtsstaatsversagen gerade auch hier in Sachsen noch verstärkt.
Auch deshalb haben wir als LINKE Sachsen neue Aufgaben von historischer Tragweite zu bewältigen. Die da wären:
1. Wir müssen gerade in Sachsen die Demokratie-Blockade der CDU-geführten Staatsregierung und ihrer obrigkeitshörigen Staatsfunktionäre auf allen Ebenen durchbrechen.
2. Wir müssen den Menschen eine Perspektive für ihre Zukunft anbieten, für ihre Kinder und ihre Enkelkinder an jedem Ort in Sachsen.
3. Wir müssen prekarisierte Wähler*innen zurückgewinnen, sie dürfen aber nicht gegen neu gewonnene Wähler*innen und Mitglieder ausgespielt werden.
Liebe Genossinnen und Genossen,
habe ich eigentlich wie im Märchen drei Wünsche frei?
Wahrscheinlich nicht. Und trotzdem….
Ich wünsche mir natürlich neben einer schlagkräftigen Fraktion eine ebensolche Partei.
Nach dem ich mich entschieden habe nicht wieder zu kandidieren und Antje mir signalisiert hat für diese Aufgabe zur Verfügung zu stehen, habe ich viele Gespräche geführt und nie ein Geheimnis aus meinem Vorschlag gemacht.
Na klar gab es auch Genoss*innen die Bedenken geäußert haben, was jetzt nicht überraschend ist.
Ich habe im Landesvorstand am 29. September meinen Vorschlag vorgetragen und einen Tag später wurden die Medien informiert.
Was sind meine Gründe für den Vorschlag Antje Feiks:
Anhand ihrer Lebensgeschichte kann man sagen, dass sie eine echte Linke ist. Sie weiß, wie unsere Partei, unser Landesverband, tickt. Sie ist eine Netzwerkerin und ist auch bundesweit innerhalb der Partei gut vernetzt.
Sie hat sich vor allem bei Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliederschaft, aber auch bei den Themen Osten und Europa hervorgetan. Wenn es hart auf hart kommt, kann sie kämpfen und — besser verhandeln als ich. Und sie hat sich irgendwie einen Blick auf die Partei von außen bewahrt.
Auch deshalb, weil ihr beruflicher Werdegang jenseits der Politik angefangen hat.
Bei ihr wird die sächsische LINKE in guten Händen sein.
Wir haben aus historischen Gründen anders als CDU und SPD keine Generalsekretär*in, die dann auch noch von der jeweiligen Vorsitzenden vorgeschlagen wird. Die Landesgeschäftsführung ist bei uns in erster Linie eine administrative und in beschränktem Umfang eine politische Tätigkeit. Die beiden Personen an der Spitze der Landespartei müssen im Einvernehmen wirken. Aus der Geschichte des eigenen Landesverbandes sollten wir eigentlich wissen, dass das Gegenteil im Chaos endet.
Mein dritter Wunsch:
Wie schon gesagt, können und müssen wir uns streiten. Über die richtige Strategie, die richtigen Themen, die richtige Ansprache und auch über unser Personal.
Nur lasst uns bitte vereinbaren, dass es dafür Orte gibt: gewählte Gremien, Räume, wo nach legitimierten Regeln diskutiert und transparent entschieden wird.
Und ja, wir entscheiden mit qualifizierten Mehrheiten. Bedeutet nicht, dass die Mehrheit Recht haben muss.
Nur sollte eine Minderheit akzeptieren, dass es Mehrheitsentscheidungen gibt, und Mehrheiten müssen akzeptieren, dass es trotzdem eine Minderheitenposition geben kann.
BEIDES gehört zum Respekt vor unserer innerparteilichen Demokratie!
Es geht nicht um Sieger und Besiegte. Es geht um eine handlungsfähige Mehrheit.
Auch wenn ich meine Redezeit jetzt überziehe –es ist das letzte Mal als Landesvorsitzender – so möchte ich mich fast am Schluss bei all denen bedanken, mit denen ich in den letzten Jahren Politik machen durfte, im Großen wie im Kleinen.
Es waren viele, deswegen will ich echt keine Namen nennen.
Was mir aber ein Bedürfnis ist:
Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesgeschäftsstelle bedanken.
Sie waren immer, nicht nur für mich, ein Garant dafür, dass die Partei in den letzten Jahren echt als Organisation funktioniert hat, und wenn ich dazu noch weiß, dass es in den vergangenen 17 Jahren einen 100%igen Wechsel von ganz erfahrenen zu ganz jungen und neuen Mitarbeiter*innen gegeben hat, was ohne Brüche erfolgt ist, dann macht mich das echt auch ein wenig stolz.
Habt vielen Dank!
„Eins ist klar: So kann das nicht weitergeh‘n mit dem Land.“ singt Kraftklub.
Ich sage:
Wir machen dem Land ein Angebot, wie es weitergehen kann mit „unserem“ Sachsen. Ich freue mich, liebe Genossinnen und Genossen, dass ihr hier seid und daran mitarbeitet.
Glück Auf!