Kinderhymne statt Deutschlandlied!
Zum Plädoyer von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow für eine neue Nationalhymne erkläre ich:
Die Diskussion ist überfällig, und der Anstoß von Bodo Ramelow kommt zur rechten Zeit. 30 Jahre nach dem Mauerfall holt uns die unaufgearbeitete Vergangenheit der Folgen eines Beitritts ein, der eben keine Vereinigung auf Augenhöhe gewesen ist. Stichwort Treuhand-Unrecht, aber auch die Missachtung gegenüber eigenen sozialen und kulturellen Perspektiven der Menschen in Ostdeutschland, die zur Entfremdung bis heute führt.
Ich persönlich bin für die Kinderhymne von Bertolt Brecht. Der Text ist von schlichter Schönheit und entspricht einem aufgeklärten Heimatverständnis, das keinen Platz für Nationalismus und übersteigerten Patriotismus lässt. Der Vorschlag, sie als neue Hymne eines vereinigten Deutschland zu nehmen, wurde leider wie so viele gute Ideen aus dem Osten in jener Zeit vom Tisch gewischt. Der Vorschlag gehört wieder auf den Tisch.
Persönlich singe ich die aktuelle Hymne nicht mit. Ich respektiere es, dass Menschen die 3. Strophe des Liedes bei offiziellen Anlässen mitsingen, aber ich selbst tue es nicht und werde es nicht tun. Das „Lied der Deutschen“ ist nun mal unwiderruflich in der Nazi-Zeit missbraucht worden, und die Hilfskonstruktion, sich auf die dritte Strophe zu beschränken, ist nur Ausdruck von Hilflosigkeit und mangelndem Mut, gemeinsam etwas Neues zu wagen.