Zum 8. Mai: Weniger mit dem Säbel rasseln, aber mehr miteinander reden – natürlich auch mit Russland

Anlässlich des 8. Mai erk­läre ich (Rede bei Gedenkver­anstal­tung in Bautzen):

Meinst du, die Russen wollen Krieg?, dieses Gedicht von Jew­geni Jew­tuschenko ist sicher­lich vie­len bekan­nt. Wer es nicht ken­nt, dem empfehle ich, sich die Fas­sung von Ben Beck­er anzuhören…. Die Frage ist mehr als eine rhetorische Floskel, auch heute. 

Vor 74 Jahren endete in Europa der opfer­re­iche Kampf der Sow­je­tarmee und ihrer Alli­ierten gegen Faschis­mus und Krieg, gegen mil­lio­nen­fach­es Mor­den, gegen Folter und Zwangsar­beit, gegen Ver­sklavung und Unter­drück­ung, wie sie bis dahin von der Men­schheit noch nicht gese­hen wur­den. Mil­lio­nen opfer­ten ihr Leben im Kampf, im Krieg gegen die men­schen­ver­ach­t­ende Herrschaft Nazideutsch­lands. Gegen den Massen­mord an den europäis­chen Juden. Gegen die Ermor­dung und Ver­sklavung der Bevölkerung der beset­zten Län­der.

Unser Dank gilt deshalb allen Sol­dat­en der Anti-Hitler-Koali­tion, aber ins­beson­dere den Sol­dat­en der Roten Armee, den Wider­ständlern und Par­ti­sa­nen in allen beset­zten Län­dern und auch denen, die den Mut und die Kraft hat­ten, auch hier in Deutsch­land das Licht der Men­schlichkeit nicht erlöschen zu lassen. Den deutschen Mördern und ihren Helfern Ein­halt geboten zu haben, war und ist und wird in allen Zeit­en das größte Ver­di­enst bleiben, das der Men­schheit getan wer­den kon­nte. Das führt mich zurück zu der Frage: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“

In mein­er Erin­nerung sind mit diesem Sinnbild vom Tag des Sieges, vom Tag der Befreiung vor allem zwei Gedanken ver­bun­den: Diejeni­gen, die Zer­störung und Tod woll­ten, wur­den selb­st deren Opfer. Diejeni­gen, die das Leben vertei­digten, woll­ten nie wieder Krieg. An diese Erken­nt­nis ist auch vierund­siebzig Jahre nach dem Ende des zweit­en Weltkrieges in Europa weit­er notwendig zu erin­nern und wird es auf lange Sicht auch bleiben.

Unser Erin­nern und ehren­des Gedenken heute und hier gilt nicht nur der Ver­gan­gen­heit, son­dern auch der Gegen­wart. Mit großer Besorg­nis müssen wir zur Ken­nt­nis nehmen, dass die Poli­tik ins­beson­dere in Wes­teu­ropa – aber auch in eini­gen osteu­ropäis­chen Län­dern — in zunehmen­dem Maße von antirus­sis­chen Vorurteilen beherrscht wird; in der Außen- wie auch in der Wirtschaft­spoli­tik. Deswe­gen weniger mit dem Säbel ras­seln, aber mehr miteinan­der reden!

Deshalb stelle ich nochmal die Frage: Meinst du, die Russen wollen Krieg? Mil­lio­nen Tote, Mil­lio­nen Gefal­l­ene mah­nen uns, dass ihr Tod nicht umson­st gewe­sen sei.

Unser Erin­nern und Gedenken heute und hier an den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung, als Tag des Sieges über den Hitler­faschis­mus, als Tag des Sieges über die Unmen­schlichkeit, muss deshalb seine Fort­set­zung find­en in unser­er alltäglichen Arbeit, in unserem alltäglichen Ein­satz für eine Welt des Friedens und der Frei­heit für alle Men­schen.

Ein Ende dieser Auf­gabe ist nicht abzuse­hen. Deshalb ist sie unauf­schieb­bar. Deshalb ist sie die unsere.