Grundgesetz schützen – „Verfassungsschutz“ auflösen / wirksamste Ehrung ist konsequente Anwendung!

Zur Aktuellen Debat­te auf Antrag der Links­frak­tion „70 Jahre Grundge­setz: Ein Grund zu feiern? Ein Grund zu kämpfen!“ sage ich:

Die Müt­ter und Väter des Grundge­set­zes wussten ganz genau, dass eine allzu große soziale Spal­tung die Gesellschaft gefährdet. Deswe­gen ste­ht für mich das Grundge­setz vor allem:

- für uneingeschränk­te Men­schen­würde,

- für Sozialverpflich­tung des Eigen­tums,

- für eine kon­se­quent friedliche Welt und

- für einen klaren Bruch mit der NS-Zeit.

Die Unan­tast­barkeit der Men­schen­würde ist das geistige Fun­da­ment des gesamten Grundge­set­zes. Ich wün­sche mir, dass sich das auch bei dem säch­sis­chen Lan­desamt mit dem Namen Ver­fas­sungss­chutz herum­spricht. Dort hat man ja keine Prob­leme mit Ver­anstal­tun­gen, wo „Absaufen!“ gerufen wird – als Aus­druck des Wun­sches, die Flüchtlinge auf dem Mit­telmeer mögen ertrinken. Dage­gen find­et man den Ruf „Nazis raus!“ verdächtig. Ein solch­er Ver­fas­sungss­chutz schützt wed­er das Grundge­setz noch die säch­sis­che Lan­desver­fas­sung! Nein, dieser Ver­fas­sungss­chutz schadet der frei­heitlich-demokratis­chen Grun­dord­nung. Wer die Ver­fas­sung schützen will, muss diesen säch­sis­chen Ver­fas­sungss­chutz auflösen!

Ohne das Bun­desver­fas­sungs­gericht wäre die Ver­fas­sung völ­lig wehr­los gegenüber Mis­sach­tung durch die Poli­tik. Wir ken­nen das auch aus Sach­sen! Ich möchte den Rich­terin­nen und Richtern Danke sagen: Die wirk­lichen Ver­fas­sungss­chützer sind die Juristin­nen und Juris­ten in Karl­sruhe! Jedoch den wertvoll­sten und wirkungsvoll­sten Ver­fas­sungss­chutz voll­bringt im All­t­ag die couragierte Zivilge­sellschaft.  All die Men­schen, die nicht wegschauen, wenn Grun­drechte mit Füßen getreten wer­den. In Zeit­en wie diesen ist dieses Engage­ment nötiger denn je! 

In Artikel 3 des Grundge­set­zes heißt es: „Män­ner und Frauen sind gle­ich­berechtigt. Der Staat fördert die tat­säch­liche Durch­set­zung der Gle­ich­berech­ti­gung von Frauen und Män­nern und wirkt auf die Besei­t­i­gung beste­hen­der Nachteile hin.“ Es ist all­ge­mein bekan­nt, dass es auch in Sach­sen mehr Frauen als Män­ner gibt – es sollte daher unser gemein­sames Ziel sein, dafür zu sor­gen, dass es kün­ftig min­destens so viele weib­liche wie männliche Abge­ord­nete gibt. Dass das gut geht, sehen Sie an der Links­frak­tion. Wir bewe­gen uns damit auf dem Boden des Grundge­set­zes und sind zugle­ich unser­er Zeit voraus. Also, wün­sche ich mir, dass wir im let­zten Plenum dieser Leg­is­laturpe­ri­ode das „Säch­sis­ches Par­ité-Gesetz“ beschließen.

Aus mein­er Sicht ein schönes Beispiel dafür, dass das Grundge­setz kein ver­staubtes Gestern, son­dern das noch nicht ein­gelöste Mor­gen ist!

Der recht­spoli­tis­che Sprech­er der Links­frak­tion, Klaus Bartl, fügt hinzu:

70 Jahre Grundge­setz und deren Geschichte kön­nen uns Vieles lehren: Zuerst, dass wir alle in der Pflicht sind, eine Poli­tik, die auf sys­tem­a­tis­che Zer­störung der Men­schlichkeit hin­aus­läuft — im Großen wie im Kleinen, nach außen wie im Inneren — nie wieder zuzu­lassen. Deshalb müssen wir das Ver­sprechen des Art. 1 des Grundge­set­zes jeden Tag aufs Neue ein­lösen. In ein­er Zeit, wo allein für die im Grundge­setz ver­ankerte Würde eines jeden Men­schen zu stre­it­en zu Shit­storms und Beschimp­fun­gen führen kann, muss der Satz in Art. 1 GG mehr denn je als Auf­trag an die konkrete Gesellschafts­gestal­tung ver­standen wer­den.

Da ist weit­er die Lehre, dass ein Grundge­setz, eine gute Ver­fas­sung zu haben, das eine, sich deren Idee und deren Geist anzueignen, in der Gesellschaft wachzuhal­ten, ein in kein­er Weise gerin­ger­er Anspruch ist. Da ist zum Drit­ten die Lehre, dass der Kampf gegen jede Reinkar­na­tion des Nation­al­sozial­is­mus auch ein Men­schen­leben nach dem Zeit­punkt, da dies mit der Befreiung auch und zuvörder­st der Deutschen durch die Stre­itkräfte der Anti-Hitler-Koali­tion endete, nichts aber auch gar nichts an Aktu­al­ität einge­büßt hat.  

Dass und in welchem For­mat am 1. Mai in Plauen Recht­sex­treme marschierten, mit welchen Losun­gen die Jugen­dor­gan­i­sa­tion der NPD für den 1. Juni 2019 zu einem „Tag der deutschen Zukun­ft” bun­desweit nach Chem­nitz mobil­isiert und nicht zulet­zt, mit welchen unge­heuer frontal­en, men­schen­ver­ach­t­en­den Losun­gen für die bevorste­hen­den Europa- und Kom­mu­nal­wahlen kan­di­dierende Parteien Wahlkampf betreiben — das Schild an der Lat­er­ne: „Reserviert für Volksver­räter”, das nach Richter­spruch hän­gen bleiben darf — dies alles beweist, dass der Schoß, der Quell, aus dem das, was die Müt­ter und Väter des Grundge­set­zes mit eben diesem unwieder­hol­bar machen woll­ten, entsprang, dur­chaus noch frucht­bar ist.

Da ist eben­so die Tat­sache, dass die Repub­lik und das Grundge­setz aktuell auch dadurch auf eine Bewährung­sprobe gestellt wer­den, dass der Neolib­er­al­is­mus und um sich greifende Auswüchse eines Tur­bokap­i­tal­is­mus den inneren Zusam­men­halt der Gesellschaft und ihren ver­fas­sungsmäßi­gen Grund­kon­sens gefährden. Der Neolib­er­al­is­mus will eine andere Demokratie als das Grundge­setz. Er unter­wirft Demokratie und die Men­schen­rechte sein­er eige­nen Ver­w­er­tungslogik und führt in der Kon­se­quenz zur Zer­störung der sozialen Demokratie.

Den Diskurs zu führen, mit dem gesamten Instru­men­tar­i­um, das das Grundge­setz wohlweis­lich auch im Inter­esse der Gewährleis­tung dieses inneren Zusam­men­haltes des Gemein­we­sens vorhält, ist nicht nur legit­im, son­dern höchst notwendig. Das schließt das Recht ein, über das Wech­selver­hält­nis zwis­chen Gewährleis­tung der Eigen­tums­garantie auf der einen Seite und der Dien­st­barkeit des Eigen­tums in essen­tiellen Fra­gen der Sicherung des Gemein­wohles nachzu­denken und dass es eben kein „über­lebter Aus­rutsch­er” oder zu beheben­der „Geburts­fehler” des Grundge­set­zes war, zur Ein­hegung des Kap­i­tal­is­mus in bes­timmten Kon­stel­la­tio­nen auch die Möglichkeit der Enteig­nung zum Wohle der All­ge­mein­heit zuzu­lassen sowie Grund und Boden, Naturschätze und bes­timmte Pro­duk­tion­s­mit­tel in Gemeineigen­tum oder andere For­men der Gemein­wirtschaft zu über­führen. Dass das bei diesem oder jen­em Wirtschaft­slib­eralen oder Tra­di­tion­skon­ser­v­a­tivem zur Schnap­pat­mung führt, ist hinzunehmen.

Was in jedem Falle stimmt, ist, dass angesichts sich ver­stärkt poli­tisch formieren­der recht­spop­ulis­tis­ch­er, recht­sna­tionaler Kräfte die wirk­sam­ste Ehrung des 70. Geburt­stages des Grundge­set­zes wäre und sein muss, wieder wesentlich mehr in das Einüben des Grundge­set­zes im Sin­nge­halt und im Anwen­dungsall­t­ag zu investieren. Die Ver­ant­wor­tung dafür liegt, nimmt man den Freis­taat Sach­sen, nicht zulet­zt auch und primär im Säch­sis­chen Land­tag.